Clintel
Die Climate Intelligence Foundation (kurz: Clintel) ist eine von Medien als Klimaleugnerorganisation beurteilte niederländische Stiftung. Die Organisation, die gegen den Klimaschutz kämpft[1], gilt als kontinentaleuropäisches Gegenstück zur britischen Global Warming Policy Foundation.[2] Sie wurde nach eigenen Angaben von dem Wissenschaftsjournalisten Marcel Crok und dem Geowissenschaftler Guus Berkhout gegründet, der seine Karriere beim Ölkonzern Royal Dutch Shell begonnen hatte.
Bekannt wurde die Climate Intelligence Foundation durch die von ihr federführend vorangetrieben Deklaration There is no climate emergency, in der laut Clintel mehrere Hundert Wissenschaftler und Fachleute die Existenz der Klimakrise abstreiten. Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem als Klimaleugner bekannte Akademiker, Politiker, Lobbyisten und hochrangige Personen aus der Öl- und Gasindustrie sowie weitere Personen, die in Verbindung stehen mit verschiedenen Klimaleugnerorganisationen wie dem Cato Institute, dem Heartland Institute und der Global Warming Policy Foundation.[3] Die Unterzeichner sind, einer bibliografischen Analyse zufolge, im Themenfeld Klimawandel so gut wie gar nicht wissenschaftlich aktiv. Zudem ordnen die Autoren dieser Analyse die Deklaration als Desinformationskampagne ein, die in der Öffentlichkeit Verwirrung über den wissenschaftlichen Konsens bezüglich der menschengemachten globalen Erwärmung stiften solle. Gleichzeitig stellen sie die Deklaration in die Tradition früherer ähnlicher Initiativen zur Klimawandelleugnung wie der Leipziger Erklärung oder der Oregon-Petition, deren Aussagen auch teilweise übernommen worden seien.[4]
Geschichte und Organisation
Bekannt wurde Clintel Anfang September 2019, als von der investigativ arbeitenden Nonprofit-Medien-Organisation Desmog[5] die Hintergründe einer Kampagne aufgedeckt wurden, deren Ziel die Verhinderung der gesetzlichen Festschreibung von Nullemissionszielen durch die Politik war. Zu dem Zeitpunkt hatten ca. 400 Personen die Clintel-Erklärung unterzeichnet, die an Politiker der Europäischen Union sowie der Vereinten Nationen gesandt wurde.[3] Im September 2019 waren es laut Clintel ca. 500 Unterzeichner[6], im Oktober 2019 rund 700.[7]
Voraus ging dieser europäischen Deklaration eine Petition auf nationaler Ebene, in der die Autoren u. a. die Rolle menschlicher Aktivitäten bei der gegenwärtigen globalen Erwärmung bestritten und sich gegen eine Klimaschutzpolitik aussprachen.[4]
Deklaration
Die Deklaration[7] wurde am 26. September 2019 veröffentlicht. Neben den Unterzeichnern finden sich 14 "Botschafter" für verschiedene Staaten, unter anderem Guus Berkhout für die Niederlande, Richard Lindzen für die USA, Fritz Vahrenholt für Deutschland und Christopher Monckton für Großbritannien.
