Der Richter von London
Der Richter von London ist eine Komödie von Tankred Dorst nach Thomas Dekkers The Shoemaker's Holiday[1], die am 27. Februar 1966 unter der Regie von Joachim Fontheim an den Städtischen Bühnen Essen uraufgeführt wurde.[2]
Zeit und Ort
Elisabethanisches Zeitalter: Das Stück spielt im London des 17. Jahrhunderts.[3]
Inhalt
Der Earl of Lincoln beschwert sich bei Sir Roger Otley – das ist der Bürgermeister von London – über den Flirt seines Neffen Lacy Rowland mit der jungen Rose Otley. Das ist die Tochter des Stadtoberhauptes. Der Lord klagt, der Neffe sei ein Schlawiner; sei auf einer Italienreise mit dem Gelde nur bis Wittenberg gekommen und habe dort akuten Geldmangels wegen das Schustern erlernt. Lord Lincoln hat reagiert. Der junge Heimkehrer aus Deutschland ziehe morgen schon unter der Fahne des Königs via Dover nach Dieppe ins Feld. In der Normandie könne Lacy vielleicht zur Vernunft kommen. Der Bürgermeister weiß genauso von der Torheit seiner Tochter und hat ebenfalls gehandelt. Rose hält sich inzwischen gezwungenermaßen auf dem Lande in Old Ford[4] – das ist in Cornhill[5] – auf.
Der Schuhmachermeister Simon Eyre aus der Towerstreet[6] will seinen Arbeiter Ralph Damport von der Teilnahme am Feldzug nach Frankreich freistellen lassen. Der Offizier Lacy bleibt hart. Ralph muss seine junge Frau Jane in London zurücklassen und zieht ins Feld. Lacy, vom englischen König persönlich als sein Kommandant[7] in die Normandie geschickt, bleibt aber in London und verdingt sich in der Towerstreet bei Simon als holländischer Schuster Hans Meulter; schustert an Ralphs Stelle, weil er in London und Umgebung nach Rose suchen will. Simon möchte gerne zum Richter von London gewählt werden, aber es fehlt das notwendige Geld. Lacy alias Hans hilft. Der Deserteur hat seinen Cousin Askew in den Krieg geschickt. Askew sendet Lacy ein holländisches Schiff – mit kriegswichtiger Ladung für die Franzosen bestimmt. Simon Eyre macht auf Vermittlung Lacys das Geschäft mit der gekaperten Schiffsladung und wird über Nacht wohlhabend. Bald darauf ist der Schuhmachermeister Richter von London.
In Old Ford wirbt der Pächter Sir Hammon um die Gunst der jungen Rose. Roger Otley sähe diese Verbindung der Tochter gern. Hammon erhält von Rose einen Korb.
Ralph kehrt verkrüppelt aus dem Kriege heim. Er hinkt, hat in der Normandie eine Hand verloren und kann mit seinem Armstumpf nicht mehr als Schuhmacher arbeiten. Inzwischen hat Hammons Vetter Warner bei Jane, die sich mit dem Verkauf von Knöpfen über Wasser hält, durch eine Urkundenfälschung das Rennen gemacht. Sie heiratet den Betrüger, weil er ihr einen kleinen Laden in der Bedlamstreet[8] gekauft und ihr vorgegaukelt hat, Ralph sei gefallen.
In London kann sich der „Holländer“ Lacy auf die Dauer nicht verbergen. Lord Lincoln ist dem Neffen auf der Spur. Sein Spion Dodger hat ganze Arbeit geleistet.
Als Lacy vor dem König steht, entzieht der enttäuschte Herrscher dem Deserteur die Gunst. Lacy hat dennoch Glück. Rose hält fest zu dem Geliebten. Auf Bitten des Schuhmacher-Richters Simon lässt der König Gnade vor Recht ergehen. Er schickt seinen Offizier auf den nächsten Kriegsschauplatz; nach Frankreich natürlich. Der Begnadigte bedankt sich höflich für die Gunst.
