Fisimatenten
Fisimatenten [fɪzɪmaˈtɛntən] ist ein umgangssprachlicher Ausdruck mit der Bedeutung Unsinn, Faxen oder Blödsinn, im weitesten Sinne alle Handlungen, die Umstände oder Probleme verursachen. Das Wort ist ein Pluraletantum.
Die falsche Schreibung als Fiesematenten ist verbreitet in Anlehnung an das Wort fies,[1] mit dessen Bedeutung es verwandt scheint.
Die Herkunft des Ausdrucks ist nicht gesichert.
Wahrscheinliche Etymologie
Das Wort ist tatsächlich deutlich vor der französischen Besatzung (siehe unten) erstmals belegt. Es entstammt wahrscheinlich der lateinischen Amtssprache des ausgehenden Mittelalters:
„Fisimatenten Plur. ‚Flausen, Umständlichkeiten, Ausflüchte‘. Visae patentes (literae) ‚ordnungsgemäß verdientes Patent‘, im 16. Jh. als visepatentes reichlich belegt, wird durch spöttische Auffassung des Bürokratischen ‚überflüssige Schwierigkeit‘. Unter Einfluß von visament ‚Zierrat‘ tritt m an die Stelle des p, so schon 1499 ‚it is ein viserunge und ein visimatent‘. Alle Nachweise bei Spitzer, Teuthonista 1, 319 und Schoppe, Mitt. d. schles. Ges. f. Volkskde. 29, 298“
In den neueren Auflagen (von 1999 und 2002) desselben Wörterbuchs[3] wird es dagegen als „Streckform zu frühneuhochdeutsch fisiment = bedeutungsloser Zierrat (am Wappen)“ bezeichnet.
Peter Wehle[4] und das Wahrig Fremdwörterlexikon[5] verweisen auf eine weitere unbelegte Herleitung von visae patentes, also vidierte, geprüfte Dokumente, die, wenn ihre Echtheit nur behauptet wurde, bei Behörden Schwierigkeiten gemacht haben. Der Germanist Karl Gustav Andresen vermutete hinter der Wortschöpfung die bespöttelnde Verdrehung des missliebigen visum authenticum als Formel für einen amtlich festgestellten Tatbestand.[6]
Wolfgang Teuschl[7] gibt das italienische Wort fisima (dt. Laune, Grille)[8] als Ursprung an.
Weitere etymologische Herleitungen
Das Wort kommt häufig in der Wendung „macht keine Fisimatenten“ vor, als elterliche Warnung. Folgende Erklärung wird oft dafür herangezogen:
„Als Deutschland Anfang des 19. Jahrhunderts weitgehend unter französischer Besetzung stand, versuchten immer wieder französische Soldaten, deutsche Mädchen zum Zeitvertreib in ihr Lager zu locken, z. B. mit der Einladung: « Visitez ma tente » (dt. besuchen Sie mein Zelt) oder auch « Voici ma tente » (dt. sieh dort mein Zelt). Stand also abendlicher Ausgang an, wurde den jungen Frauen ein mach’ aber keine Fisi ma tenten mit auf den Weg gegeben.“[9]
Eine andere Erklärung für die Herkunft des Wortes mit demselben geschichtlichen Hintergrund ist:
„Zu dieser Zeit wurden französische Soldaten, die sich eines Vergehens schuldig gemacht hatten, mit der Einladung: « Visitez ma tente » (dt. besuchen Sie mein Zelt) zu ihren Vorgesetzten bestellt.“
Eine weitere Erklärung aus dieser Zeit liefert Lutz Röhrich:
„Ebenso wurde es volksetymologisch aber auch als Ausrede verspäteter Passanten bei Kontrollen durch die Wache erklärt: « Je viens de visiter ma tante » (Ich habe eben meine Tante besucht).“
Die Worterklärung aus dem Französischen ist sehr weit verbreitet und wird gerade im berlinischen und rheinischen Lokalpatriotismus immer wieder erzählt, da dort tatsächlich weitere französische Wörter in den Alltag Eingang fanden.
Weblinks
Einzelnachweise
- zu „fies“ vgl. Hans-Friedrich Rosenfeld: Germ. „fis(t)“ in seiner Entfaltung in übertragenem Sinn; Zu ndl. „vies“, dt. „fies“ ‘Ekel erregend’, ‘Ekel empfindend’, ‘heikel’; Zu ndl. „fis“, „visse“, rhein. „fiss“, ‘Iltis’. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. Band 78, (Halle) 1956, S. 357–420; Band 80, 1958, S. 424–460.
- Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Auflage. Hrsg. von Walther Mitzka. De Gruyter, Berlin / New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3
- Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 23. (1999) und 24. (2002) Auflage.
- Peter Wehle: Sprechen Sie Wienerisch? 2. Auflage. Ueberreuter, 1980, ISBN 3-8000-3165-5, S. 123 f.
- Wahrig Fremdwörterlexikon. 7. Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag, 2004, ISBN 3-423-34136-X, S. 302.
- Karl Gustaf Andresen: Über deutsche Volksetymologie. 7. verbesserte Auflage. Reisland Verlag, Leipzig 1918, S. 128.
- Wolfgang Teuschl: Wiener Dialekt Lexikon. Schwarzer, 1990, ISBN 3-900392-05-6, S. 79.
- fisima. In: Dizionari Sansoni. Italiano-Tedesco. 8. Auflage. Sansoni, 1992.
- Jochen A. Bär: Das Jahr der Wörter – Folge 15 – Fisimatenten. In: baer-linguistik.de. Abgerufen am 7. Dezember 2020.
- Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. S. 1793.