Flavius Afranius Syagrius
Flavius Afranius Syagrius war ein Mitglied der Familie der Syagrii, hoher Beamter der kaiserlichen Verwaltung des römischen Reiches in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts und römischer Konsul.
Die umfangreiche Überlieferung, die es zu Flavius Syagrius für den entsprechenden Zeitraum gibt, macht es notwendig, von zwei gleichzeitigen homonymen Personen auszugehen. So ist ein Flavius Syagrius für den Zeitraum von 380 bis 382 als praefectus praetorio Italiae belegt,[1] zugleich gab es einen praefectus urbi namens Syagrius im Jahr 381.[2] Dass dieselbe Person beide Ämter gleichzeitig innehatte, ist auszuschließen. Des Weiteren gab es einen Flavius Syagrius als consul ordinarius in den Jahren 381[3] und 382,[4] ohne dass der letztgenannte Konsulat als Iteration des ersteren gekennzeichnet wurde.[5]
Aus diesen Gründen geht man davon aus, dass es zwei Personen des Namens gab. Die Zuweisung der verschiedenen mit dem Namen verbundenen Ämter ist seit über 100 Jahren Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion und wird ohne neue Funde nicht endgültig zu klären sein.[6]
Quellenlage
Neben Papyri sind Ammianus Marcellinus und der Codex Theodosianus die wichtigsten Quellen zu den Ämterlaufbahnen der beiden Personen. Hinzu kommen Briefe des Quintus Aurelius Symmachus, der Brieffreund des einen, und Sidonius Apollinaris, der mit dem Enkel des anderen befreundet war. Sidonius ist der einzige, der den Namen Afranius Syagrius überliefert.[7] Außerdem widmete der Dichter und Prinzenerzieher Ausonius Gedichte an seinen Freund Syagrius.[8]
Demnach sind folgende Ämter auf die Laufbahnen beider Männer zu verteilen: Im Jahr 369 war ein Flavius Syagrius notarius unter Valentinian I.[9] und beauftragt, den Bau von Befestigungen am Rhein zu beaufsichtigen. Als die Alamannen durch einen Angriff die Maßnahmen vereiteln, ist Syagrius der einzige Überlebende[10] und wird als Überbringer der schlechten Botschaft aus dem Dienst entlassen, um später Präfekt und dann Konsul zu werden.[11] Erst für das Jahr 379 ist der Name Syagrius unter Gratian wieder zu fassen, und zwar gleich zweimal im Codex Theodosianus: am 26. August 379 als Prokonsul wohl der römischen Provinz Africa[12] und am 1. Oktober 379 als magister officiorum.[13] Schließlich folgen die genannten Präfekturen über Italien von 380 bis 382, für die Stadt Rom im Jahr 381, die Konsulate der Jahre 381 zusammen mit Flavius Eucherius und 382 mit Claudius Antonius. Außerdem überliefert Sidonius für den Afranius Syagrius noch, dass er triplices praefecturae innehatte,[14] also dreimal Präfekt war oder eine dreifache Präfektur, etwa über Italia, Africa und Illyricum, hielt.
Zuordnungen
Otto Seeck war der erste, der erkannte, dass hinter all den Informationen die Lebensläufe zweier verschiedener Männer zu erkennen seien, und schlug eine erste Trennung und Zuweisung der einzelnen Ämter vor. Demnach war Afranius Syagrius notarius, magister officiorum, praefectus praetorio Italiae von 380 bis 382 und der Konsul des Jahres 381, zugleich der Brieffreund des Symmachus und der bei Sidonius genannte Afranius Syagrius.[15]
Eine andere Verteilung der Ämter schlug Arnold Hugh Martin Jones vor.[16] Er verteilte das Amt des praefectus praetorio Italiae auf beide Namensträger, indem er im magister officiorum den Präfekten vom 18. Juli 380 bis zum 15. Juli 381 erkannte. Dieser hätte im Anschluss den Konsulat des Jahres 381 angetreten und wäre im Amt verstorben. Ihm wäre der Prokonsul des Jahres 379 im Amt des Präfekten vom 5. Juli bis zum 30. August 382 gefolgt und hätte den Konsulat des Jahres 382 bekleidet. Zur Frage, welcher von beiden Afranius Syagrius war, äußert er sich nicht.