Als Jane von dem Betrug Warners erfährt, will sie zu Ralph zurück. Der Richter von London wird von Warner, Ralph und Jane angerufen. Der Schuhmachermeister spricht unter den Augen des Königs sein salomonisches Urteil: Wer von den Anwesenden im Umkreis Ralph Damport für unschuldig hält an dem Unglück, das ihm im Kriege zugestoßen, der zahle dem Kriegsversehrten zehn Schilling. Alle spenden – sogar der König. Jane kann sich ihren Knöpfe-Laden doch noch kaufen.
Zitate
Form
Tankred Dorst unterhält sein Publikum: Simon Eyre ist der Titel „Richter von London“ nicht in den Kopf gestiegen. Er nennt sich einen „Zweizentnermann, aber auf Vogelfüßen“[11]. Die Umgangsformen jener Zeit erscheinen durchgängig derb. Zum Beispiel droht Ralph seiner Ehefrau Jane in der Öffentlichkeit Prügel an.[12] Lacys Holländisch gibt Rätsel auf: „Wat kan ik voor u doen?“ erkundigt sich der adelige Schustergeselle gelegentlich bei den Londoner Kunden in Simons Werkstatt. Simon Eyres Frau Margery, von dem Ehegatten liebevoll Maggy gerufen, ist Zielscheibe des gutmütigen Spottes der Schustergesellen. Als Simon zum Richter aufgestiegen ist, wird die Chefin „Euer Gnaden“ tituliert. Sie fühlt sich geehrt. Der Richter selbst steht den Untergebenen nicht nach; spricht vom „Nudelkopf“ seines „Trampeltierchens“. Margerys gesellschaftlicher Aufstieg ist ein bedeutender. Der Bürgermeister redet das neue Glied der „high society“ mit „Lady“ an, als er um fraulichen Rat in Sachen Erziehung der Tochter Rose ersucht.
Verfilmung
- 8. März 1966: WDR-Fernsehfilm. Regie: Dietrich Haugk.[13]
Literatur
Verwendete Ausgabe
- Der Richter von London. Eine realistische Komödie nach Thomas Dekker. S. 341–401 in Tankred Dorst. Frühe Stücke. Werkausgabe 3 (Inhalt: Der Kater oder Wie man das Spiel spielt. Gesellschaft im Herbst. Die Kurve. Große Schmährede an der Stadtmauer. Rameaus Neffe. Die Mohrin. Der Richter von London) Suhrkamp Verlag 1986 (1. Aufl.), ISBN 3-518-03009-4, 404 Seiten.
Sekundärliteratur
- Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): text + kritik Heft 145: Tankred Dorst. Richard Boorberg Verlag, München im Januar 2000, ISBN 3-88377-626-2
- Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A–Z. Stuttgart 2004, ISBN 3-520-83704-8, S. 126, linke Spalte
Weblinks
- jussenhoven-fischer.de
- Marianne Kesting in der „Zeit“ vom 11. März 1966: „Spaß und etwas Sozialkritik. Tankred Dorst entdeckt Thomas Dekker“
Einzelnachweise
Teilweise in englischer Sprache
- eng. The Shoemaker's Holiday aus dem Jahr 1599
- Günther Erken bei Arnold, S. 85, rechte Spalte, letzter Eintrag
- Verwendete Ausgabe, S. 8 unten
- eng. Old Ford
- eng. Cornhill
- eng. Great Tower Street
- Verwendete Ausgabe, S. 397, 8. Z.v.o.
- eng. Bedlam
- Verwendete Ausgabe, S. 375, 18. Z.v.o.
- Verwendete Ausgabe, S. 382, 8. Z.v.o.
- Verwendete Ausgabe, S. 387, 12. Z.v.u.
- Verwendete Ausgabe, S. 395, 7. Z.v.o.
- Günther Erken bei Arnold, S. 86, linke Spalte, erster Eintrag