Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen
Das Evangelische Diakoniewerk Gallneukirchen ist ein Werk für Diakonie und hat sich, ausgehend vom 1874 in Oberösterreich gegründeten „Verein für Innere Mission“ in der jüngeren Vergangenheit zu einer diakonischen Unternehmensgruppe entwickelt. Das Diakoniewerk ist Mitglied der Diakonie Österreich, einem der fünf großen Wohlfahrtsverbände in Österreich.
Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen | |
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Rechtsform | gemeinnütziger Verein (ZVR: 405344058) |
Gründung | 1874 |
Sitz | Gallneukirchen |
Personen | Daniela Palk, Robert Schütz, Rainer Wettreck |
Beschäftigte | 3 500 |
Website | www.diakoniewerk.at |
Tätigkeitsfeld
Das Diakoniewerk ist als Unternehmen im Sozial- und Gesundheitsbereich in Österreich und im internationalen Umfeld tätig. Es entwickelt Angebote für Menschen im Alter und Menschen mit Behinderung. Weitere Bereiche sind Gesundheit, Bildung und die Entwicklung neuer, sozialraumorientierter Wohnkonzepte.
Älteren Menschen mit und ohne Demenz bietet das Diakoniewerk zeitgemäße Wohn- und Betreuungsleistungen für ein selbstbestimmtes Leben im Alter. Das Angebot reicht von alternativen Wohnformen wie Hausgemeinschaften über Wohnen mit Betreuung bzw. Generationenwohnen bis hin zu Tagesbetreuungen, Kurzzeitpflege, mobile Dienste, 24h.Betreuung, Besuchsdienste und Beratungen.
Das Diakoniewerk begleitet Menschen mit Behinderungen in Arbeits- und Tagesstrukturen, Wohn- und Therapieeinrichtungen und ermöglicht mobile Dienste und Beratungen. Im Sinne der Förderung einer inklusiven Gesellschaft finden beeinträchtigte Menschen in den integrativen Betrieben des Diakoniewerks (z. B. Kulinarium in Engerwitzdorf) oder in Kooperationsbetrieben (z. B. dem ReVital Shop Gallneukirchen) eine sinnvolle Beschäftigung.
Weiters umfasst das Betreuungsangebot des Diakoniewerks auch die Begleitung von Flüchtlingen im Rahmen von Deutschkursen und rechtlichen und psychologischen Beratungen.
Der Gesundheitsbereich umfasst die medizinische und pflegerische Versorgung, Geburtshilfe und Gesundheitsvorsorge in Kliniken sowie unterschiedliche Therapieformen in Therapiezentren.
Das Tätigkeitsfeld wird durch drei Heime für Studierende, ein Hotel, eine Buchhandlung und eine Gärtnerei mit Bioladen ergänzt. Als Weiterbildungsinstitut des Diakoniewerks bietet die Diakonie Akademie Kurse und Lehrgänge in den Bereichen Begleitung und Betreuung, Pflege, Persönlichkeitsentwicklung, Führung, Organisation und körperliche und seelische Gesundheit an.[1]
Das ehrenamtliche Engagement von Freiwilligen ergänzt die Arbeit der hauptberuflichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Einrichtungen des Diakoniewerks.
Geschichte
Die Ursprünge reichen in die Zeit 1806 bis 1815 zurück, als der katholische Pfarrer Martin Boos in Gallneukirchen wirkte. Auf Grund seiner Predigten wendete sich ein Teil der Gläubigen vom katholischen Glauben ab, die so genannten Boosianer, aus denen später die evangelische Pfarrgemeinde (1846 als Teil der evangelischen Gemeinde von Thening, ab 1870 eigenständig) hervorging. Um 1864 erfuhr der Pfarrer Ludwig Schwarz von den Schriften Martin Boos und von Boosianern. Er ließ sich von Görz nach Gallneukirchen versetzen und wurde der erste Pfarrer der neu gegründeten evangelische Pfarre. 1874 gründete er mit der evangelischen Pfarrgemeinde den Verein für Innere Mission. Um geeignete Fachkräfte für die Hilfe und Pflege von hilfsbedürftigen Menschen zu bekommen, griff der Verein auf die Tradition der Diakonissen zurück. Somit erfolgte im Jahr 1877 die Gründung des Diakonissen-Mutterhauses Bethanien mit zwei Diakonissen, Elise Lehner aus Kirchberg-Thening und Elisabeth Obermeir aus Leonding. Ludwig Schwarz hielt engen Kontakt zu seinem Bruder Ernst Schwarz, der nur kurze Zeit später das evangelische Diakoniewerk Waiern in Kärnten gründete.
