Fundierungsaxiom

Das Fundierungsaxiom (auch: Regularitätsaxiom) i​st ein Axiom d​er Mengenlehre v​on John v​on Neumann v​on 1925,[1] d​ie in d​er Neumann-Bernays-Gödel-Mengenlehre (NBG) aufging, u​nd ein Axiom d​er verbreiteten Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre (ZF) v​on 1930. Ernst Zermelo g​ab ihm d​en Namen u​nd eine einfache Formulierung für e​inen Bereich v​on Mengen u​nd Urelementen m​it folgendem Wortlaut:

Jeder nichtleere Teilbereich enthält wenigstens ein Element , das kein Element in hat.[2]

Formalisiert lautet das Fundierungsaxiom für den Bereich im Sinne der Klasse aller Mengen und Urelemente (Allklasse):

In der reinen Mengenlehre, in der alle Variablen Mengen bezeichnen, gibt es kürzere Formulierungen des Fundierungsaxioms, bei denen aus der Formel eliminiert wird, zum Beispiel folgende Fassung:[3]

Das hier existierende Element nennt man auch ∈-minimales Element von , da es kein Element mit gibt. Das Fundierungsaxiom sichert also die Existenz eines ∈-minimalen Elements jeder nichtleeren Menge.

Zulässige Folgerungen

Das Fundierungsaxiom verhindert zyklische Elementketten: . Die Menge , deren Existenz mit Hilfe des Paarmengen- und des Vereinigungsaxioms gesichert ist, widerspräche dann nämlich dem Fundierungsaxiom, sie hätte kein ∈-minimales Element. Es gibt somit auch keine Menge, die sich selbst als Elemente enthält (). Des Weiteren verhindert das Fundierungsaxiom die Existenz einer auf definierten Funktion (aufgefasst als Menge), mit für alle , da das Bild dieser Funktion, welches aufgrund des Ersetzungsschemas als Menge existiert, kein ∈-minimales Element besäße. Man beachte jedoch, dass sich aus der Formelmenge kein Widerspruch ableiten lässt, vorausgesetzt, dass ZFC widerspruchsfrei ist, denn bei einem solchen Widerspruchsbeweis könnten nur endlich viele Formeln benutzt werden, was offensichtlich zu keinem Widerspruch führen würde. Oder anders ausgedrückt: Aufgrund des Kompaktheitssatzes gibt es, falls es Modelle von ZFC gibt, auch Modelle, die nicht bezüglich der Elementrelation ∈ fundiert sind. Betrachtet man ein Modell der oben konstruierten Formelmenge, so kann es in diesem Modell keine Menge geben, die genau die als Element enthält. Diese Menge würde nämlich dem Fundierungsaxiom widersprechen (sie besäße kein ∈-minimales Element).

Mengenlehren ohne Fundierungsaxiom

Es gibt auch Mengenlehren ohne Fundierungsaxiom. Dazu gehört die ursprüngliche Zermelo-Mengenlehre, in der Zermelo ausdrücklich zirkelhafte (oder zirkuläre) Mengen (mit zyklischen Elementketten, etwa mit ) einkalkulierte,[4] oder die Ackermann-Mengenlehre. Bei beiden kann aber das Fundierungsaxiom hinzugefügt werden, ohne einen (vorher noch nicht vorhandenen) Widerspruch zu erzeugen. Zu nennen ist auch die Mengenlehre von Quine, der Individuen-Mengen durch definierte, so dass diese zirkelhaft sind und das Fundierungsaxiom definitiv nicht gilt.[5] In solchen Mengenlehren ohne Fundierungsaxiom sind zirkelhafte Mengen möglich, was zeigt, dass diese nicht unbedingt einen Widerspruch erzeugen. Die Bildung gewisser zirkelhafter Mengen wie der Allmenge oder der Menge der Ordinalzahlen, die in der naiven Mengenlehre Widersprüche erzeugen, ist schon in der Zermelo-Mengenlehre ohne Fundierungsaxiom ausgeschlossen. Allgemein kann das Hinzufügen eines Axioms keine Widersprüche verhindern, die es ohne das Axiom gegeben hätte, da das Hinzufügen eines Axioms die Menge der beweisbaren Sätze nur vergrößern, nicht aber verkleinern kann.

Vorgeschichte

Die Idee, ∈-fundierte Mengen a​ls normale Mengen z​u betrachten, g​eht auf Dmitry Mirimanoff zurück, d​er 1916 d​ie in d​er ursprünglichen Zermelo-Mengenlehre erlaubten zirkulären Mengen a​ls extraordinär bezeichnete.[6] Diese extraordinären Mengen wollte Abraham Fraenkel 1921 a​us der Mengenlehre ausscheiden d​urch ein Beschränktheitsaxiom, „das d​em Mengenbereich d​en geringsten m​it den übrigen Axiomen verträglichen Umfang auferlegt“.[7] Sein Beschränktheitsaxiom i​st aber n​icht in d​er Sprache d​er Mengenlehre formulierbar. Die e​rste korrekte Formel, d​ie den Ausschluss extraordinärer Mengen erreichte, g​ab Neumann 1925 i​n seinem Beschränktheitsaxiom an,[1] d​as aber komplizierter i​st als d​as verbreitete Fundierungsaxiom v​on Zermelo.

Einzelnachweise

  1. John von Neumann: Eine Axiomatisierung der Mengenlehre. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik. Bd. 154, 1925, S. 219–240, dort § 5 VI.4., S. 239, Digitalisat.
  2. Ernst Zermelo: Über Grenzzahlen und Mengenbereiche. In: Fundamenta Mathematicae. Bd. 16, 1930, S. 29–47, dort S. 31, Digitalisat (PDF; 1,5 MB).
  3. Arnold Oberschelp: Allgemeine Mengenlehre. BI-Wissenschafts-Verlag, Mannheim u. a. 1994, ISBN 3-411-17271-1, S. 261.
  4. Ernst Zermelo: Untersuchungen über die Grundlagen der Mengenlehre. I. In: Mathematische Annalen. Bd. 65, 1908, S. 261–281, dort S. 265.
  5. Willard van Orman Quine: Mengenlehre und ihre Logik (= Logik und Grundlagen der Mathematik. Bd. 10). Vieweg, Braunschweig 1973, ISBN 3-528-08294-1, S. 24.
  6. D. Mirimanoff: Les antinomies de Russell et de Burali-Forti et le problème fondamental de le théorie des ensembles. (1916). In: L'Enseignement Mathématique. Bd. 19, 1917, ISSN 0013-8584, S. 37–52, Digitalisat.
  7. Abraham Fraenkel: Zu den Grundlagen der Cantor-Zermeloschen Mengenlehre. (1921). In: Mathematische Annalen. Bd. 86, 1922, S. 230–237, dort S. 233.
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