Epiphysan

Epiphysan w​ar ein pharmazeutisches Extrakt a​us der Zirbeldrüse junger Rinder, d​as zunächst z​ur Brunftunterdrückung hergestellt wurde. Zwischen 1954 u​nd 1987 spielte e​s eine unrühmliche Rolle i​n der Therapie i​n der Kinderbeobachtungsstation i​n Innsbruck.

Zusammensetzung

Epiphysan bestand aus 0,1 g frischer Zirbeldrüse junger Rinder und 3,3 mg Parahydroxybenzoesäuremethylester, als Stabilisator, in wässriger Lösung pro 1 ml. Es wurde als Epiphysan Disperga als 1 ml-Ampullen (Zulassungsnummer 2582) und in 5 ml-Ampullen, sowie Lingualtabletten für Tiere registriert. Disperga war die vertreibende Firma mit Sitz in Wien. Es war bis zum 1. Oktober 1996 im Warenverzeichnis der Apotheken gelistet. Ein Lieferstopp erfolgte bereits am 1. September 1994. Die Zulassung wurde aber erst am 10. April 2000 aufgehoben. Dosiert wurde auf 1 ml bis zu 5 ml täglich.[1]

Anwendung

Das Präparat w​urde zur Behandlung v​on Rindern entwickelt (Brunftunterdrückung) u​nd ab d​en 1950er Jahren a​uch beim Menschen angewandt a​uf die Indikation „Hypersexuelle Störung“. Aufgrund v​on dauerhaftem Einsatz k​am es i​n mehreren Fällen z​u einer Verkümmerung (Atrophie) d​er Keimdrüsen (Gonaden).

Geschichte

Das Präparat wurde Ende der 1930er Jahre für die Tiermedizin entwickelt und nach dem Zweiten Weltkrieg auch für die Humanmedizin zugelassen. Vor allem in der Kinderbeobachtungsstation der medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck, aus der später die Medizinische Universität Innsbruck hervorging, setzte die Leiterin Maria Nowak-Vogl das Präparat häufig ein. Sie berichtete von 2000 Fällen, die in 15 Jahren „behandelt“ wurden.[2] Es wurden Kinder behandelt, die nach der damaligen Moralvorstellung und der Ansicht von Erzieherinnen „abnormales sexuelles Verhalten“ zeigten.[3] Erst 2013 wurde eine Expertenkommission eingesetzt, die neben Misshandlungen den Einsatz des Epiphysan-Präparats brandmarkte.

Literatur

  • Günther Sperk, Elisabeth Dietrich-Daum, Michaela Ralser, Horst Schreiber, Patricia Gerstgrasser, Anna Katharina Purtscher-Penz, Ernst Berger, Daniela Laichner, Barbara Hoffmann, Elisabeth Dietrich-Daum, Isabelle Stummvoll: Bericht der Medizin-Historischen ExpertInnenkommission: Die Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation von Maria Nowak-Vogl. PDF 11. November 2013.
  • Hans Hellhammer: Der Einfluss von Epiphysan, der Kastration und von männlichen Sexualhormonen bei weiblichen Tieren und von weiblichen Sexualhormonen bei männlichen Tieren auf die Körperentwicklung und den Knorpel bei jungen Hunden. Hannover, Tierärztl. Hochsch., Diss. 1939.
  • Max Süß: Versuche mit "Epiphysan" zur Unterdrückung der Brunst bei Abmelkkühen. Berlin, Univ., Diss. 1944.

Einzelnachweise

  1. Bericht der Expertenkommission der Medizinischen Universität Innsbruck: 62.
  2. Bericht der Expertenkommission der Medizinischen Universität Innsbruck: 61.
  3. „exzessive sexuelle Akte“; „Randsymptomatik: Onanie, exhibitionistische Neigungen, grob verfrühtes sexuelles Interesse.“ Vogl: Differentialdiagnose und Therapie, Katamnestische Erhebungen.
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