Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung
Der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO, auch als „Entsorgungsfonds“ oder „Atomfonds“ bezeichnet) mit Sitz in Berlin ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts, die am 16. Juni 2017 errichtet wurde und die Finanzierung der Kosten für die sichere Entsorgung des radioaktiven Abfalls aus der gewerblichen Nutzung der Kernenergie in Deutschland sicherstellen soll.
Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO) | |
---|---|
| |
Rechtsform: | Stiftung des öffentlichen Rechts |
Zweck: | Finanzierung von Suche und Betrieb atomarer Zwischen- und Endlager in Deutschland |
Vorsitz: | Anja Mikus Thomas Bley Stefan Spannagl |
Kuratorium: | Thorsten Herdan (Vorsitzender), Olav Gutting (Stv. Vorsitzender) |
Bestehen: | 16. Juni 2017 |
Stifter: | Bundesrepublik Deutschland |
Stiftungskapital: | 24,1 Mrd. Euro |
Mitarbeiterzahl: | 30 |
Sitz: | Berlin |
Website: | www.kenfo.de |
Dem KENFO wurden am 3. Juli 2021 rund 24 Mrd. EUR von den Betreibern der Kernkraftwerke in Deutschland überwiesen. Mit der Verwaltung dieses Fondsvermögen beauftragt ist der KENFO der erste deutsche Staatsfonds und die größte öffentlich-rechtliche Stiftung in Deutschland. Für den Stiftungszweck hat der KENFO bis Ende 2020 einen Betrag von 1,3 Mrd. EUR aufgewendet und an das Bundesministerium für Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) ausgezahlt.
Organisation
Der Vorstand leitet die Stiftung und besteht aus drei Mitgliedern, die über langjährige Erfahrung in der Anlage und dem Management großer Vermögen verfügen. Vorstandsmitglieder sind Anja Mikus (Chief Executive Officer, Chief Investment Officer), Dr. Thomas Bley (Chief Financial Officer, Chief Risk Officer) und Stefan Spannagl (Chief Operating Officer). Daneben existiert ein Kuratorium, das den Vorstand überwacht und über alle grundsätzlichen Fragen, die mit der Erfüllung des Stiftungszwecks verbunden sind, entscheidet. Hierbei kann das Kuratorium die Bundesbank beratend hinzuziehen. Das Kuratorium besteht aus Vertretern des Bundesministeriums der Finanzen, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie aus Mitgliedern des Deutschen Bundestages. Der Fonds untersteht ferner der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, die im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen sowie dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Nukleare Sicherheit ausgeübt wird.[1]
Zur Beratung des Kuratoriums ist ein Anlageausschuss eingerichtet worden, dessen Mitglieder über Erfahrungen im Bereich der Portfolioverwaltung, Mittelanlage oder Risikosteuerung verfügen. In den Jahren 2017 und 2021 bestand der Anlageausschusses aus den folgenden fünf Mitgliedern: Maximilian Zimmerer (Vorsitzender; ehemals Mitglied des Vorstands der Allianz Group, München), Mats Andersson (ehemals Vorstandsvorsitzender des schwedischen Staatsfonds AP4, Stockholm), Elga Bartsch (Leiterin des Volkswirtschafts- und Kapitalmarktresearch bei BlackRock Investment Institute, London), Martin Korbmacher (Geschäftsführender Gesellschafter der Event Horizon Capital & Advisory GmbH, Frankfurt) und Jochen Wermuth (Founding Partner der Green Growth Funds & Wermuth Asset Management GmbH, Berlin). Im August 2021 wurde Dr. Immo Querner (ehemaliger Finanzvorstand der Talanx Group, Hannover) als neuer Vorsitzender des Anlageausschusses und Nachfolger des ausscheidenden Maximilian Zimmerer berufen.[2]
Entstehungsgeschichte
Nach der Atomkatastrophe von Fukushima beschloss die Bundesregierung 2011 den Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie. Alle Kernkraftwerke in Deutschland müssen demnach bis zum Jahr 2022 stillgelegt werden. Für die danach folgende Phase des Abbaus der Anlagen und der Endlagerung des atomaren Abfalls waren die Betreiber der Kernkraftwerke verantwortlich. Allerdings bestanden Befürchtungen, dass die Betreiberunternehmen unter den zu erwartenden Kosten zusammenbrechen könnten. Aus diesem Grund wurde beschlossen, die langfristige Verantwortung von den Betreibern auf den Staat zu verlagern.[3]
Am 26. Juni 2017 wurde ein Öffentlich-rechtlicher Vertrag zur Finanzierung und der Verantwortung des Staates und der Betreiber für die nukleare Entsorgung unterzeichnet. Der Vertrag wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland auf der einen Seite sowie den Betreibern der Kernkraftwerke – EnBW Energie Baden-Württemberg, E.ON, RWE, Stadtwerke München und Vattenfall – auf der anderen Seite geschlossen.[4] Am 3. Juli 2017 haben die Betreiber den gesetzlich festgelegten Grundbeitrag von 17.930.977.226 Euro sowie einen 35-prozentigen Risikozuschlag in Höhe von 6.216.875.476 Euro an die Deutsche Bundesbank überwiesen. Diese 24,1 Milliarden Euro stellen den Kapitalstock des Atomfonds dar. In der Zukunft soll der Fonds diese Gelder am Kapitalmarkt investieren und mit Hilfe der Kapitalerträge die Suche nach geeigneten Zwischen- und Endlagern finanzieren.
