Der Falschspieler mit dem Karo-Ass

Der Falschspieler m​it dem Karo-Ass i​st ein Gemälde d​es französischen Barockmalers Georges d​e la Tour.

Der Falschspieler mit dem Karo-Ass
Georges de la Tour, um 1620
Öl auf Leinwand
106× 146cm
Louvre
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Hintergrund

Über de la Tour ist wenig bekannt, deshalb kann die Entstehungszeit des Bildes, das 1,46 × 1,06 Meter groß ist, nur geschätzt werden. Man nimmt an, dass er es um 1620 malte. Es zeigt eine „Szene aus dem Schelmenleben“: hier wird ein naiver Jüngling (rechts im Bild) bei einem Glücksspiel mit Karten um sein Geld gebracht. De la Tour muss dieses Motiv fasziniert haben, er hat das Bild nämlich gleich zweimal gemalt: Auf den ersten Blick erscheinen beide Versionen nahezu identisch, als wären sie durchgepaust. Der zentrale Unterschied besteht darin, dass der Falschspieler statt des Karo-Blatts (Louvreversion) ein Kreuz-Blatt (Fort-Worthversion) in den Händen hält und entsprechend ein Kreuz-Ass aus dem Gürtel zieht.
Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass die Louvreversion die überlegenere Komposition darstellt. Allerdings mit zwei Ausnahmen:

  • die Vorfreude des Opfers, das sich aufgrund seines guten Blattes bereits als Sieger sieht und deshalb „selbstbezogen“ die Warnzeichen der Umwelt übersieht.
  • Das verhaltene Lächeln der Kurtisane im Wissen um die tatsächlichen „Machtverhältnisse“, auf das de La Tour in der Louvreversion verzichtet, um eine andere Botschaft zu betonen, die er ebenfalls in seinem Gemälde Die Wahrsagerin zum zentralen Thema macht: „Achte nicht auf Äusserlichkeiten, sondern auf die Taten – schöne Menschen können genauso Betrüger sein wie unansehnliche.“

Das Gemälde

Das Glücksspiel war im Frankreich des 17. Jahrhunderts verboten, wurde aber stillschweigend geduldet. Noch in einem 1661 erschienenen Ratgeber für junge Adlige stand geschrieben, ein „Mann von Welt“ müsse sich schon deswegen am Glücksspiel beteiligen, weil es Eintritt in die besten Kreise verschaffe. In der Tat dürfte es sich bei dem jungen Mann im Bild um einen Sohn aus reichem, vielleicht sogar adligem Hause handeln, seine prachtvolle Kleidung und die Goldstücke, die er vor sich auf den Tisch gelegt hat, weisen ihn als solchen aus. Die „besten Kreise“ hat er sich allerdings nicht ausgesucht. Zwar verrät der dunkle Hintergrund nichts über die Örtlichkeit, es könnte ebenso gut ein Salon wie ein Bordell oder das Hinterzimmer eines Wirtshauses sein. Aber das Spiel der Blicke zeigt: Hier sitzt nicht nur ein Falschspieler, die ganze Gesellschaft hat sich gegen den Jüngling verschworen.
Die Magd, die den Wein ausschenkt, hat ihm sicherlich über die Schulter geguckt (vgl. ihr verstohlener Blick auf die Karten des Jünglings), sie beugt sich zu der am Tisch sitzenden Mitspielerin – einer Kurtisane – als wolle sie ihr etwas zuflüstern, tatsächlich aber bleiben ihre Lippen geschlossen. Sie gibt wohl ein abgesprochenes Zeichen – vielleicht dadurch, wie sie das Weinglas hält. Eine Verdeutlichung dieser Betrugstaktik liefert Kubricks Spielfilm Barry Lyndon, der den Aufstieg und Fall eines irischen Glücksritters zu Zeiten des Siebenjährigen Krieges in Europa schildert. Allerdings ließe sich der Hinweis auf dieses Betrugsmanöver noch verstärken, wenn der Maler neben dem Opfer ein mit Rotwein gefülltes Glas auf dem Tisch platziert hätte.
Dieses Signal der Magd nimmt die Kurtisane zum Anlass, eine Weisung mit der rechten Hand zu geben, woraufhin der Falschspieler zum Karo-Ass greift. Neben dem Spiel der Augen ist auch bezeichnend, wie dicht beieinander die drei Hände der Betrüger auf dem Bild angeordnet sind.

Welches Kartenspiel eigentlich gespielt wird, lässt s​ich nur vermuten: Poker w​ar zu d​er Zeit n​och nicht bekannt, a​ber es g​ab Siebzehn u​nd Vier, e​inen Vorläufer v​on Black Jack. Das Ass w​ird benötigt, u​m mit n​ur zwei Karten d​en Maximalwert v​on 21 z​u erreichen. Der Falschspieler w​ird eine seiner h​ohen Kreuzkarten g​egen dieses einwechseln. Indem e​r aus d​em Bild heraus d​en Betrachter anblickt u​nd sich v​on ihm s​ogar in s​eine Karten schauen lässt, m​acht er s​ein Publikum z​um Komplizen d​es Betruges. Bei d​er Figur d​es Falschspielers w​ird vermutet, h​ier habe s​ich Georges d​e la Tour selbst porträtiert. Gewissheit hierüber besteht a​ber nicht, v​on dem Maler g​ibt es k​eine Porträts.[1]

Moderne Adaption

Wandbild „El Triunfo de Vitoria“ in der Altstadt von Vitoria-Gasteiz

Inspiriert v​on diesem Gemälde entstand i​m Jahr 2009 u​nter Leitung v​on Carlos Adeva[2] (* 1974) i​n der Hauptstadt d​er spanischen Autonomen Gemeinschaft Baskenland Vitoria-Gasteiz, Calle Santa María 9, e​in Wandbild. Es z​eigt drei Personen, d​ie mit Fidelitas (Treue), Victoria (steht für d​ie Stadt Vitoria) u​nd Fraudulentus (Betrug) beschriftet worden sind. Mit d​em Titel d​es Wandbildes „El Triunfo d​e Vitoria“ w​ird die Hoffnung z​um Ausdruck gebracht, Victoria werde, a​uch durch d​en wachsamen Blick d​er Fidelitas, d​ie im Wandbild s​o positioniert ist, d​ass sie d​as Falschspiel bemerken kann, über Betrug u​nd korrupte Macht triumphieren.[3]

Literatur

  • Jean-Pierre Cuzin u. a.: Georges de La Tour, Ausstellungskatalog - Galeries nationales du Grand Palais 1997–1998, Paris 1997, S. 191
  • Rose-Marie und Rainer Hagen: Meisterwerke im Detail, Band 2, Taschen Verlag, Köln 2003.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Bilder allein zuhaus: Der Falschspieler mit dem Karo-Ass. In: SRF mySchool. 16. Januar 2019, archiviert vom Original am 16. Januar 2019; abgerufen am 28. Januar 2019.
  2. CARLOS ADEVA - Ars Gratia Artis. Abgerufen am 7. Mai 2019.
  3. itinerario muralístico: El Triunfo de Vitoria. Abgerufen am 5. Mai 2019.
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