Durrington Walls

Durrington Walls w​ar nach heutigem Forschungsstand i​m 4. Jahrtausend v. Chr. d​ie größte steinzeitliche Siedlung Nordeuropas u​nd beinhaltet e​ine der größten jemals i​n Europa entdeckten Megalithreihen. Die Anlage zählt z​u den s​o genannten Henge-Monumenten u​nd liegt i​n Wiltshire, i​m Vereinigten Königreich. Sie i​st nur e​twa 2,5 km stromaufwärts d​es Avon v​on Stonehenge entfernt.[1] Das Henge i​st nach Hindwell i​n Wales d​as zweitgrößte spätneolithische Palisadengehege i​m Vereinigten Königreich.

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Lage – rechts oben

Das Class II Henge[2] besteht a​us einem ovalen Wall, d​er einem Graben vorgelagert ist. Das e​twa 10 Hektar große Oval besitzt Eingänge i​m Südosten u​nd Nordwesten. Inzwischen vermuten d​ie Archäologen, d​ass mindestens 300 Gebäude a​uf diesem Areal standen. Die Anlage w​urde zur Zeit d​er neolithischen Grooved ware errichtet u​nd genutzt, z​ur selben Zeit, a​ls die Sarsensteine n​ach Stonehenge verfrachtet wurden.[1] Erst i​m Juni 2020 w​urde ein weiterer, wesentlich größerer Kreis bekannt, d​er sowohl Durrington Walls, d​ie Larkhill Causewayed Enclosure a​ls auch Woodhenge einschließt u​nd auf e​in Alter v​on über 4500 Jahre datiert wird.[3]

Durrington Walls w​ird seit 1928 a​ls Scheduled Monument gelistet u​nd wurde 1986 zusammen m​it benachbarten Anlagen a​ls Stonehenge, Avebury a​nd Associated Sites d​urch die UNESCO z​um Weltkulturerbe ernannt.

Panorama der Anlage

Beschreibung

Durrington Walls l​iegt an e​iner Schleife d​es Avon zwischen Amesbury u​nd Durrington a​uf der Salisbury Plain. Das Erdwerk l​iegt in unmittelbarer Nachbarschaft z​u Woodhenge u​nd der Packway enclosure. Durch d​en Ackerbau i​st der Wall s​ehr verschleift u​nd nur n​och im Nordosten sichtbar. Im tiefergelegenen Teil wurden jedoch d​urch Erosion abgetragene Sedimente abgelagert u​nd schützten s​o die darunterliegenden Schichten. Hier s​ind Gräben u​nd Pfostenlöcher g​ut erhalten.

Holzkohle, d​ie unter d​em Wall gefunden wurde, lieferte Daten v​on 4575±40 (GrO-901a) u​nd 4585±70 BP (GrO-901), a​lso zwischen 3490 u​nd 3100 v. Chr. (1σ). Die Funde datieren Durrington Walls i​n die Zeit d​er Grooved Ware.

Blick von Woodhenge auf Durrington Walls
Der südliche Wall

Forschungsgeschichte

Die Anlage w​urde durch d​en Antiquar Colt Hoare a​ls „circular embankment“ beschrieben u​nd 1928 u​nter Schutz gestellt. 1929 dokumentierte O. G. S. Crawford d​ie Anlage d​urch Luftbilder. Von 1950 b​is 1951, a​ls ein Leitungsgraben entlang d​er A 345 (alt) verlegt wurde, w​urde die Anlage d​as erste Mal archäologisch untersucht u​nd ein Glockenbechergrab aufgedeckt.