Die Prosopography of the Later Roman Empire (PLRE) folgte diesem Ansatz mit Modifikationen. Demnach hätte der Prokonsul des Jahres 379 und Konsul des Jahres 381 die prätorianische Präfektur über Italien bis zum 9. April 382 innegehabt. Sein Nachfolger in dem Amt wäre der notarius von 369 und Stadtpräfekt des Jahres 381 gewesen, der im darauffolgenden Jahr 382 Konsul war. Dieser sei auch der bei Sidonius genannte Afranius Syagrius gewesen, hätte folglich eine dritte Präfektur in Gallien unter den Usurpatoren Maximus oder Eugenius gehabt und wäre der Freund des Ausonius gewesen.[17]
Im gleichen Jahr der Veröffentlichung der PLRE schlug Alexander Demandt einen weiteren Ansatz vor.[18] Er identifizierte den Afranius bei Sidonius mit dem magister officiorum, der von 380 bis 382 praefectus praetorio Italiae war und während dieser Zeit 381 den Konsulat bekleidet hatte. Der andere Syagrius wäre daher der Prokonsul des Jahres 379, der Stadtpräfekt von 381 und der Konsul 382 gewesen. Außerdem wäre in ihm der Brieffreund des Symmachus zu erkennen.
Übersicht
Amt | Fl. Afranius Syagrius + Syagrius II. nach Jones | Fl. Syagrius + Syagrius I. nach Jones |
---|---|---|
notarius 369 | Seeck, PLRE | |
magister officiorum 379 | Seeck, Demandt | Jones, PLRE |
Prokonsul 379 | Jones | Seeck, PLRE, Demandt |
praefectus praetorio 380–382 | Seeck, Demandt | Jones (bis 381), PLRE |
praefectus praetorio 382 | Jones, PLRE | |
praefectus urbi 381 | PLRE | Demandt |
Konsul 381 | Seeck, Demandt | Jones, PLRE |
Konsul 382 | Jones, PLRE | Seeck, Demandt |
Folgerungen
Allen Forschungsansätzen gemeinsam ist, dass der prätorianische Präfekt Italiens wenigstens der Jahre 380/81 auch Konsul des Jahres 381 war und dass der Stadtpräfekt des Jahres 381 für den gleichzeitigen Konsulat ausscheidet. Während die angelsächsische Forschung in dem Afranius Syagrius des Sidonius den Konsul des Jahres 382 sieht,[19] folgt die deutschsprachige Forschung eher dem Ansatz Seecks und Demandts, in ihm den Konsul des Jahres 381 zu erkennen.[20] Alle weiteren Zuordnungen sind hypothetisch.
Gleichwohl lässt sich für Flavius Afranius Syagrius weiteres festhalten. Laut Sidonius war er der Großvater des Tonantius Ferreolus,[21] des praefectus praetorio Galliarum im Amtsjahr 451/52, hatte folglich wohl eine Tochter und war Urgroßvater des Syagrius, der Landbesitzer in Gallien und Brieffreund des Sidonius war.[22] Bestattet wurde er in Lugdunum,[23] zudem war er laut Sidonius Dichter[24] und daher sicher der Freund des Ausonius. Im Allgemeinen nimmt man eine gallische Herkunft an,[25] da der Name in Gallien verbreitet war,[26] er in Lugdunum bestattet wurde und er so als Mitglied der von Ausonius geförderten lokalen Elite Galliens zu verstehen ist.
Eventuell handelt es sich bei den spätrömischen Befehlshabern bzw. Lokalherrschern Aegidius und Syagrius um Verwandte des Konsuls.[27] Diese in der Forschung oft geäußerte Vermutung lässt sich aber letztlich nicht eindeutig beweisen.
Literatur
- Roger S. Bagnall, Alan Cameron, Seth R. Schwartz, Klaas Anthony Worp: Consuls of the Later Roman Empire (= Philological Monographs of th American Philological Association. Band 36). Scholars Press, Atlanta 1987, S. 296 f.
- Alexander Demandt: Die Konsuln der Jahre 381 und 382 namens Syagrius. In: Byzantinische Zeitschrift. Band 64, 1971, S. 38–45.
- Arnold Hugh Martin Jones, John Robert Martindale, John Morris: Syagrius 2 und 3. In: The Prosopography of the Later Roman Empire (PLRE). Band 1, Cambridge University Press, Cambridge 1971, ISBN 0-521-07233-6, S. 862–863.
- Szymon Olszaniec: Prosopographical Studies on the Court Elite in the Roman Empire (4th century AD). Nicolaus Copernicus University Press, Toruń 2013, S. 386–394.
- Otto Seeck: Syagrius 1 und 2. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IV A,1, Stuttgart 1931, Sp. 997 f.
