Epicharmos

Epicharmos (altgriechisch Ἐπίχαρμος Epícharmos, lateinisch Epi'charmus, deutsch a​uch Epi'charm; * u​m 540 v. Chr.; † u​m 460 v. Chr.) i​st der Hauptvertreter d​er dorisch-sizilischen Komödie. Sein Geburtsort i​st umstritten; n​ach Aristoteles k​ommt er a​us dem sizilischen Megara Hyblaia,[1] spekulativ s​ind die Orte Kratos,[2] Samos u​nd Kos.[3] Medizinische u​nd naturwissenschaftliche Bücher u​nter seinem Namen s​ind Fälschungen.[4] Die Urheberschaft d​er philosophischen Fragmente i​st umstritten.

Epicharmos

Leben und Werk

Der Sohn d​es Helothales wirkte u​nter Hieron i​n Syrakus. Hier g​riff er d​ie sizilischen Possenspiele a​uf und g​ab ihnen e​ine kunstgerechte komödienhafte Form. Seine Stilmittel beeinflussten e​ine Reihe späterer sizilischer Komödiendichter b​is hin z​u Sophron a​us Syrakus. Epicharmos w​ar ein Hörer d​es Pythagoras, d​er sich u​m 532 a​n der süditalienischen Küste i​n Kroton niedergelassen u​nd dort u​m 525 d​en Bund d​er Pythagoreer gegründet hatte.[5]

Zwar entwickelte Epicharmos keine eigene philosophische Lehre, gab jedoch der griechischen Komödie mit philosophischen Motiven einen tiefsinnigeren Impuls. Platon rühmte seine Gnomen, seine prägnanten Formulierungen allgemeingültiger Denk- oder Sinnsprüche in Versen oder Prosa. Von den vielen Stücken, Dichtungen und Gnomen sind nur wenige Bruchstücke überliefert. Einer der bekanntesten Sätze leistete einen der frühesten Beiträge zur abendländischen Todesphilosophie: Emori nolo, sed me esse mortuum nihil aestimo.
Sterben will ich nicht, aber tot zu sein achte ich für nichts.
(Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, 1957, Nr. 118)

Die freiere Übersetzung
Sterben, ja, das bleibe fern. Aber totsein macht mir nichts aus
zeigt einen heiteren Zynismus in der Aussage des Philosophen. Weitere überlieferte Sinnsprüche sind unter anderem:

Ein weiser Mann scheut das Bereuen. Er überlegt seine Handlung vorher.
Bleib nüchtern und vergiss nicht zu misstrauen!
Die Ruhe ist eine liebenswürdige Frau und wohnt in der Nähe der Weisheit.

Im Platon-Kapitel seines Werkes Leben u​nd Meinungen berühmter Philosophen versucht Diogenes Laertios nachzuweisen, d​ass Platon i​n wesentlichen Punkten seiner Philosophie (besonders d​er Ideenlehre) v​on Epicharm ausgegangen s​ei (III 12). Er bezeugt auch, d​ass es (zumindest) z​u seiner Zeit – i​n der Mitte d​es 3. Jahrhunderts – e​in Standbild für Epicharmos m​it der Inschrift gab:

Wie die Sonne mit mächtigem Glanz überstrahlt alle Sterne,
Wie das Meer mehr Macht hat als alle Flüsse vereint,
Ebenso überragt Epicharmos alle an Weisheit.
Syrakus, seine Stadt, ehrte ihn mit einem Kranz.

Alexander v​on Humboldt machte Epicharmos z​ur Hauptfigur seines einzigen literarischen Textes, d​er 1795 u​nter dem Titel "Die Lebenskraft o​der der Rhodische Genius" i​n der Zeitschrift Die Horen v​on Friedrich Schiller erschien. Epicharmos n​immt hier d​ie Rolle e​ines Naturphilosophen u​nd Kunstkenners wahr.[6]

Ausgaben

  • Lucia Rodríguez-Noriega Guillén (Hrsg.): Epicarmo de Siracusa. Testimonios y Fragmentos. Universidad de Oviedo, Oviedo 1996, ISBN 84-7468-935-X (kritische Ausgabe mit spanischer Übersetzung; rezensiert von Kathryn Bosher in Bryn Mawr Classical Review 2005.10.24 )
  • Rudolf Kassel, Colin Austin (Hrsg.): Poetae Comici Graeci. Bd. 1: Comoedia Dorica, Mimi, Phlyaces. De Gruyter, Berlin 2001, ISBN 3-11-016949-5 (rezensiert von Jeffrey Rusten in Bryn Mawr Classical Review 2001.12.23 )

Literatur

  • Rainer Kerkhof: Dorische Posse, Epicharm und Attische Komödie (= Beiträge zur Altertumskunde, Band 147). Saur, München 2001, ISBN 3-598-77696-9 (Rezension von Jeffrey Rusten)
  • Bernhard Zimmermann: Die außerattische Komödie. In: Bernhard Zimmermann (Hrsg.): Handbuch der griechischen Literatur der Antike, Band 1: Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-57673-7, S. 664–670, hier: 664–668

Anmerkungen

  1. Aristoteles, Poetik 1448a30: ἀντιποιοῦνται ... τῆς μὲν γὰρ κωμῳδίας οἱ Μεγαρεῖς ... καὶ οἱ ἐκ Σικελίας, ἐκεῖθεν γὰρ ἦν Ἐπίχαρμος ὁ ποιητὴς ... = Sie beanspruchen ... freilich die Komödie, die Megarer ... und zwar die aus Sizilien, von wo nämlich der Dichter Epicharmos war ...
  2. Felix Jacobi, Fragmente der griechischen Historiker (FGrH) 84, F13
  3. Georg Kaibel, Comicorum Graecorum Fragmenta (CGF), Testimonia 1 und 4
  4. Siehe CGF I 133-147 und A. Olivieri, Framenti della commedia ... nella Sicilia, I, Napoli 1946, 108-137.
  5. Zu Epicharms Verhältnis zu den Pythagoreern siehe Bruno Centrone: Épicharme de Syracuse. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 3, Paris 2000, S. 102–105.
  6. Andreas W. Daum: Social Relations, Shared Practices, and Emotions: Alexander von Humboldt’s Excursion into Literary Classicism and the Challenges to Science around 1800. In: Journal of Modern History 91 (2019), S. 1‒37, hier S. 12‒19, 28, 32, 35.
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