En-hedu-anna
En-ḫedu-ana (auch En-hedu-anna, En-chedu-ana; sumerisch En-he2-du7-an-na, auch Enḫeduanna/Encheduanna/Enheduanna) war Tochter von Sargon von Akkad, bekleidete das Amt der Hohepriesterin des Mondgottes Nanna in der südmesopotamischen Stadt Ur und war gleichzeitig auch dessen Gemahlin. Ihr Name lautet aus dem Sumerischen übersetzt: „Hohepriesterin, Zierde des Himmels(gottes) An“[1]. Sie gilt als erste historisch bekannte Autorin, deren Werke schriftlich überliefert sind. En-ḫedu-ana, die im 23. Jahrhundert v. Chr. lebte, gilt bis heute als bedeutendste Frauengestalt ihres Jahrtausends.[2]
Ihr Leben
Ernennung zur Entu-Priesterin
Als Tochter von Sargon von Akkad war En-ḫedu-anna Nadītum-Priesterin des Himmelsgottes Anu in Uruk, der Inanna in Uruk und des Nanna in Ur. Nach dem Tod der alten Entu-Priesterin berief sie ihr Vater um 2270 v. Chr.[3] zur neuen Hohepriesterin im Egipar in Ur. Sie war damit automatisch die „Gemahlin“ vom Mondgott Nanna (akkadisch Su’en, babylonisch-assyrisch Sîn).
Das Epitheton en steht für (Priester)herr und pontifikale Oberherrschaft. Die exakte Bedeutung ist unklar, jedoch war ihr Rang höher als ensi (Stadtfürst, später auch für Statthalter). Die Sumerer unterschieden „En-tum“ (nam-en), „Ensi-tum“ (nam-ensi) und „lugal-tum“ (nam-lugal). Der Titel lugal war der Herrschertitel par excellence.
Zur Herrschaftssicherung und wohl im Dienste der Integrationspolitik (der unterworfenen sumerischen Bevölkerung) blieb es auch unter den Nachfolgern des Sargon Brauch, die höchsten Priesterämter mit den Töchtern der Herrscher zu besetzen. En-men-ana, Tochter des Naram-Sin, übernahm entsprechend als En-hedu-annas Nachfolgerin das Amt der Entu-Priesterin.
Die 40 Tempelhymnen
Im Sinne dieser Politik ihres Vaters stellte En-hedu-anna eine Sammlung von vierzig Tempelhymnen zusammen, die in ihrer Anordnung dem geografischen Prinzip von Süden, beginnend mit Eridu, nach Norden mit Akkade, Sippar und Ešnunna folgen. Damit umfasst die Hymnensammlung alle wichtigen Städte des Landes Sumer und Akkad zur Zeit Sargons.
In einem Hymnus an Inanna von Uruk („Himmelsherrin“) geht sie über die traditionellen Anreden hinaus und berichtet in der Erzählung von der Vertreibung En-hedu-annas aus ihrem Amt und ihrer späteren Rückkehr durch die Barmherzigkeit der Inanna. In einem anderen sehr persönlichen Text preist sie Inanna als „die großherzige Herrin“. Mit viel Leidenschaft trägt En-hedu-anna ihre Gefühle vor, darunter trübe Gedanken über Leiden und Schicksal, über menschliches Tun und göttliche Vergeltung.
Ihrer literarischen „Pionierrolle“ war sie sich durchaus bewusst: sie ist die erste Schriftstellerpersönlichkeit, die sich selbst namentlich erwähnt und die in ihren Werken Persönliches schreibt. Im Schlussteil der Texte nennt sie ihren Namen wie in einem Kolophon.
In den Hymnen an Inanna nennt En-hedu-anna ihren Namen an den Stellen, wo in den Königshymnen bzw. -inschriften gewöhnlich der Name des Herrschers stand. Sie dokumentiert damit eindrucksvoll ihre königliche Verfasserschaft. Ein derartig ausgeprägtes Verfasser-Selbstbewusstsein blieb in Mesopotamien für lange Zeit singulär.
Literatur
- Josef Bauer, R. K. Englund, Manfred Krebernik: Mesopotamien – Annäherungen 1: Späturuk-Zeit und Frühdynastische Zeit. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3-525-53797-2.
- Horst Klengel: Kulturgeschichte des alten Vorderasien (= Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR. Band 18). Akademie, Berlin 1989, ISBN 3-05-000577-7.
- Betty De Shong Meador: Inanna, Lady of Largest Heart: poems of the Sumerian high priestess Enheduanna. University of Texas Press, Austin 2000 (englisch; Volltext auf lib.umich.edu).
- Johannes Renger: Untersuchungen zum Priestertum in der altbabylonischen Zeit. In: Zeitschrift für Assyriologie. de Gruyter, Berlin 1967, S. 110–188 (ISSN 0084-5299).
- Edmond Sollberger: Sur la chronologie des rois d’Ur et quelques problèmes connexes. In: Archiv für Orientforschung. Weidner, Graz 1954/1956 (ISSN 0066-6440).
- Annette Zgoll: En-hedu-Ana: Tochter Sargons – Gemahlin des Mondgottes: Zeugnisse vom dramatischen Leben der frühesten Autorin (23. Jh. v. Chr.). In: J. Kügler, L. Bormann (Hrsg.): Töchter (Gottes): Studien zum Verhältnis von Kultur, Religion und Geschlecht. 8. Bayreuther Forum. Lit, Münster 2008, ISBN 978-3-8258-1185-3, S. 7–21.
- Annette Zgoll: Der Rechtsfall der En-hedu-Ana (= Alter Orient und Altes Testament. Band 246, auch ZA 87). Ugarit, Münster 1997, ISBN 3-927120-50-2.
Weblinks
- Annette Zgoll im Interview: Weibliche Literatur in Mesopotamien: Das Wort als Schlüssel zur Welterfahrung. In: Deutschlandfunk Kultur. 11. März 2020 (über En-hedu-annas künstlerischen Umgang mit Sprache).
- Janet Roberts: Enheduanna: Bibliography. In: transoxiana.com.ar. 1. März 2005 (englisch; Artikel, Abbildungen, Bücher und Gedichte).
- The Electronic Text Corpus of Sumerian Literature: The temple hymns: translation. In: orinst.ox.ac.uk. 6. Dezember 2016 (englisch; Tempelhymnen von En-hedu-anna in Transkription und Übersetzung).
- Forumsstrang: Sumer & Akkad: En-hedu-anna. (Memento vom 3. Juni 2016 im Internet Archive) In: Forum Religionskritik. 2011 (deutsche Prosaübersetzungen).
Anmerkungen und Belege
- Annette Zgoll: En-hedu-Ana: Tochter Sargons – Gemahlin des Mondgottes: Zeugnisse vom dramatischen Leben der frühesten Autorin (23. Jh. v. Chr.). In: J. Kügler, L. Bormann (Hrsg.): Töchter (Gottes): Studien zum Verhältnis von Kultur, Religion und Geschlecht. 8. Bayreuther Forum. Lit, Münster 2008, ISBN 978-3-8258-1185-3, S. 7–21, hier S. 9.
- Gebhard J. Selz: Sumerer und Akkader: Geschichte – Gesellschaft – Kultur. Beck, München 2005, ISBN 3-406-50874-X, S. 67.
- 2334 v. Chr. gemäß mittlerer Chronologie.