Französische Kolonie zu Magdeburg
Die Französische Kolonie zu Magdeburg (la Colonie Française de Magdebourg) war ein gesondertes von der Stadt Magdeburg unabhängiges Gemeinwesen in Magdeburg. Sie bestand von 1685 bis 1808 parallel ohne abgegrenztes Territorium zur altstädtischen Bürgerschaft und der etwas später gegründeten Pfälzer Kolonie. Ihre Mitglieder waren französische Glaubensflüchtlinge, die unter dem Schutz des Kurfürsten standen. Die Kolonie verfügte über ein eigenes Rathaus, eine Verwaltung, Gericht genannt und auch über eine eigene Bürgergarde.
Geschichte
Im Jahr 1661 war Frankreich von der zuvor geübten religiösen Toleranz gegenüber den im Land lebenden Hugenotten abgerückt. Die calvinistisch-reformierten Hugenotten sahen sich zunehmender Verfolgung ausgesetzt. Am 22. Oktober 1685 erließ Ludwig XIV. das Edikt von Fontainebleau, in dem der Katholizismus zur französischen Staatsreligion erklärt wurde. Die Ausübung anderer Religionen wurde verboten und reformierte Kirchen zerstört.
Am 29. Oktober 1685 erließ der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm das Edikt von Potsdam in welchem Brandenburg-Preußen, zu dem seit 1680 auch Magdeburg gehörte, Glaubensflüchtlinge aus Frankreich einlud sich im Land niederzulassen. Das Edikt wurde heimlich als Flugblatt in Frankreich verteilt. Ziel der brandenburg-preußischen Regierung war die Ansiedlung möglichst vieler Fachkräfte, Unternehmer und Handwerker, um so wirtschaftliche Impulse zu erhalten. Den Asylsuchenden wurden erhebliche Privilegien angeboten, wie zehnjährige Steuerfreiheit, Befreiung vom Militärdienst und finanzielle Förderung für Häuser und Werkstätten. Insgesamt wurden neun Städte als Wohnsitze empfohlen, darunter auch Magdeburg, wo bald die neben Berlin größte und wirtschaftlich bedeutsamste Kolonie in Brandenburg-Preußen entstand. Bereits im Laufe des Herbstes 1685 trafen lose erste hugenottische Flüchtlingsfamilien ein. Als Gründungsdatum der Kolonie könnte man den 1. Dezember 1685 sehen, an dem der Magdeburger Stadtkommandant Ernst Gottlieb von Börstel (1630–1687) den Befehl aus Berlin erhielt, alles erforderliche zu veranlassen sobald der Prediger Banzelin mit den ersten französischen Familien eintreffe. Der erste Trupp von 50 Hugenotten traf dann am 27. Dezember 1685 in Magdeburg ein.
Die Ansiedlung der Glaubensflüchtlinge in Magdeburg stieß jedoch auf erheblichen Widerstand in der Bevölkerung und bei den örtlichen Behörden. Die calvinistischen Neuankömmlinge galten im lutherischen Magdeburg als Ketzer. Kurfürstliche Befehle zur Erleichterung der Ansiedlung, wie die gegen Entschädigung durchzuführende Zur-Verfügung-Stellung von Häusern und wüsten Grundstücken, wurden missachtet. Die in der Stadt ansässigen kurfürstlichen Zivil- und Militärbehörden mussten daher ein Teil der Versorgungsaufgaben übernehmen. Die Aufnahme der drei Jahre später aus der Pfalz einwandernden Kolonisten, die mit ähnlichen Privilegien die Pfälzer Kolonie, auch genannt Wallonische Kolonie, bildeten, war dann schon deutlich freundlicher.
Bis 1703 war die Zahl der französischen Kolonisten auf 1350 Menschen angewachsen. Die wirtschaftliche Situation der französischen Kolonie stellte sich jedoch als schlecht, zumindest erheblich schlechter als die der Pfälzer Kolonie dar. Der Anteil von Handwerkern an den Kolonisten war verhältnismäßig gering. Bedingt durch die Fluchtsituation hatten die Menschen große Teile ihres beweglichen Vermögens zurückgelassen. Viele Flüchtlinge waren arm. Auch wurden, für die damalige Zeit ungewöhnlich, 34 weibliche Haushaltsvorstände aufgeführt. Diese Frauen und ihre Familien verdienten sich nur mühsam mit Näharbeiten, zum Ärger alteingesessener Handwerker, ihren Unterhalt.
Die erhofften Manufakturgründungen fanden auch in Magdeburg statt, wo ungefähr 200 bis 250 Flüchtlings-Familien arbeiteten. Es zeigte sich aber bald, dass die dort in für die Zeit großen Stückzahlen hergestellten Waren nur schwer unter der zahlenmäßig und wirtschaftlich schwachen Bevölkerung Brandenburg-Preußens absetzbar waren. Auch Exporte in andere Länder waren nur schwer machbar, da vielfach dort ebenfalls gerade Manufakturen entstanden waren. Es kam daher zu Pleiten und Geschäftsaufgaben, die jeweils auch die wirtschaftliche Existenz der Beschäftigten gefährdeten.