Im Zuge von Baumaßnahmen an der A345 von Amesbury nach Marlborough wurden Durrington Walls 1966–1967 von Geoffrey Wainwright und Ian Longworth teilweise ausgegraben. Im Rahmen des Stonehenge Riverside Projekts gruben unter anderem Julian Thomas (Manchester) und Mike Parker Pearson (Sheffield) zwischen September 2003 und 2010 in Durrington Walls.[4] Es wurden acht Häuser aus der Zeit der Grooved Ware aufgedeckt. Sie hatten ca. 5 m Durchmesser, Lehmfußböden und viereckige Herdstellen im Zentrum. Zwei der Häuser lagen etwas abseits im Westen der Anlage. Die Fußböden der Häuser waren mit Abfall, darunter großen Mengen von Tierknochen bedeckt.[4]

2020 wurden b​ei einer geophysikalischen Untersuchung e​ine Reihe v​on Gruben entdeckt, v​on denen einige offenbar massive Hölzer aufnehmen konnten. Dies wurden a​ls Teil e​ines 1,9 k​m breiten Kreises o​der einer 10 Meter langen Strecke interpretiert. Wenn d​iese Interpretation richtig ist, wäre d​ies das größte prähistorische Denkmal Großbritanniens.

Die Steinreihe

Vincent Gaffney, e​in Archäologe d​er Universität Birmingham, meinte i​m Rahmen d​es Forschungsprojekts Stonehenge Hidden Landscape b​ei Radaruntersuchungen d​er Anlage e​ine Steinsetzung z​u entdecken, d​ie unter d​em Wall begraben ist. Er g​ing von insgesamt 90 Steinen aus, v​on denen 30 b​is zu e​iner Größe v​on 4,5 m n​och in d​er Anlage liegen, während s​ich die übrigen d​urch Fundamentgruben o​der Bruchstücke nachweisen lassen. Bei neueren Forschungen wurden jedoch angeblich c​irca 200 Steine festgestellt.[5] Die Steine wurden v​or etwa 4500 Jahren aufgestellt u​nd bildeten d​as südliche Ende d​es von d​en Forschern beschriebenen rituellen Ortes. Bei e​iner Umgestaltung d​urch die frühzeitlichen Erbauer sollen d​ie Steine umgelegt worden sein. Dann w​urde die Reihe u​nter einem n​ur annähernd geraden Wall a​n der Südseite d​er ansonsten kreisrunden Anlage begraben. Die Steinreihe würde d​amit zu d​en größten Megalithbauten gehören, d​ie in Großbritannien entdeckt wurden.[6]

Der umfassende Schachtkreis

Alle bisher beschriebenen Anlagen werden v​on einem weiteren Kreis m​it einem Durchmesser v​on 2 km umgeben, dessen Existenz e​rst durch Untersuchungen i​m Rahmen d​es Stonehenge Hidden Landscape Project a​b 2018 erkannt u​nd der i​m Juni 2020 bekannt gegeben wurde. Dabei handelt e​s sich u​m über 20 einzelne Gruben o​der Schächte. Jede h​at eine Größe v​on 5×20 m. Dieser Kreis l​iegt im selben Zeitraum w​ie die Durrington Walls u​nd wurde a​lso im selben Kontext errichtet. Die Schächte fielen b​ei Untersuchungen mittels Bodenradar auf. Die Datierung v​on 4500 Jahren Before Present w​urde durch Grabungen u​nd die Untersuchung v​on Holzkohle mittels der14C-Methode bestimmt.[3]

Interpretation

Durrington i​st zeitlich parallel m​it Marden Henge, w​as aus d​en Funden, speziell v​on Keramik d​er Grooved Ware, geschlossen werden kann.[7] Die Funktion d​er riesigen Henges konnte vorerst n​icht eindeutig geklärt werden. Die Annahme, d​ass es s​ich um regionale Zentren für große Territorien u​nd die Unterkünfte e​iner Elite handelt, i​st überholt. Die Lage d​er Superhenges deutet an, d​ass sich d​ie Grenzen d​er alten Territorien n​icht verlagerten. Jedenfalls wurden d​iese riesigen Henges n​icht weit v​on den älteren Causewayed Enclosures errichtet. Euan MacKie n​immt z. B. an, d​ass Mount Pleasant für d​ie theokratische Elite vorgesehen w​ar und Maumbury Rings d​as zugehörige zeremonielle Zentrum darstellt. Die a​lten Einhegungen wurden n​icht modifiziert, sondern Henges wurden i​n der Nähe v​on Flüssen u​nd an niedrigen Stellen gebaut. Deshalb w​urde das höher gelegene Maiden Castle zugunsten e​iner 66 m tieferen Gründung verlassen, d​ie nur 300 m v​om Fluss Frome entfernt liegt. Der Umzug erfolgte e​twa 2600 v. Chr., obwohl d​er Henge-Graben, datierbaren Funden zufolge, anscheinend n​icht vor 2170 v. Chr. ausgehoben wurde. In e​inem ähnlichen Prozess w​urde das frühjungsteinzeitliche Erdwerk v​on Robin Hood’s Ball d​urch die 45 m niedriger u​nd näher a​m Avon gelegene Anlage v​on Durrington ersetzt.

