Donatus de Florentia
Donatus de Florentia, italienisch Donato da Cascia, (auch Don Donatus de Cascia, aktiv in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts) war ein italienischer Komponist des Mittelalters, der in Florenz wirkte.[1][2][3]
Leben und Wirken
Von Donatus de Florentia sind keine gesicherten Lebensdaten überliefert worden. Er wurde auch Don Donatus de Cascia genannt, wobei mit Cascia eine kleine Ortschaft in der Nähe von Reggello (auf dem heutigen Stadtgebiet von Florenz) gemeint war, und nicht Cascia in Umbrien. Gesichert ist, dass er in Florenz lebte und wirkte. In der Handschrift Codex Squarcialupi aus dem zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts wird Donatus in dem schwarzen Habit der Benediktiner oder Kamaldulenser dargestellt; diese Kleidung könnte jedoch auch auf die Mönche des nahe bei Cascia liegenden Klosters Vallombrosa, aber auch auf einfache Priester hindeuten. Der Dichter Franco Sacchetti nennt ihn presbyter de Cascia der Gemeinde Florenz. Entsprechend der Reihenfolge im Codex Squarcialupi war Donatus etwas jünger als Lorenzo da Firenze, aber älter als Francesco Landini. Auch in einer anderen Handschrift, dem Codex San Lorenzo, sind die Werke von Donatus vor Landini, aber nach Bartolino aufgeführt. Donatus' überlieferte Kompositionen sind wahrscheinlich zwischen 1355 und 1375 geschrieben worden.
Bedeutung
Donatus war ein Vertreter der Ars nova aus Florenz; seine weltlichen Kompositionen sind überwiegend zweistimmig, wenige sind dreistimmig. Sie sind auch, mit Ausnahme des Virelai, nur in toskanischen Handschriften überliefert, davon die größere Gruppe in dem erwähnten Codex Squarcialupi (15 Stücke, davon 6 nur hier), außerdem noch in der bedeutenden Sammlung einer Palimpsest-Handschrift. Charakteristisch für Donatus’ Stil sind eine reiche melismatische Behandlung der Oberstimme und eine Deklamation des Textes, die in den verschiedenen Stimmen nicht gleichzeitig erfolgt. Die beiden verloren gegangenen Stücke auf Texte von Franco Sacchetti können in die 1350er-Jahre datiert werden; die zahlreichen stilistischen Eigenarten seiner überlieferten Werke lassen aber auf seine hauptsächliche kompositorische Aktivität vor den Jahren 1370 bis 1375 schließen.
Sein Madrigal »Sovran’ uccello se’ tutti gli altri« dürfte im Zusammenhang mit einem der beiden Rom-Züge von Kaiser Karl IV. stehen. In Donatus’ Werken seiner hauptaktiven Phase fallen insbesondere die teilweise recht ausgedehnten, meist einstimmigen Überleitungs-Phrasen ohne Text zwischen zwei Strophen auf, wie sich auch Jacopo da Bologna in seinen zweistimmigen Madrigalen einsetzt, darüber hinaus auch die schon erwähnte außerordentlich virtuose Melismatik in der Oberstimme (Superius), welche auch bei Lorenzo da Firenze anzutreffen ist. Dazu gehören auch die fast immer mit Text unterlegten Tenorstimmen seiner zweistimmigen Liedsätze. Der fehlende Text im Tenor von Come ’l potestu far ist vermutlich später ergänzt worden. Das einzige von Donatus überlieferte Caccia-Madrigal »Faccia chi de’ se ’l po« zeigt die Beherrschung des Meisters mit diesem Genre: Es ist sehr klar gegliedert, mit einem Duett der beiden Oberstimmen und einem stützenden Tenor mit Text. Eine gewisse satztechnische Nähe hierzu zeigen auch mehrere zweistimmige Madrigale von ihm. Hier gibt es Passagen mit melodischer und/oder rhythmischer Imitation mit gleichzeitiger lebhafter syllabischer Textunterlegung des Tenors, wodurch sich die erwähnte nicht gleichzeitige Textdeklamation ergibt. Donatus’ Autorschaft der einzigen von ihm überlieferten Ballata wird von einigen Musikhistorikern angezweifelt. Der Text in ihr ist in Dialogform geschrieben, syllabisch im Stil und besitzt eine dreiteilige Struktur, die erst im späten 14. und im 15. Jahrhundert üblich wurde.