Bald erstreckte sich der Wirkungsbereich des Vereins und der Diakonissen über das Mühlviertel und Oberösterreich hinaus. Elise Lehner wurde 1888 zur ersten Oberin der nun schon 18 Diakonissen umfassenden Schwesternschaft gewählt. 1909 zogen in das neu gebaute Diakonissen-Mutterhaus Bethanien in Gallneukirchen bereits 95 Schwestern ein. Ihre Arbeit verstanden sie im Sinne des biblischen Verses aus dem Galaterbrief, der über dem Eingang des Mutterhauses zu lesen ist: „In Christo Jesu gilt der Glaube, der durch die Liebe tätig ist“.
Die Arbeit des Vereins weitete sich ständig aus, auch in den Kriegs- und Zwischenkriegsjahren. Daher waren die Einsatzbereiche der Diakonissen sehr vielfältig – von der Kranken- und Altenpflege, über die Betreuung von Menschen mit Behinderung, von Kindern in Heimen, Internaten und Kindergärten und von erholungssuchenden Menschen, bis hin zur Arbeit als Gemeindeschwester reichten die Aufgaben. Geographisch wurde fast das gesamte Gebiet der damaligen Donaumonarchie abgedeckt.
Die nationalsozialistische Herrschaft betraf auch die Menschen im Diakoniewerk Gallneukirchen: Im Jänner 1941 wurden 64 Menschen mit Behinderung im Schloss Hartheim bei Alkoven ermordet. Ein Mahnmal im Garten des Hauses Bethanien erinnert bis heute daran.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte die Zahl der Diakonissen ihren historischen Höchststand, durch die Aufnahme von aus osteuropäischen Mutterhäusern geflüchteten Diakonissen. 1957 wurde der Verein in „Diakonissenanstalt“ umbenannt. Mit dem Jahr 1963 und der letzten Einsegnung von Diakonissen begann die sukzessive Verkleinerung der Diakonissenschwesternschaft und der Anzahl der diakonischen Schwestern, die es seit 1939 als eine andere weitere Form von Schwesternschaft gab. Heute leben im Haus Abendfrieden noch zwei Diakonissen und drei diakonische Schwestern, das ehemalige Mutterhaus erhält mit der OÖ. Landessonderausstellung 2015 und der Nachnutzung durch Einrichtungen der Behinderten- und Seniorenarbeit sowie der Bildung eine neue Bestimmung.
Trotz abnehmender Schwesternzahlen konnten die Einrichtungen und Arbeitsfelder des 1971 in „Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen“ umbenannten Sozialunternehmens mit immer mehr weltlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiter ausgebaut werden. Das Engagement der Diakonissen hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich das Diakoniewerk zu einem anerkannten Unternehmen im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich entwickeln konnte.
Haus Bethanien
Das Haus Bethanien ist ein Symbol für die rund 140-jährige Geschichte des Diakoniewerks, mehr als 100 Jahre lang diente es als Mutterhaus, als Heimat- und Einkehrort der Diakonissen, der einzigen evangelischen Schwesternschaft, die sich als Lebens-, Glaubens- und Dienstgemeinschaft verstanden hat. Im Mutterhaus haben sich die Diakonissen als Probeschwestern auf ihren Dienst vorbereitet und teilweise zur Gänze hier gewohnt, wenn ihr Wirkungsort in unmittelbarer Nähe war. Hierher sind sie zurückgekehrt, um sich von ihrem herausfordernden Dienst in der Gemeinschaft der Schwestern zu erholen und geistlich zu stärken. Mit dem Ende der Diakonissentradition hat das Diakonissen-Mutterhaus Bethanien seine Bestimmung verloren. Dank der Landessonderausstellung 2015 war es dem Diakoniewerk möglich, das Haus in einer qualitätsvollen Weise für eine moderne und zeitgemäße Nachnutzung vorzubereiten, gleichzeitig aber auch dem Erbe der Diakonissen, der ursprünglichen Nutzerinnen und Pionierinnen der sozialen Arbeit gerecht zu werden.
Das Haus Bethanien beherbergt heute eine Vielzahl an Angeboten: Kunstwerkstatt (Beschäftigungsangebot für Menschen mit Behinderungen), FRISBI (Zentrum für Freizeit-Sport-Bildung), acht Mietwohnungen und eine Tagesbetreuung für Menschen im Alter, Räume der Diakonie Akademie, Bewegungsraum und Lehrküche für die Schule für Sozialbetreuungsberufe, ein Museum und Historisches Archiv sowie das Café & Bistro KOWALSKI.
Standorte
Das Diakoniewerk ist in Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Wien, Niederösterreich und an Auslandsstandorten tätig.
Literatur
- Jahresbericht: Unser Jahr 2020
- 125 Jahre Diakoniewerk – Nächstenliebe in unserer Zeit, Gallneukirchen 1999
Weblinks