Verwaltung der Kolonie
Da die Französische Kolonie Menschen vereinte, die aus verschiedenen Gegenden Frankreichs, mit unterschiedlichen Traditionen stammten, war eine herkömmliche Kommunalverwaltung mit einem Bürgermeister und einem Rat nicht geeignet. Die Verwaltung der Kolonie[1], genannt das Gericht, diente in erster Linie dazu, Streitigkeiten innerhalb der Kolonie zu schlichten. Sie bestand aus einem Direktor, zeitweise einem Stellvertreter, der gleichzeitig Assessor und (geheimer) Schreiber (greffier) war, drei Assessoren, einem Fiskal (er war der öffentliche Vertreter der Kolonie und entsprach einem Amtsanwalt; er stand rangmäßig über den Assessoren), zwei Anwälten, Polizeiassessoren und einem Gerichtsdiener. Französisch war, bis zu ihrer Auflösung 1808, die Korrespondenzsprache der Kolonie.
Die Direktoren der Französischen Kolonie zu Magdeburg
1. André de Persode 2. Jean Jacques de Rozel de Beaumont aus Castres 3. Dr. jur. Paul Lugandi (ehemals Parlamentsadvokat in Montauban) bis 1693 4. Dr. jur. Isaac de l'Espinasse 5. Dr. jur. Paul Lugandi (ehemals Parlamentsadvokat in Montauban) 1699 6. Dr. jur. Paul Lugandi (ehemals Parlamentsadvokat in Montauban) bis 1717 7. Scipion le Jeune 1717 bis 1726 8. Jean Péguihen de Lavergne 1726 bis 1749 9. Pierre Bernard 1749 bis 1766 10. Isaac Bernard d'Ammon 1766 11. Jendszeivetzky genannt Jean André Michel Andresse 1780 bis 1784 12. François Guillaume Michel ( Sohn des Jean Adam Michel) 1784 bis 1808
Die Fiskale der Französischen Kolonie zu Magdeburg
1. Dr. jur. Pierre Mucel (aus Pont Royan im Dauphiné) - 1716 2. Claude Clavière (Sohn eines Parlamentsnotars aus Grenoble) 1716 - 1720 3. André Pelet 1721 - 1754 4. R. S. Roccard (aus Schwedt) 1754 - 1757 5. Raimond Rossel 1757 – 1761 6. Vierne (auch Greffier) 1761 - 1775 7. François Guillaume Michel (auch Greffier); (danach Koloniedirektor)1775 - 1784 8. Daniel Boileau (auch Greffier) 1784 - 1787 9. Jacques Colbe(auch Greffier) 1787 - 1797 10. Friedrich Wilhelm Abraham Gaertner (auch Greffier) 1797 - 1808
Persönlichkeiten der Französischen Kolonie zu Magdeburg
- Friedrich Wilhelm Abraham Gaertner (* 16. Februar 1764 in Magdeburg; † 15. Dezember 1815 in Magdeburg) war preußischer Justizkommissar und Kriegskommissar in Magdeburg und Fiskal der Französischen Kolonie zu Magdeburg.
- Jacques Garrigue (* 1677 in Mazamet, Languedoc, Frankreich; † 24. August 1730 in Magdeburg) war Juwelier und Kirchenvorstand (Ancien) der Französisch Reformierten Kirche Magdeburgs.
- Moyse Garrigue (der Ältere) (* 1663 in Mazamet (Frankreich); † 8. Oktober 1715 in Magdeburg) war Juwelier und Händler, Bürger der Französischen Kolonie zu Magdeburg und Kirchenvorsteher der Französisch-Reformierten Kirche zu Magdeburg.
- Moyse Garrigue (* 9. September 1708 in Magdeburg, † 1. Februar 1750 ebenda); war Juwelier und Goldschmied, Gerichtsassessor der Französischen Kolonie zu Magdeburg und Direktor des Französischen Waisenhauses der Kolonie.
- Karl Maquet (* 8. Oktober 1767 in Magdeburg; † 16. Dezember 1823 in Magdeburg) war ein deutscher Kaufmann, Unternehmer und langjähriger Presbyter der Französisch Reformierten Kirche Magdeburgs.
Varia
- Die Französisch-Reformierte Kirche Magdeburg wurde 1960 auf staatlichen Druck gesprengt.
Siehe auch
Literatur
- Johannes Fischer: Die Französische Kolonie zu Magdeburg (= Magdeburger Kultur- und Wirtschaftsleben; 22). Stadtverwaltung, Magdeburg 1942.
- Eduard Muret: Geschichte der Französischen Kolonie in Brandenburg-Preußen. Berlin 1885.
- Henri Tollin: Geschichte der Französischen Kolonie von Magdeburg. Max Niemeyer, Halle 1886, (online,PDF), abgerufen 7. April 2016
Einzelnachweise
- Johannes Fischer: Die Französische Kolonie zu Magdeburg (= Magdeburger Kultur- und Wirtschaftsleben; 22). Stadtverwaltung, Magdeburg 1942, S. 36.