Rechtliche Grundlage für die Errichtung, Aufgaben und Organisation des Fonds ist das Entsorgungsfondsgesetz[5] vom 27. Januar 2017, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2137) geändert worden ist.
Investments
Die Zielallokation des KENFO sieht Anlagen in weltweite Aktien und REITs von 35 % vor, in Unternehmensanleihen und Schwellenländeranleihen von 25 %, in illiquide Anlage wie Private Equity, Infrastruktur, Immobilien und Private Debt von 30 % sowie in Staatsanleihen Industrieländer u. ä. von 10 %.[6]
Bis Mitte 2019 waren knapp 40 % des Fondsvermögens planmäßig investiert und bereits eine durchschnittliche Wertentwicklung von 6,2 % auf das schrittweise angelegte Fondsvermögen erwirtschaftet.[7] Ende des Jahres 2019 hat der KENFO seine Anlagen auf 11,9 Mrd. EUR erhöht, die Stiftung erreichte insgesamt die Gewinnzone und konnte trotz der Coronakrise Mitte 2020 eine durchschnittliche jährliche Wertentwicklung von 4,1 % erwirtschaften.[8] Auch das Coronajahr 2020 konnte der KENFO mit einem Plus von 120 Mio. EUR abschließen und eine Wertentwicklung auf die Finanzanlagen in Höhe von 8,8 % erzielen.[9][10]
Anlagerichtlinien
Das Entsorgungsfondsgesetz setzt den rechtlichen Rahmen für die Vermögensgegenstände, in die der KENFO investieren kann. Grundlegende Anlagevorschriften für die Vermögensanlage und die erwerbbaren Vermögensgegenstände enthält die vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMU) erlassenen Anlagerichtlinien (AnlageRL) vom 27. Juni 2017 (Anz AT 30.06.2017 B1.)[11] Ferner anwendbar sind wesentliche Vorschriften aus Kapitel 4 der Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung sowie das BMF-Schreiben vom 20. August 2019, die "Empfehlung für Mindestanforderungen an ein Finanzanlagemanagement von bundesnahen Einrichtungen". Der KENFO ist damit zu einer möglichst großen Sicherheit und Rentabilität bei jederzeitiger Liquidität der Einrichtung unter Wahrung angemessener Mischung und Streuung verpflichtet.
Nachhaltigkeitsansatz
Bei der Geldanlage des ersten deutschen Staatsfonds sollen neben der Rendite auch die Kriterien Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung (auch Environment Social Governance–Kriterien oder ESG–Kriterien) in die Anlagestrategie integriert werden. Zudem hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, keine Anlagen in Projekte, Unternehmen, Anleihen oder Institutionen vorzunehmen, die dem übergeordneten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, die Nutzung der Atomenergie zu beenden (gem. Beschluss des Deutschen Bundestages vom 14.12.2016 (BT-Drs. 18/10671)).[12]
Der Auswahlprozess für das Investmentuniversum integriert die Nachhaltigkeitskriterien (sog. ESG-Screening). So wird beispielsweise bei jedem Erwerb von Anleihen und Aktien sichergestellt, dass die ausgewählten Investments unter ESG-Gesichtspunkten nicht den vordefinierten Ausschlusskriterien unterfallen (wie UN Global Compact-Verstöße oder Kernkraftwerksbetreiber) und gleichzeitig zu den jeweils besten ihrer Branche gehören. Unternehmen werden auf Basis einer Vielzahl von branchenspezifischen und anderen relevanten ESG-Kriterien analysiert und bewertet. Die von Asset Managern oder anerkannten und qualifizierten ESG-Ratingagenturen am besten bewerteten Unternehmen einer Branche werden in das liquide Anlageuniversum aufgenommen.[13]
„Der vom Entsorgungsfonds erarbeitete Nachhaltigkeitsansatz für Aktien und Unternehmensanleihen basiert auf einer Kombination von einem Best-in-Class-Ansatz, einem Best-in-Progress-Ansatz und Ausschlusskriterien.