Werke
- Madrigale
- »Come la lupo pecorella presa«, Text: Niccolò Soldanieri
- »Come ’l potestu far«
- »Dal cielo scese per iscala l’oro«
- »D’or pomo incominciò nell’aer fino«
- »I’ fu’ già bianc’ uccel con piuma d’oro«, Text: Antonio degli Alberti
- »I’ fu’ già usignolo in tempo verde«, Text: Soldanieri
- »I’o perduto l’alber’e l’ timone«, Text: Arrigo Belondi
- »L’aspido sord’e ’l tirello sorçone«, Text: Bellondi
- »Lucida percorella, son scampata«, Text: Soldanieri (unsicher)
- »Seguendo ’l canto d’un uccel selvaggio«
- »S’ i’, monacordo, gentile stromento«, Text unvollständig
- »Sovran’ uccello se’ fra tutti gli altri«
- »Un bel girfalco sces’ alle mie grida«, Text: Soldanieri
- »Un cane, un’oca e una vecchia pazza«
- Caccia-Madrigal
- »Faccia chi de’, se ’l po, ché passa l’ora«, alle Stimmen textiert
- Virelai
- »Je port amiablement«, Text unvollständig, nur Incipit,
- Ballata
- »Senti tu d’amor, donna? No. Perché?«, Text als Dialog und Volta-Teil mit eigener Musik
- Verloren gegangene Madrigale, Texte von Franco Sacchetti
- »Fortuna avverse«
- »Volgendo i suo’ begli occhi«
Ausgaben
- J. Wolf: Der Squarcialupi-Codex Pal. 87 der Biblioteca Medicea Laurenziana zu Florenz, Lippstadt 1955
- N. Pirrotta (Hrsg.): The Music of Fourteenth Century Italy, Band 3, ohne Ortsangabe, 1962 (= Corpus mensurabilis musicae 8 Nr. 3)
- G. Corsi: Poesie musicali del Trecento, Bologna 1970 (= Collezione di opere inedite o rare Nr. 131)
- W. Th. Marrocco (Hrsg.): Italian Secular Music, Monaco 1971 (= Polyphonic Music of the Fourteenth Century Nr. 7)
Literatur (Auswahl)
- E. Li Gotti / N. Pirrotta: Il Sacchetti e la tecnica musicale dal Trecento, Florenz 1935
- E. Li Gotti: La poesia musicale italiana del seculo XIV, Palermo 1944
- K. von Fischer: Studien zur italienischen Musik des Trecento und frühen Quattrocento, Bern 1956
- G. Corsi: Madrigali inediti del Trecento, in: Belfagor Nr. 14, 1959, S. 72
- N. Pirrotta: Vorwort zu The Music of Fourteenth Century Italy, Band 3, ohne Ortsangabe, 1962 (= Corpus mensurabilis musicae 8 Nr. 3)
- K. von Fischer: Paolo da Firenze und der Squarcialupi-Kodex, in: Quadrivium Nr. 9, 1968, S. 5–25
- Dorothea Baumann: Some Extraordinary Forms in the Italian Secular Trecento Repertoire, in: L’Ars Nova Italiana del Trecento Nr. 4, Kongressbericht Certaldo 1975, Certaldo 1978, S. 45–63
- K. von Fischer: Artikel Donato di Cascia, in: The New Grove Dictionary of Music and Musicians, hrsg. von Stanley Sadie, 20 Bände, London 1980
- J. Nádas: The Transmission of Secular Trecento Polyphony. Manuscript Prosecution and Scribal Practices in Italy at the End of the Middle Ages, Dissertation an der New York University 1985
- G. di Bacco: Alcune nuove osservazioni sul codice di Londra (British Library, Manuscript Additional 29987), in: Studi musicali Nr. 20, 1991, S. 181–234.
- Paolo Cecchi: Donato da Cascia. In: Fiorella Bartoccini (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 41: Donaggio–Dugnani. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1992.
- F. A. Gallo (Hrsg.): Il codice Squarcialupi, Faksimile mit Kommentarband, Florenz 1993 (= Ars nova Nr. 2; darin: K. von Fischer, Le biografie, Band 1, S. 127–144 sowie N. Pirrotta: Le musice del Codice Squarcialupi, Band 1, S. 193–222, insbesondere S. 205–207.)
- B. Wilson: Madrigal, Lauda and Local Style in Trecento Florence, in: Journal of Musicology Nr. 15, 1997, S. 137–177
- G d’Agostino: La tradizione letteraria dei testi poetico-musicali del Trecento, una revisione per dati e problemi; l’area toscana, in: Col dolce suon che da te piove: Studi su Francesco Landini e la musica del suo tempo, Gedenkschrift für N. Pirrotta, hrsg. von M. T. R. Barezzani / A. Delfino, Florenz 1999, S. 389–428.
Weblinks
Einzelnachweise
- Dorothea Baumann: Donatus de Florentia, in: Ludwig Finscher (Hrsg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart, zweite Ausgabe, Personenteil, Band 5 (Cov-Dz), Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2001, ISBN 3-7618-1115-2, Spalte 1254–1256
- Marc Honegger, Günther Massenkeil (Hrsg.): Das große Lexikon der Musik, Band 2, Herder, Freiburg im Breisgau 1979, ISBN 3-451-18052-9, S. 338
- The New Grove Dictionary of Music and Musicians, hrsg. von Stanley Sadie, 2nd Edition, Band 7, McMillan Publishers, London 2001, ISBN 0-333-60800-3