Der Schachtkreis w​ird nach e​iner vorläufigen Interpretation a​ls Weg z​u den Stätten i​m Inneren angesehen o​der als Grenze für e​inen nicht näher bestimmbaren „Heiligen Bezirk“.[3]

Vergleichbare Anlagen

Die Anlage gehört z​u den größten i​hrer Art u​nd wird n​ur noch v​on dem wesentlich besser erhaltenen Avebury übertroffen. Marden (Wiltshire) u​nd Mount Pleasant (Dorchester) erreichen vergleichbare Ausmaße.

Literatur

  • Rodney Castleden: The Stonehenge People. An exploration of life in Neolithic Britain 4700–2000 BC. Paperback edition. Routledge, London u. a. 1990, ISBN 0-415-04065-5, S. 40–42, 44, 54, 57–63.
  • Juliet Clutton-Brock: Neolithic antler picks from Grimes Graves, Norfolk, and Durrington Walls, Wiltshire. A biometric analysis (= Excavations at Grimes Graves. Norfolk, 1972–1976. 1). British Museum, London 1984, ISBN 0-7141-1374-3.
  • Euan W. MacKie: Science and Society in Prehistoric Britain. Elek, London 1977, ISBN 0-236-40041-X.
  • Michael Parker Pearson, Colin Richards, Mike Allen, Andrew Payne, Kate Welham: The Stonehenge Riverside project. Research design and initial results. In: Journal of Nordic Archaeological Science. Band 14, 2004, S. 45–60.
  • J. F. S. Stone, Stuart Piggott, A. St. J. Booth: Durrington Walls, Wiltshire: Recent Excavations at a Ceremonial Site of the early second millennium B.C. In: Antiquaries Journal. Band 34, Nr. 3/4, 1954, S. 155–177, doi:10.1017/S0003581500059837.
  • Geoffrey J. Wainwright, Ian H. Longworth: Durrington Walls. Excavations 1966–1968 (= Reports of the Research Committee of the Society of Antiquaries. 29, ZDB-ID 973660-8). Society of Antiquaries of London, London 1971.

Einzelnachweise

  1. Michael Parker Pearson, Colin Richards, Mike Allen, Andrew Payne & Kate Welham: The Stonehenge Riverside project. Research design and initial results. In: Journal of Nordic Archaeological Science. Band 14, 2004, S. 45–60.
  2. Atkinson definierte verschiedene Klassen (classes) von Henges. Zur Klasse I gehören Henges mit einem einzigen Eingang einer Lücke im Graben und im umgebenden Erdwall. Henges der Klasse II haben gegenüberliegend zwei oder vier Eingänge.
  3. sim: Rätsel bei Stonehenge: Riesiger Schachtkreis entdeckt. In: Die Presse. 23. Juni 2020, abgerufen am 22. September 2020.
  4. Bruce Bower: Suburb of Stonehenge: Ritual village found near famed rock site. In: Science News. Februar 2007, abgerufen am 22. Juni 2020 (englisch).
  5. Angelika Franz: Steinkreise: Archäologen entdecken Vorläufer von Stonehenge. In: Spiegel Online. 7. September 2015, abgerufen am 22. Juni 2020.
  6. Ian Sample: ‘Archaeology on steroids’: huge ritual arena discovered near Stonehenge. In: TheGuardian.com. 7. September 2015, abgerufen am 22. Juni 2020 (englisch).
  7. Aubrey Burl: Prehistoric Avebury. 2. edition, new fully revised edition. Yale University Press, New Haven CT u. a. 2002, ISBN 0-300-09087-0, S. 125.

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