Cohors II Tungrorum
Die Cohors II Tungrorum [milliaria] [equitata] [c l] [Gordiana] [vexillatio] (deutsch 2. Kohorte der Tungerer [1000 Mann] [teilberitten] [c l] [die Gordianische] [vexillatio]) war eine römische Auxiliareinheit. Sie ist durch Inschriften belegt.
Namensbestandteile
- Cohors: Die Kohorte war eine Infanterieeinheit der Auxiliartruppen in der römischen Armee.
- II: Die römische Zahl steht für die Ordnungszahl die zweite (lateinisch secunda). Daher wird der Name dieser Militäreinheit als Cohors secunda .. ausgesprochen.
- Tungrorum: der Tungerer. Die Soldaten der Kohorte wurden bei Aufstellung der Einheit aus dem Volk der Tungerer auf dem Gebiet der römischen Provinz Gallia Belgica rekrutiert.
- milliaria: 1000 Mann. Je nachdem, ob es sich um eine Infanterie-Kohorte (Cohors milliaria peditata) oder einen gemischten Verband aus Infanterie und Kavallerie (Cohors milliaria equitata) handelte, lag die Sollstärke der Einheit entweder bei 800 oder 1040 Mann. Der Zusatz kommt in den Militärdiplomen[A 1] von 121/132 bis 147 und Inschriften[1] vor. In den Militärdiplomen und einer Inschrift wird statt milliaria das Zeichen verwendet.
- equitata: teilberitten. Die Einheit war ein gemischter Verband aus Infanterie und Kavallerie. Der Zusatz kommt in Inschriften[2] vor.
- Gordiana: die Gordianische. Eine Ehrenbezeichnung, die sich auf Gordian III. (238–244) bezieht. Der Zusatz kommt in einer Inschrift[4] vor.
- vexillatio: eine Abordnung aus der Kohorte (siehe Vexillatio). Der Zusatz kommt in den Militärdiplomen[A 1] von 121/132 bis 147 vor.
Die Einheit war eine Cohors milliaria equitata. Die Sollstärke der Einheit lag bei 1040 Mann, bestehend aus 10 Centurien Infanterie mit jeweils 80 Mann sowie 8 Turmae Kavallerie mit jeweils 30 Reitern.
Geschichte
Die Kohorte war in der Provinz Britannia stationiert, eine Vexillatio aus der Einheit wahrscheinlich auch in Raetia (sowie möglicherweise in Noricum). Auf Militärdiplomen für Raetia und Noricum, die auf 121/132 bis 147 n. Chr. datiert werden, sind Vexillationen aus Tungrer-Kohorten aufgeführt.[5][6][7][A 1] Tacitus erwähnt Kohorten der Tungerer sowohl in den Historiae (Buch II, Kapitel 14) als auch in seinem Werk Agricola (Kapitel 36).[8][A 3]
Die Einheit wurde vermutlich in julisch-claudischer Zeit auf dem Gebiet der civitas Tungrorum (im heutigen Belgien) aufgestellt; sie war vor dem Jahr 69 n. Chr. in der Provinz Germania inferior stationiert. Im Bürgerkrieg zwischen Otho und Vitellius kämpfte die Kohorte auf Seite des Vitellius; zwei Kohorten der Tungerer wurden von Fabius Valens in die Provinz Gallia Narbonensis geschickt, um gegen die Truppen Othos zu kämpfen. Nach dem Bataveraufstand kamen die Kohorten der Tungerer zusammen mit dem neuen Statthalter Quintus Petillius Cerialis nach Britannien. Unter Gnaeus Iulius Agricola nahmen zwei Kohorten der Tungerer 83 an der Schlacht am Mons Graupius teil und wurden dafür ausgezeichnet.[8][A 3]
Die Einheit ist in Britannien durch zahlreiche Inschriften belegt, aber durch kein einziges Militärdiplom.[A 4] Der erste zeitlich gesicherte Nachweis der Kohorte in Britannia ist eine Inschrift,[9] die auf 157/158 datiert ist. Es wird vermutet, dass eine Vexillation aus der Kohorte um 121/147 in die Provinz Raetia (sowie möglicherweise auch nach Noricum) abgeordnet war.[6][10][11][A 1] Durch eine Inschrift[12] ist belegt, dass Soldaten aus Rätien (cives Raeti) in der Kohorte dienten, während sie in Britannien stationiert war.[A 5]
Der letzte Nachweis der Einheit beruht auf einer Inschrift,[4] die auf 241 datiert ist.
Standorte
Standorte der Kohorte in Britannia waren möglicherweise:
- Blatobulgium (Birrens): mehrere Inschriften[13] wurden hier gefunden.
- Camboglanna (Castlesteads): mehrere Inschriften[14] wurden hier gefunden.
- Cramond: eine Inschrift[15] wurde hier gefunden.
Standorte der Kohorte in Raetia waren möglicherweise:[6]
Angehörige der Kohorte
Folgende Angehörige der Kohorte sind bekannt:[6][17]
Kommandeure
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Sonstige
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Siehe auch
Weblinks
- 2178 ‒ Cohors II Tungrorum. Roman Inscriptions of Britain (RIB), abgerufen am 24. Juli 2019 (englisch).