Erklärung
Die Erklärung umfasst folgende sechs Hauptpunkte mit jeweils einer kurzen Erläuterung:
- „Sowohl natürliche als auch anthropogene Faktoren verursachen die Erwärmung.“
- „Die Erwärmung verläuft viel langsamer als vorhergesagt.“
- „Die Klimapolitik beruht auf ungeeigneten Modellen.“
- „Kohlenstoffdioxid ist Pflanzennahrung, die Basis allen Lebens auf Erden.“
- „Die Globale Erwärmung hat Naturkatastrophen nicht verstärkt.“
- „Die Klimapolitik muss wissenschaftliche und ökonomische Realitäten berücksichtigen.“
Der Guardian schrieb, dass die Deklaration die „Klimawissenschaft leugne“ und „abgegriffene und lange diskutierte Diskussionspunkte zum Klimawandel“ wiederhole, die den Ergebnissen von „wissenschaftlichen Institutionen und Akademien auf der ganzen Welt“ wie auch denen des IPCC widersprächen.[8] Robert Brulle, Soziologieprofessor an der Drexel University erklärte, die Behauptungen in der Deklaration seien sowohl „abgestanden“ als auch „offensichtlich wissenschaftlicher Unsinn“. Ziel der Deklaration sei es, das Narrativ „von der ‚umstrittenen‘ Natur des Klimawandels aufrechtzuerhalten“. Die Erklärung wirke wie eine Panikreaktion auf die erhebliche Medienberichterstattung über die Klimakrise, die es durch Greta Thunberg und Extinction Rebellion gegeben habe. Geoffrey Suppran von der Harvard University sah in der Deklaration einen Versuch, verstärkte klimapolitische Anstrengungen auf dem Klimagipfel in New York zu verhindern. „Wie immer“ ginge es darum, „die Echokammer sympathisierender rechter Medien und Blogs zu füttern und Jagd auf naive und arglose Journalisten zu machen, die versucht sein könnten, in ihrer Klimaberichterstattung auf falsche Ausgewogenheit zu setzen.“[3]
Ein Faktencheck der Wissenschaftsplattform „Climate Feedback“ stufte die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit der Erklärung auf einer Skala von +2 bis −2 mit −1,8 ein. Die Stellungnahme sei „verzerrt“, „ungenau“, „irreführend“ und nutze Rosinenpicken. Die Behauptungen widersprächen den von Geowissenschaftlern gefundenen Belegen oder gäben diese falsch wieder, auch hätten die Autoren keine Belege geliefert, die das Kleinreden des Klimawandel stützten. Behauptungen wie die Aussage, dass die Klimamodelle den Einfluss von Kohlendioxid auf das Pflanzenwachstum ignorierten, seien schlicht falsch. Zudem wiesen die Wissenschaftler darauf hin, dass von den 500 Unterzeichnern, die sich selbst als „Wissenschaftler und Fachleute“ darstellten, tatsächlich nur zehn Klimawissenschaftler seien. Auch seien in der Vergangenheit bereits ähnliche Petitionen genutzt worden, um mit einer großen Zahl von Unterzeichnern Glaubwürdigkeit zu erlangen. In der Wissenschaft zählten aber Belege.[9]
Weitere Faktenchecks kamen zu ähnlich kritischen Einschätzungen.[10][11] Correctiv kam zum Ergebnis, dass bis auf zwei der Behauptungen zwar alle zumindest teilweise richtig seien, die Autoren aber oft „zentralen Kontext“ ausgelassen hätten. Zudem seien entgegen wissenschaftlichen Gepflogenheiten keine Belege angegeben.[11]
Der Professor für Psychologie Iain Walker und die Sozial- und Umweltpsychologin Zoe Leviston sehen die Deklaration als Beispiel dafür, dass sich die Taktiken bei der Klimaleugnung wandelten. Die offene Klimawandelleugnung sei ersetzt worden durch Versuche, den Klimawandel als natürlich darzustellen und die Notwendigkeit von Klimaschutz abzustreiten. Dies sei aber nur eine weitere Form des Abstreitens der Fakten. Die Gruppe lehne „offen ersichtlich den wissenschaftlichen Konsens über den Klimawandel ab“.[12]
