EPCIS
EPCIS (engl. für Electronic Product Code Information Services) ist ein von GS1 entwickelter Standard, der in seiner ersten Version 2007 veröffentlicht wurde.[1] Dieser spezifiziert im Wesentlichen Schnittstellen zur Erfassung und Abfrage sogenannter EPCIS-Ereignisse. Mittels EPCIS werden Anwender (Unternehmen, Behörden, Lieferketten etc.) in die Lage versetzt, Transparenz und Kontrolle über ihre jeweiligen Prozesse bedeutend zu steigern.
Funktionsprinzip
Allgemeines
EPCIS kann sowohl unternehmensintern als auch unternehmensübergreifend eingesetzt werden. Es setzt standardisierte Idente voraus (z. B. eine GTIN, GRAI, SSCC etc. im URI-Format gemäß GS1 EPC Tag Data Standard[2]) und ist datenträgerunabhängig (d. h. neben RFID als Datenträger der EPCs können bspw. auch der GS1-128 oder ein GS1-DataMatrix eingesetzt werden).
EPCIS-Ereignistypen
Je nach Bedarf können Unternehmen zwischen vier verschiedenen EPCIS-Ereignistypen wählen, die an den einzelnen Erfassungspunkten gespeichert werden sollen. Zu diesem Zweck sollte im Vorfeld eine Prozess- bzw. Anforderungsanalyse stattfinden. Folgende Ereignistypen sind spezifiziert:
- Object Event (Im Vordergrund steht hier die reine Beobachtung von Objekten.)
- Aggregation Event (Hier werden Child-Objekte einem Parent-Ident zugeordnet. Dieser Eventtyp ist bspw. bei der Kommissionierung zweckmäßig, bei der Artikel einem Karton oder Kartons wiederum einer Palette zugeordnet werden.)
- Transaction Event (Die gelesenen Objekte werden mit einer Transaktions-ID verknüpft. Letztere kann z. B. die Nummer einer Rechnung oder eines Lieferavis sein.)
- Transformation Event (Erfassung von 1-n Inputs, welche irreversibel zu 1-n Outputs verarbeitet werden.)
(Hinweis: Das sog. Quantity Event wurde mit EPCIS V. 1.1 obsolet, da von diesem Zeitpunkt an alle EPCIS-Ereignistypen auch nicht-serialisierte Objektidente abbilden können.)
Erfassung von EPCIS-Ereignissen
An jedem Punkt, an dem EPC-Daten erfasst werden (d. h. mittels eines RFID-Lesegeräts bzw. Strichcodelesers), werden die folgenden Attribute als EPCIS-Event abgespeichert:
- „WAS?“: z. B. ein serialisierte Produkt-ID (SGTIN), eine Produktcharge (LGTIN) oder eine Nummer der Versandeinheit (SSCC)
- „WO?“: jeweiliger Lesepunkt (z. B. „Lesegerät 12345“) bzw. Geschäftslokation (z. B. „Warenausgangsbereich 2 in Lagerhalle A“)
- „WANN?“: Zeitstempel (mit entsprechendem Abstandswert zur koordinierten Weltzeit)
- „WARUM?“: Geschäftsprozess (z. B. Wareneingang) bzw. Status (z. B. „verkauft“)
Diese Ereignisse werden von dem jeweiligen Unternehmen in einem sogenannten EPCIS-Repository (bzw. –Datenbank) abgelegt.
Abfrage von EPCIS-Ereignissen
Der eigentliche Mehrwert von EPCIS liegt in der Abfrage dieser feingranularen Event-Daten. Hierzu haben Unternehmen zwei Möglichkeiten:
- Einmalige Abfrage („on demand“)
- Abonnement („standing queries“)
Für beide Optionen hält der EPCIS-Standard reichhaltige Möglichkeiten bereit, Abfragen zu erstellen, mit denen sich der individuelle Informationsbedarf präzise eingrenzen lässt. Nach Festlegung der jeweils gewünschten Parameter (Zeitraum, Eventtyp, EPC-Klasse, Lesepunkt, Geschäftsprozess usw.) enthalten die Ergebnisse der Queries nur diejenigen EPCIS-Ereignisse, die den gewählten Parameterwerten genügen. Durch die Möglichkeit der Abfrage via Webservices lässt sich die Abfrage von EPCIS-Ereignissen auch gut in serviceorientierte Architekturen integrieren.
Core Business Vocabulary
Im Jahr 2010 wurde seitens GS1 ein auf EPCIS aufbauender Standard ratifiziert, der die wesentlichen, d. h. branchenübergreifend anwendbaren Vokabelelemente und deren Werte definiert.[3] Das Core Business Vocabulary (CBV) spezifiziert folgende Vokabelelemente:
- Geschäftsprozesse („business steps“), die den EPCIS-Events mitgegeben werden können (z. B. vereinnahmen, kommissionieren etc.),
- Zustände („dispositions“) wie z. B. verkaufsfähig, in Transit etc. sowie
- Geschäftstransaktionstypen ("business transaction types"), d. h. Rechnungen, Lieferavise usw.
Anwendungsfälle/ Nutzen
EPCIS kann in vielfältigsten Anwendungen zum Einsatz kommen u. a.:[4]
- Tracking,
- Tracing,
- Authentifizierung der Echtheit von Waren,
- Rückrufaktionen,
- etc.
Hohe Bedeutung wird EPCIS auch im Kontext des Supply Chain Event Management beigemessen, mit dem Unternehmen kritische Abweichungen in ihren Lieferketten rechtzeitig erkennen und adäquat reagieren können.[5] U. a. kann insbesondere durch die Möglichkeit der Verknüpfung von EPCIS-Events mit bestimmten Geschäftsdokumenten (Transaktionsevent, s. o.) in nahezu Echtzeit kontrolliert werden, ob die richtigen Objekte in der richtigen Zeit, in der richtigen Menge an den richtigen Ort gehen.
Einzelnachweise
- EPC Information Services (EPCIS) (gs1.org).
- EPC Tag Data Standard (gs1.org)
- Core Business Vocabulary. (Memento vom 17. Dezember 2014 im Internet Archive) gs1.org
- Vgl. GS1 Germany (Memento des Originals vom 11. April 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- R. Tröger, R. Alt: Service-oriented Supply Chain Event Management – a Case Study from the Fashion Industry. In: W. Abramowicz, R. Alt, K.-P. Fähnrich, B. Franczyk, L. Maciaszek (Hrsg.): Informatik 2010 - Business Process and Service Science - Proceedings of ISSS and BPSC. Band 3, Bonn 2010, ISBN 978-3-88579-271-0, S. 31–42.