Erna Pinner
Erna Pinner (eigentlich: Wilhelmine Pinner; geboren 27. Januar 1890 in Frankfurt am Main; gestorben 5. März 1987 in Hampstead (London)) war eine deutsche Zeichnerin, Puppenkünstlerin, Schriftstellerin und Naturwissenschaftlerin.
Leben
Erna Pinner entstammte dem jüdischen Großbürgertum Frankfurts. Als Sechzehnjährige begann sie ihre künstlerische Ausbildung am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt, danach studierte sie in Berlin bei Lovis Corinth und in Paris bei Félix Vallotton, Maurice Denis und Paul Sérusier. Nach Deutschland zurückgekehrt, lernte sie 1916 oder 1917 Kasimir Edschmid kennen; die private Partnerschaft führte auch zu künstlerischer Zusammenarbeit. Erna Pinner illustrierte die Werke des Expressionisten und entwarf Kostüme für seine Stücke. Ab 1919 gehörte sie der Darmstädter Sezession an; ihre Werke wurden im Verlag Die Dachstube veröffentlicht. U. a. illustrierte sie Klabunds Blumenschiff. Sie reiste mit Edschmid durch Europa, schrieb selbst Feuilletons und illustrierte weiterhin die Werke ihres Partners.
Sie unterrichtete an einer Frankfurter Privatschule. Der Maler Helmut Kolle (1899–1931) zeichnete 1918 bei ihr; sie blieb ihm bis zu dessen frühen Tod eine enge Freundin.[1]
1935 wurde sie aus der Reichskammer der Bildenden Künste ausgeschlossen und emigrierte zusammen mit ihrer Mutter nach England, wohingegen Edschmid in Deutschland blieb. Der Kontakt mit Edschmid, der 1941 die Musikerin Elisabeth von Harnier heiratete, brach drei Jahre später ab und wurde erst 1946 wieder aufgenommen. Erna Pinner blieb in Großbritannien. Dort gelang ihr die Wiederaufnahme ihrer Karriere, diesmal – nach einem Biologiestudium – als beschreibende Naturwissenschaftlerin (im Bereich der Zoologie, Paläontologie und Anthropologie) und als Illustratorin populärwissenschaftlicher Werke.
Die Jugendarbeiten fielen weitgehend dem Bombardement ihres Elternhauses im Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Von den nahezu lebensgroßen, einst weithin bekannten Pinner-Puppen,[2] die sie ab 1914 anfertigte und die Tänzerinnen wie Niddy Impekoven inspirierten, ist wohl kein Original erhalten geblieben. Neben diesen grotesken Menschengestalten standen lebenslang die Tiere im Vordergrund ihres Interesses und Schaffens. Schon in ihrer Jugend hatte sie Studien im Frankfurter Zoo gemacht, für den sie später auch Plakate entwarf. Bekannt war vor allem ihr Schweinebuch, das allerdings ungeahnte Auswirkungen auf ihre Biographie haben sollte: Eine Polioinfektion, die sie sich vermutlich beim Skizzieren im Schweinestall zugezogen hatte, führte später dazu, dass sich Erna Pinner hauptsächlich aufs Zeichnen verlegen musste.
Werke (Auswahl)
- Schweinebuch. Von der Geburt bis zur Wurst. 1921.
- Tierskizzen aus dem Frankfurter Zoo. 1927.
- Kasimir Edschmid: Luxus-Hunde. Mit zehn Original-Radierungen von Erna Pinner. Darmstädter Verlag, 1927.
- Eine Dame in Griechenland. Mit 30 Zeichnungen der Verfasserin. Darmstädter Verlag, 1927.
- Ich reise durch die Welt. Mit 104 Federzeichnungen der Verfasserin. Reiss Verlag, 1931.
- Felix Salten: Bambi's Children. Übersetzung Barthold Fles. Illustrationen Erna Pinner. Grosset & Dunlap, New York 1939.
- Curious Creatures. 1951.
- dt. Wunder der Wirklichkeit. Paul Zsolnay, 1955.
- Born Alive. (dt.: Panorama des Lebens.) 1959.
- Unglaublich und doch wahr. 1964
Ausstellungen
- Ich reise durch die Welt. Die Zeichnerin und Publizistin Erna Pinner. Eine Ausstellung von Barbara Weidle in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Bibliothek Frankfurt am Main, 24. November 2004 bis 19. März 2005.
Literatur
- Kasimir Edschmid: Tierzeichnungen von Erna Pinner. In: Monatshefte für Bücherfreunde und Graphiksammler. Klinkhardt & Biermann, Leipzig. 1. Jg. 1925, H. 3, S. 144–150.
- Lutz Becker: Von der Kunst zur Wissenschaft. Der erstaunliche Lebensweg der Erna Pinner. In: Ich reise durch die Welt. Die Zeichnerin und Publizistin Erna Pinner. Weidle-Verlag Bonn 1997
- Ulrike Edschmid: „Wir wollen nicht mehr darüber reden.“ Erna Pinner und Kasimir Edschmid – Eine Geschichte in Briefen. München 1999, ISBN 3-630-87027-9.[3]
- Eva-Maria Magel: Kunst, ein Schweineleben: Das Werk von Erna Pinner. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 26. November 2004 (faz.net).
- Eva D. Becker: Erna Pinners halbes Leben im Exil. In: Exil. Forschung. Erkenntnisse. Ergebnisse. Heft 2, 2004, Seite 61ff, Edita Koch Exilverlag Frankfurt am Main, ISSN 0721-6742.
- Paul Ferdinand Schmidt: Erna Pinner und die Tiere. In: Deutsche Kunst und Dekoration: Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerisches Frauen-Arbeiten, 63, 1928–1929, s. 205–207 (uni-heidelberg.de).
- Annette Bußmann: „Das Leben ist eine Metamorphose“: Erna Pinner als Mittlerin zwischen den Kulturen im britischen Exil. In: Zeitschrift für Museum und Bildung. Nr. 86–87/2019. LIT, 2019, ISBN 978-3-643-99740-1, S. 76–90 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 1. November 2020]).
Weblinks
- Literatur von und über Erna Pinner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Pinner, Erna (1890–1987) beim Kalliope-Verbund
- Alexa-Beatrice Christ: Pinner, Erna im Stadtlexikon Darmstadt
- Erna Wilhelmine Pinner (1890–1987). auf der Website Frankfurter Frauenzimmer (Mit Fotografie)
- Teilnachlass Erna Pinner im Deutschen Exilarchiv der Deutschen Nationalbibliothek
- Pinner, Erna. Hessische Biografie. (Stand: 9. Mai 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Pinner, Erna im Frankfurter Personenlexikon
Einzelnachweise
- Wilhelm Uhde, Der Maler Helmut Kolle : Das Bildnis eines Frühvollendeten, in: Hartwig Garnerus, Der Maler Helmut Kolle. Mit einem Vorwort von Helmut Friedel, München, Lenbachhaus 1994, S. 178–180, ISBN 3-88645-122-4.
- Kasimir Edschmid: Grotesk-Puppen von Erna Pirner. In: Deutsche Kunst und Dekoration: Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerisches Frauen-Arbeiten, 39, 1916-–1917. S. 356–357 (uni-heidelberg.de).
- Wir wollen nicht mehr darüber reden – Erna Pinner und Kasimir Edschmid – Eine Geschichte in Briefen. Deutschlandfunk, 10. April 1999, abgerufen am 5. Januar 2018.