Der Best-in-Class-Ansatz sieht vor, dass Investitionen nur in die 75 Prozent durch ESG-Datenanbieter am besten bewerteten Unternehmen innerhalb einer Branche vorgenommen werden.
Der Best-in-Progress-Ansatz sieht vor, dass begrenzt auch in Unternehmen investiert werden kann, die zwar noch keinen Best-in-Class-Status erreicht haben, aber besondere Fortschritte im Bereich der Nachhaltigkeit zeigen.
Die Ausschlusskriterien erfassen: (i) Unternehmen, die Kernkraftwerke betreiben oder Unternehmen beherrschen, die ihrerseits Kernkraftwerke betreiben; dabei wird eine 5-Prozent-Umsatzgrenze angewandt; (ii) Unternehmen, die schwerwiegende Verstöße gegen die Prinzipien des UN Global Compact begangen haben oder von der Initiative UN Global Compact von vornherein ausgeschlossen sind.
Der Vorstand arbeitet derzeit an einem Vorschlag für mögliche weitere Ausschlusskriterien für Aktien und Unternehmensanleihen. Der Vorstand wird seinen Vorschlag dem Kuratorium zur Entscheidung vorlegen.“
Zur Umsetzung dieser Vorgaben können die beauftragten Vermögensverwalter mit einem ESG-Datenanbieter ihrer Wahl zusammenarbeiten, der KENFO setzt seinen Nachhaltigkeitsansatz damit im Wesentlichen dezentral um. Der KENFO profitiert auf diese Weise von den etablierten Prozessen der Zusammenarbeit externer Asset-Management-Gesellschaften mit den ESG-Datenanbietern/Ratingagenturen und von der weltweiten Dynamik am nachhaltigen Kapitalmarkt durch die kontinuierliche Weiterentwicklung der ESG-Ratingansätze und unterstützt den Wettbewerb um die besten Ratingkonzepte.[15]
Der KENFO ist Anfang März 2020 als erster Staatsfonds der von den Vereinten Nationen einberufenen internationaler Investoreninitiative zum Klimaschutz "UN-convened Net-Zero Asset Owner Alliance" beigetragen und bekennt sich zu den Pariser Klimazielen.[16] Der KENFO bekennt sich ferner zu den UN Principles for Responsible Investment.[17]
Weblinks
Einzelnachweise
- Organe und Gremien. KENFO - Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, abgerufen am 26. Oktober 2021.
- Dr. Immo Querner zum Vorsitzenden des KENFO-Anlageausschusses ernannt. Abgerufen am 26. Oktober 2021.
- Finanzierung des Kernenergieausstiegs Webseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie
- Kernkraftwerksbetreiber haben Einzahlungen an nuklearen Entsorgungsfonds in Höhe von rd. 24 Milliarden Euro geleistet. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 3. Juli 2017, abgerufen am 25. Juni 2021.
- Gesetz zur Errichtung eines Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Entsorgungsfondsgesetz - EntsorgFondsG)
- Anja Mikus, CEO/CIO des KENFO: Statement anlässlich des Presse-Jahresgesprächs am 30. Juni 2021. KENFO - Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, abgerufen am 26. Oktober 2021.
- Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung erfolgreich angelaufen. Abgerufen am 26. Oktober 2021.
- Atommüllfonds rechnet mit Gewinn. Börsen-Zeitung, abgerufen am 26. Oktober 2021.
- "Sehr solides Anlageergebnis". Börsen-Zeitung, abgerufen am 26. Oktober 2021.
- KENFO schließt Corona-Jahr 2020 mit deutlichem Plus ab. Abgerufen am 26. Oktober 2021.
- Anlagerichtlinien. Bundesministerium der Finanzen, abgerufen am 26. Oktober 2021.
- Beschluss des Deutschen Bundestags. Abgerufen am 26. Oktober 2021.
- Nachhaltigkeit. KENFO - Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, abgerufen am 26. Oktober 2021.
- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode, Drucksache19/6247, Seiten 6–7, vom 4. Dezember 2018
- Wie funktioniert der Nachhaltigkeitsansatz des KENFO? KENFO - Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, abgerufen am 26. Oktober 2021.
- Deutschlands Atomfonds will das Klima schützen. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 8. März 2020, abgerufen am 26. Oktober 2021.
- UN Principles for Responsible Investment (UN PRI). KENFO - Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, abgerufen am 26. Oktober 2021.