- Kurt Smolak: Flavius Afranius Syagrius. In: Reinhart Herzog (Hrsg.): Restauration und Erneuerung. Die lateinische Literatur von 284 bis 374 n. Chr. (= Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, Band 5). C. H. Beck, München 1989, ISBN 3-406-31863-0, S. 245
Anmerkungen
- Codex Theodosianus 11,30,38 (18. Juni 380); 7,18,4 (15. Juli 380) 8,5,36 (27. Februar 381); 12,1,88; 1,10,1 (5. Juli 381); 12,1,88 (5. April 382); 12,1,89 (30. August 382).
- Codex Theodosianus 8,7,15.
- Papyrus Erzherzog Rainer 86,1.
- Papyrus Lipsiensis 1,21.
- Lediglich das Chronicon Paschale S. 243 führt beide Konsulate auf und verzeichnet den zweiten Konsulat als Iteration.
- So die Einschätzung bei Roger S. Bagnall, Alan Cameron, Seth R. Schwartz, Klaas Anthony Worp: Consuls of the Later Roman Empire (= Philological Monographs of th American Philological Association. Band 36). Scholars Press, Atlanta 1987, S. 297.
- Sidonius Apollinaris, epistulae 1,7.
- Ausonius Praefatio III 41-44.
- Ammianus Marcellinus 28,2,5–6.
- Ammianus Marcellinus 28,2,7.
- Ammianus Marcellinus 28,2,9.
- Codex Theodosianus 1,15,10.
- Codex Theodosianus 7,12,2.
- Sidonius Apollinaris, epistulae 7,12.
- Zusammenfassend Otto Seeck: Syagrius 1 und 2. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IV A,1, Stuttgart 1931, Sp. 997 f.
- Arnold Hugh Martin Jones: Collegiate Prefectures. In: Journal of Roman Studies. Band 54, 1964, S. 78–89, hier: S. 84. 89.
- Arnold Hugh Martin Jones, John Robert Martindale, John Morris: Flavius Afranius Syagrius 2 und Flavius Syagrius 3. In: The Prosopography of the Later Roman Empire (PLRE). Band 1, Cambridge University Press, Cambridge 1971, ISBN 0-521-07233-6, S. 862–863..
- Alexander Demandt: Die Konsuln der Jahre 381 und 382 namens Syagrius. In: Byzantinische Zeitschrift. Band 64, 1971, S. 38–45.
- Dem folgt aber zum Beispiel auch André Chastagnol: La carriera senatoriale nel Basso Impero (dopo Diocleziano). In: Sergio Roda (Hrsg.): La parte migliore del genere umano. Aristocrazie, potere e ideologia nell’occidente tardoantico. Scriptorium, Turin 1994, S. 23–57, hier: S. 50.
- Vgl. etwa Adolf Lippold: Syagrius 1. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 5, Stuttgart 1975, Sp. 439.; Raban von Haehling: Die Religionszugehörigkeit der hohen Amtsträger des Römischen Reiches seit Constantins I. Alleinherrschaft bis zum Ende der Theodosianischen Dynastie (324–450 bzw. 455 n. Chr.) (= Antiquitas. Reihe 3: Abhandlungen zur Vor- und Frühgeschichte, zur klassischen und provinzial-römischen Archäologie und zur Geschichte des Altertums. Bd. 23). Habelt, Bonn 1978, S. 299; Wolfgang Kuhoff: Studien zur zivilen senatorischen Laufbahn im 4. Jahrhundert n. Chr. Ämter und Amtsinhaber in Clarissimat und Spektabilität. Lang, Frankfurt/Main – Bern 1983, S. 210 f.
- Sidonius Apollinaris, carmina 24,34–36; epistulae 1,7.
- Sidonius Apollinaris, epistulae 8,8.
- Sidonius Apollinaris, epistulae 5,17.
- Sidonius Apollinaris, epistulae 5,5.
- Anders André Chastagnol, der für den magister officiorum Gratians eine spanische Herkunft vermutet: André Chastagnol: La carriera senatoriale nel Basso Impero (dopo Diocleziano). In: Sergio Roda (Hrsg.): La parte migliore del genere umano. Aristocrazie, potere e ideologia nell’occidente tardoantico. Scriptorium, Turin 1994, S. 51.
- Zur Verbreitung des Namens siehe Karl Friedrich Stroheker: Der senatorische Adel im spätantiken Gallien. Alma Mater-Verlag, Tübingen 1948, S. 220 f. Nr. 368–375.
- Vgl. Karl Friedrich Stroheker: Der senatorische Adel im spätantiken Gallien. Tübingen 1948, S. 220.