Erotomanie (Liebeswahn)
Als Erotomanie oder Liebeswahn wird die wahnhaft ausgeprägte, unwiderstehliche Liebe zu einer meist unerreichbaren Person bezeichnet (z. B. einer fremden, einer hochgestellten oder sehr berühmten Person). Dieses Phänomen wird nach dem französischen Gefängnispsychiater und Fotografen Gaëtan Gatian de Clérambault (1872–1934) auch als Clérambault-Syndrom bezeichnet.
Der Erotoman ist fest davon überzeugt, dass die geliebte Person ihre Liebe zu ihm verheimlicht, aber durch geheime Signale dennoch kundtut. Erotomanie darf nicht verwechselt werden mit obsessiver Liebe, einseitiger und unerwiderter Liebe oder Hypersexualität. Eine isolierte Erotomanie ist selten; meist kommt sie als Begleiterscheinung anderer psychischer Störungen vor.
Symptome
Eine durch nichts zu erschütternde Überzeugung, die Liebe werde erwidert, wird durch fehlgedeutete Verhalten und andere Signale des Gegenübers genährt. Ablehnung und Abgrenzungsversuche des Gegenübers werden beispielsweise als Koketterie oder als Versuch gedeutet, der sexuellen oder anderweitigen Anziehung des Erotomanen zu entkommen. Oft versucht dieser, in Kontakt mit dem Objekt seiner Begierde zu treten, bis hin zum Stalking.
Geschichte
Clérambault veröffentlichte 1921 eine umfassende Beschreibung der Störung als „Les psychoses passionnelles“.[1]
Künstlerische Verarbeitung
Filme
- Sadistico (Play Misty For Me), Vereinigte Staaten 1971, von und mit Clint Eastwood
- Die Geschichte der Adèle H., Frankreich 1975, mit Isabelle Adjani
- Eine verhängnisvolle Affäre (Fatal Attraction), Vereinigte Staaten 1987, mit Glenn Close und Michael Douglas
- Misery, Vereinigte Staaten 1990, mit James Caan und Kathy Bates
- Wahnsinnig verliebt (A la folie… pas du tout), Frankreich 2002, mit Audrey Tautou
- Enduring Love, Vereinigtes Königreich 2004, mit Daniel Craig
- Anna M., Frankreich 2007, mit Isabelle Carré
- Obsessed, Vereinigte Staaten 2009, mit Idris Elba, Beyoncé und Ali Larter
- Die Todesdroge, Krimi-Serie Lewis – Der Oxford Krimi, (Staffel 5, Folge 3, 2013)
Musik
- Dream Theater: A Mind Beside Itself Part I: Erotomania aus "Awake", EastWestRecords, 1994
Bücher
- Ferdinand von Saar: Leutnant Burda, Novelle erschienen 1887. In der Novelle verliebt sich Leutnant Josef Burda in die Prinzessin von L. Aus der Perspektive eines Ich-Erzählers werden Burdas wahnhafte Interpretationen verschiedenster Ereignisse beschrieben, in denen er obsessiv glaubt, Prinzessin von L. erwidere seine Liebe.
- Kurt Tucholsky: Schloß Gripsholm. (Laut Lisa Matthias hat beim Entstehen des Buches eine beginnende Erotomanie des Autors eine Rolle gespielt.)
- Ian McEwan: Liebeswahn. (Diogenes, 2000. ISBN 3-257-23162-8)
- Wulf Dorn: Dunkler Wahn. (Heyne, 2011. ISBN 978-3-453-26705-3)
Literatur
- Simon Bunke: Erotomanie. In: Bettina von Jagow, Florian Steger (Hrsg.): Literatur und Medizin im europäischen Kontext. Ein Lexikon. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, Sp. 226–229, ISBN 3-525-21018-3.
- Gaëtan Gatian de Clérambault: Psychoses passionelles. In: Jean Fretet (Hrsg.): Gaëtan Gatian de Clérambault. Œuvre psychiatrique. Band 1. Presses universitaires de France, Paris 1942.
- Gaëtan Gatian de Clérambault: L’érotomanie. Synthélabo, Le Plessis-Robinson 1993.
Einzelnachweise
- S. F. Signer: "Les psychoses passionnelles" reconsidered: a review of de Clérambault’s cases and syndrome with respect to mood disorders. In: Journal of psychiatry & neuroscience: JPN. Band 16, Nummer 2, Juli 1991, S. 81–90, PMID 1911738, PMC 1188298 (freier Volltext).