Literatur
- John Spaul: Cohors² The evidence for and a short history of the auxiliary infantry units of the Imperial Roman Army, British Archaeological Reports 2000, BAR International Series (Book 841), ISBN 978-1-84171-046-4
Anmerkungen
- Zu einem unbestimmten Zeitpunkt wurde eine Vexillation aus einer Tungrer-Kohorte in die Provinzen Raetia und Noricum verlegt, wo sie durch mehrere Diplome für 121/132 bis 147 nachgewiesen ist. Da die Diplome unvollständig erhalten sind, ist es umstritten, um welche Kohorte es sich dabei gehandelt hat: in Frage kommen sowohl die Cohors I Tungrorum als auch die Cohors II Tungrorum; die Cohors IV Tungrorum ist dagegen durch andere Diplome sowohl für Noricum als auch Raetia sicher belegt.
- Laut RIB wurde der Zusatz c l ursprünglich als civium Latinorum gedeutet. Sowohl die EDCS als auch RIB ergänzen c l zu coram laudata. John Spaul schlägt stattdessen civium Liberorum als Ergänzung vor.
- Laut Robert Nouwen (1995) handelte es sich bei einer der beiden von Tacitus erwähnten Tungerer-Kohorten um die Cohors II Tungrorum.
- Laut John Spaul ist es auffällig, dass die Kohorte auf keinem einzigen Militärdiplom für die Provinz Britannia aufgeführt ist, nicht einmal auf dem Diplom von 122 (CIL 16, 69), auf dem 37 Kohorten aufgelistet sind. D. J. Knight hält es für möglich, dass die ganze Kohorte aus Britannien abgezogen und auf Noricum und Raetia aufgeteilt wurde; dies würde die fehlenden Diplome erklären.
- Laut John Spaul und Farkas István Gergő wurden die Soldaten aus Rätien in die Kohorte aufgenommen, während sich die Vexillation in der Provinz Raetia aufhielt.
- Farkas István Gergő ordnet die Inschriften der Cohors II Tungrorum zu; der Name der Einheit kommt in keiner der Inschriften vor.
- Die Inschrift wurde im Kastell Eining gefunden, in dem die Cohors III Britannorum, die Cohors IV Gallorum und (möglicherweise) eine Vexillation der Cohors II Tungrorum stationiert waren. Eine exakte Zuordnung des aufgeführten Soldaten zu einer dieser Einheiten ist nicht möglich, da der Name der Einheit in der Inschrift fehlt.
Einzelnachweise
- Inschriften mit milliaria (RIB 1981, RIB 1982, RIB 2092, RIB 2104, RIB 2110)
- Inschriften mit equitata (RIB 1981, RIB 1982, RIB 1983, RIB 2092, RIB 2104, RIB 2110)
- Inschriften mit c l (RIB 1981, RIB 1982, RIB 1983, RIB 2092, RIB 2104, RIB 2110)
- Inschrift mit Gordiana (RIB 1983)
- Jörg Scheuerbrandt: Exercitus. Aufgaben, Organisation und Befehlsstruktur römischer Armeen während der Kaiserzeit. Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau 2003/2004, S. 160 Tabelle 4 (PDF).
- Farkas István Gergő: The Roman Army in Raetia Dissertation, University of Pécs Faculty of Humanities, 2015, S. 168–169, 247–248, 253–254, 431–435, 446–447, 452, 481–482 (PDF).
- Militärdiplome der Jahre 121/132 (RMD 1, 25), 125/128 (RMD 1, 32), 133 (CIL 16, 174), 135/138 (RMD 2, 93), 140/147 (RMD 3, 166) und 147 (CIL 16, 94).
- Robert Nouwen: The Vindolanda tablet 88/841 and the cohors I Tungrorum milliaria In: M. Lodewijckx (Hrsg.) Archeological and Historical Aspects of West-European Societies. Album amicorum Andre Van Doorselaer (Acta Archaeologica Lovaniensia Monographiae 8), 1995, S. 123–134, hier S. 124–126 (Online).
- Inschrift (RIB 2110)
- Robert Nouwen: The Vexillationes of the Cohortes Tungrorum During the Second Century In: Proceedings of the XVIth International Congress of Roman Frontier Studies, Oxbow Monograph 91, 1997, S. 461–465, hier S. 462–463 (Online).
- D. J. Knight: The Movement of the Auxilia from Augustus to Hadrian In: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik, Band 85 (1991), S. 189–208, hier S. 204 (PDF).
- Inschrift (RIB 2100)
- Inschriften aus Blatobulgium (RIB 2092, RIB 2094, RIB 2096, RIB 2100, RIB 2104, RIB 2107, RIB 2108, RIB 2109, RIB 2110, RIB 2115)
- Inschriften aus Camboglanna (RIB 1977, RIB 1981, RIB 1982, RIB 1983, RIB 1987, RIB 1988, RIB 1991, RIB 1992, RIB 1993, RIB 1999)
- Inschrift aus Cramond (RIB 2135)
- Inschriften aus Abusina (CIL 03, 11957a, CIL 03, 11957b, IBR 00350a, IBR 00351, Pfahl 00290)
- John Spaul, Cohors², S. 207–208, 228–230.