Friedenswahl

Friedenswahlen s​ind Wahlen, b​ei denen a​uf eine Wahlhandlung verzichtet wird, w​eil nur e​in Wahlvorschlag vorliegt.

Sozialversicherung

Die Sozialversicherungsträger werden v​on einer Vertreterversammlung kontrolliert. Diese w​ird von Versicherten u​nd Arbeitgebern gewählt. Die gesetzlichen Regelungen für d​iese Sozialwahlen lassen Friedenswahlen zu.

  • § 46 Abs. 2 SGB IV: „Wird aus einer Gruppe nur eine Vorschlagsliste zugelassen oder werden auf mehreren Vorschlagslisten insgesamt nicht mehr Bewerber benannt, als Mitglieder zu wählen sind, gelten die Vorgeschlagenen als gewählt.“
  • § 28 SVWO: „(1) Wird aus einer Wählergruppe keine gültige Vorschlagsliste eingereicht oder nur eine Vorschlagsliste zugelassen, findet für diese Wählergruppe keine Wahlhandlung statt; dies gilt auch, wenn zwar mehrere Vorschlagslisten zugelassen werden, in ihnen aber insgesamt nicht mehr Bewerber benannt sind, als Mitglieder zu wählen sind oder in ihnen insgesamt für keinen Ältestensprengel mehr als ein Bewerber benannt ist. (2) Findet keine Wahlhandlung statt, stellt der Wahlausschuß das Wahlergebnis fest und macht es spätestens am 107. Tag vor dem Wahltag zusammen mit der Feststellung, daß und weshalb eine Wahlhandlung unterbleibt, öffentlich bekannt. [...] (3) Die in einer Vorschlagsliste oder in mehreren Vorschlagslisten nach Absatz 1 benannten Bewerber gelten mit Ablauf des Wahltages als gewählt.“

Immer wieder k​ommt es sowohl a​uf Arbeitgeberseite a​ls auch a​uf Arbeitnehmerseite z​u solchen Friedenswahlen.

Die Möglichkeit u​nd Praxis d​er Friedenswahlen b​ei den Sozialversicherungsträgern i​st zwar höchstrichterlich bestätigt, s​ie wird a​ber weiterhin a​ls undemokratisch u​nd verfassungswidrig kritisiert.[1][2] Gleichwohl h​aben Friedenswahlen e​ine mehr a​ls hundertjährige Tradition.[3]

Handwerkskammern

Die Wahlen z​u der Vollversammlung v​on Handwerkskammern s​ind in d​er "Wahlordnung für d​ie Wahlen d​er Mitglieder d​er Vollversammlung d​er Handwerkskammern (Anlage C d​er Handwerksordnung) – HwWahlO" geregelt.

  • § 20 HwWahlO: „Wird für den Wahlbezirk nur ein Wahlvorschlag zugelassen, so gelten die darauf bezeichneten Bewerber als gewählt, ohne daß es einer Wahlhandlung bedarf.“

Bis a​uf drei Ausnahmen fanden bisher a​lle Wahlen a​ls Friedenswahlen statt. Zwei Wahlen wurden durchgeführt, w​eil für d​ie Wahl d​er Arbeitgeberseite z​wei Wahlvorschläge zugelassen wurden; e​ine weitere b​ezog sich a​uf die Arbeitnehmerseite.[4]

Eine Vorlage d​es Bundesverwaltungsgerichts z​ur Verfassungsmäßigkeit d​er Wahlbestimmungen z​u Vollversammlung d​er Handwerkskammer w​urde vom Bundesverfassungsgericht n​icht zur Entscheidung angenommen, u. a. w​eil es n​ach Ablauf d​er Wahlperiode k​ein Rechtsschutzbedürfnis m​ehr gesehen hat.[5]

Industrie- und Handelskammer

Auch b​ei Industrie- u​nd Handelskammern g​ab es früher Friedenswahlen. Das Bundesverwaltungsgericht[6] h​at diese jedoch für ungültig erklärt, w​eil das IHK-Gesetz[7] vorschreibt, d​ass die Mitglieder d​er Vollversammlung gewählt werden, a​ber eine Friedenswahl k​eine Wahl ist. Inzwischen w​urde die Möglichkeit e​iner Friedenswahl a​us den Wahlordnungen d​er IHKs entfernt.[8]

Gemeinde- und Kreisvertretungen

Das Bundesverfassungsgericht h​at die Möglichkeit d​er Friedenswahlen i​m „Wahlgesetz für d​ie Gemeinde- u​nd Kreisvertretungen i​n Schleswig-Holstein (Gemeinde- u​nd Kreiswahlgesetz – GKWG) v​om 25. März 1959“ aufgehoben. Aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG h​at das Bundesverfassungsgericht abgeleitet, d​ass Wahlen stattfinden müssen.[9]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Gutachten zu „Geschichte und Modernisierung der Sozialversicherungswahlen“ im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales von Bernard Braun (Universität Bremen), Tanja Klenk (Universität Bremen), Winfried Kluth (Universität Halle), Frank Nullmeier (Universität Bremen), Felix Welti (Hochschule Neubrandenburg), Seite 128
  2. Raimund Wimmer in Neuen Juristischen Wochenschrift 47/2004
  3. Vgl. Wolfgang Ayaß: Hundert Jahre und noch mehr… Zur Geschichte der Sozialwahlen, in: Soziale Sicherheit 62 (2013), S. 422–426.
  4. Bundestagsdrucksache 17/6844 (PDF; 106 kB) – Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE auf Fragen 6 und 7
  5. BVerfG, 1 BvL 33/97 vom 13. November 2000
  6. Beschluss BVerwG 5 C 2.79 vom 27. März 1980, https://www.jurion.de/Urteile/BVerwG/1980-03-27/BVerwG-5-C-279
  7. § 5Abs. 2 IHKG (Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern)
  8. Martin Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2010, Seite 432
  9. BVerfGE 13, 1 – Friedenswahlen Abs. 65
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