Ferdinand Wallbrecht (Politiker, 1840)
Ferdinand Wallbrecht (* 7. April 1840 in Elze bei Hildesheim; † 1. April 1905 in Hannover) war ein deutscher Architekt, Bauunternehmer und nationalliberaler Politiker.
Leben
Ferdinand Wallbrecht besuchte nach der Maurerlehre die Baugewerkschule in Nienburg/Weser und studierte 1856 bis 1861 an der Polytechnischen Schule in Hannover. 1860 wurde er dort Mitglied des Corps Saxonia.[1] In den Jahren 1861 bis 1863 ging er auf Wanderschaft durch Deutschland, Österreich und Italien. 1863 legte er seine Prüfung als Maurermeister ab und wurde Teilhaber im Baugeschäft seines Schwagers, des Hofsteinmetz- und Maurermeisters Karl Lange (1811–1867) in Hannover. Nach dessen Tod war er alleiniger Inhaber. Wallbrecht hatte durch seine Heirat (in 1. Ehe) mit der Tochter des Hofmaurermeisters Constantin Nordmann (1805–1889) die familiäre Bindung zu einer einflussreichen hannoverschen Bauindustriellen-Familie erlangt. 1872 gründete er die Hannoversche Baugesellschaft und wurde 1883 Königlicher Baurat; 1890 folgte die Gründung der Hannoverschen Immobilien-Gesellschaft.
Neben zahlreichen Bauten war sein wichtigstes städtebauliches Projekt in Hannover der Straßendurchbruch der Karmarschstraße durch die Altstadt in zwei Bauabschnitten von 1879 bis 1881 und von 1889 bis 1890. In der Ära des hannoverschen Stadtdirektors Heinrich Tramm war Wallbrecht in den 1890er Jahren vor allem an dessen Bauvorhaben beteiligt, darunter an der Kanalisation, dem Nordstadt-Krankenhaus, der Markthalle, dem Maschpark, dem Lister Turm sowie den Anfängen des neuen Rathauses.
Wallbrecht war auch außerhalb Hannovers aktiv. So betrieb er 1892/1893 die Erschließung der Lübecker Vorstadt St. Gertrud, indem er aus eigenen Mitteln die Moltke-Brücke über die Wakenitz errichten ließ. Auf eigene Kosten ließ er auch die Moltkestraße anlegen, die den Zugang zur 1895 veranstalteten Deutsch-Nordischen Handels- und Industrieausstellung bildete.
Wallbrecht war Aufsichtsratsmitglied in zahlreichen hannoverschen Unternehmen. Ab 1885 war er Bürgervorsteher, 1890 Wortführer und 1891 Senator. Für die Nationalliberale Partei saß er seit 1891 als Abgeordneter im Provinziallandtag der Provinz Hannover und von 1903 bis 1905 im Reichstag als Abgeordneter des Wahlkreises Provinz Hannover 9 (Hameln, Linden-Land, Springe).[2] Dort betrieb er in seinen letzten Lebensjahren vor allem die Vorbereitungen zum Bau des Mittellandkanals. Wallbrechts prachtvolles Grabmal befindet sich auf dem Stadtfriedhof Engesohde in Hannover.
Bauten als Architekt (Auswahl)
- 1878: Konzerthaus Hannover, Am Marstall
- 1879–1881: Provinzialständehaus, Am Schiffgraben (heute Niedersächsisches Finanzministerium)
- 1875–1876: Militär-Reitinstitut, Vahrenwalder Straße, Hannover (zwei Nebengebäude erhalten, darunter die Königliche Reithalle)
Gedenken und Verdienste
An Ferdinand Wallbrecht erinnern Straßennamen in Elze, im hannoverschen Stadtteil List und in Lübeck die Wallbrechtbrücke. In seiner Persönlichkeit und seinem Lebensweg verbindet sich der Aufstieg vom gelernten Maurer zum ökonomisch und politisch erfolgreichen Bauunternehmer. Auch verband er als Reichstagsabgeordneter sein Wirken mit der Tätigkeit als Architekt und Stadtplaner der späten Gründerzeit und des Historismus in der preußischen Provinzial-Hauptstadt Hannover.
Literatur
- Ernst Voges: Ferdinand Wallbrecht. Ein Lebensbild. Hannover 1906.
- Wilhelm Rothert: Allgemeine Hannoversche Biografie Band 1: Hannoversche Männer und Frauen seit 1866, Sponholtz, Hannover 1912, S. 304–307
- Günther Kokkelink, Monika Lemke-Kokkelink: Baukunst in Norddeutschland: Architektur und Kunsthandwerk der Hannoverschen Schule 1850–1900. Schlüter, Hannover 1998, ISBN 3-87706-538-4 (Biografie, Werke: S. 573)
- Klaus Mlynek in: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 374.
Weblinks
- Stadttafel am Niedersächsischen Ministerium der Finanzen in Hannover (erbaut von Ferdinand Wallbrecht)
- Ferdinand Wallbrecht in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
- Christel Busch: Lübecker Straßennamen erzählen Geschichte: Die Wallbrechtstraße. In: Unser Lübeck vom 22. September 2010:
- Nachruf auf Ferdinand Wallbrecht, in: "Deutsche Bauzeitung, XXXIX. Jahrgang, Nr. 35, Berlin, 3. Mai 1905:
Einzelnachweise
- F. L. Staub: Corps-Liste des Weinheimer SC von 1821 bis 1906. Dresden 1906, S. 65
- Fritz Specht, Paul Schwabe: Die Reichstagswahlen von 1867 bis 1903. Eine Statistik der Reichstagswahlen nebst den Programmen der Parteien und einem Verzeichnis der gewählten Abgeordneten. 2. Auflage. Verlag Carl Heymann, Berlin 1904, S. 123.