Ein im April 2020 erschienener Artikel sieht die Aktivitäten von Clintel als Teil einer größeren gegen Experten gerichteten Kampagne, die darauf abziele, dass Menschen nicht mehr wüsste, wem sie trauen könnten. In diesem Fall würden Menschen dazu tendieren, überhaupt niemandem mehr zu vertrauen, und folglich so weiter leben wie bisher, wodurch die Umsätze von fossilen Energiekonzernen aufrechterhalten würden.[2]
Unterzeichner
Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem als Klimaleugner bekannte Akademiker, Politiker, Lobbyisten und hochrangige Personen aus der Öl- und Gasindustrie sowie weitere Personen, die in Verbindung stehen mit verschiedenen Klimaleugnerorganisationen wie dem Cato Institute, dem Heartland Institute und der Global Warming Policy Foundation. Weitere Verbindungen bestehen zu einem transatlantischen Netzwerk von Think Tanks, das sich für Deregulierung im Umweltbereich einsetzt, eine Geschichte der Klimaleugnung besitzt und unter anderem von den Gebrüdern Koch finanziert wird.[3] Laut Correctiv werden in der Liste 179 Personen als "Professor" bezeichnet. Von diesen hätten sich nur 5 auf das Thema Klima spezialisiert, 2 davon seien bereits im Ruhestand.[11]
Bekannte Unterzeichner sind unter anderem Tim Ball, Freeman Dyson, Patrick J. Michaels, Willie Soon, Ivar Giaever Susan Crockford, Madhav Khandekar, Patrick Moore, Ian Plimer, Nils-Axel Mörner, Nicola Scafetta und Václav Klaus. Aus Deutschland sind 23 Unterzeichner gelistet: neben Fritz Vahrenholt unter anderem Stefan Kröpelin, Ulrich Kutschera, Horst-Joachim Lüdecke, Michael Limburg und Ludwig E. Feinendegen.[7] Von den 13 deutschen Unterzeichnern, die bis September 2019 unterzeichnet hatten, sind gemäß Correctiv 8 bereits im Ruhestand. Der Großteil davon unterhalte Verbindungen zu EIKE; drei seien direkt über Autorenschaften oder Mitgliedschaft im Beirat mit EIKE verbunden, sechs weitere würden häufig von EIKE angeführt oder traten in der Vergangenheit bei Veranstaltungen von EIKE auf. Correctiv berichtete zudem, dass mehrere der deutschen Unterzeichner falsche Angaben zu ihren Qualifikationen und akademischem Werdegang gemacht hätten. So hätten mehrere Personen Professuren angegeben, die sich nicht verifizieren ließen oder von der genannten Universität dementiert wurden; in einem Fall wurde auch ein Institut angegeben, das laut Pressesprecher der betroffenen Universität nicht existiert.[11]
Der Guardian berichtete, dass unter anderem 75 australische Persönlichkeiten aus der Wirtschaft unterzeichnet hätten, darunter auch Bergbauingenieure und im Ruhestand befindliche Geologen. Zugleich hätten "einige Unterzeichner hochrangige Verbindungen zur konservativen Politik, Industrie und Bergbau". Zudem wurde auf den Umstand verwiesen, dass viele der Organisatoren und Mitglieder von Clintel bereits 2016 Unterzeichner einer weiteren Klimaleugnererklärung der Clexit-Gruppierung gewesen seien. Diese hatte nach der Brexit-Abstimmung dazu aufgerufen, dass Nationen "nicht tolerieren [sollten], dass UN- und EU-Bürokraten die Wissenschaft manipulieren, um ihre Träume zur Umverteilung des Reichtums zu rechtfertigen".[8]
Weblinks
- Website
- Clintel Dossier bei Desmog
- Climate Science Deniers Planning European Misinformation Campaign, Leaked Documents Reveal. In: Desmog, 6. September 2019. Abgerufen am 18. Oktober 2019.
Einzelnachweise
- Jonathan Watts: Five post-Trump obstacles to a global green recovery. In: The Guardian, 11. November 2020. Abgerufen am 30. Dezember 2020.
- Mat Hope, Zak Derler: The Dangerous Crossover Between Climate and COVID Denial. In: Byline Times, 1. April 2020. Abgerufen am 30. Dezember 2020.
- Hundreds of climate sceptics to mount international campaign to stop net-zero targets being made law. In: The Independent, 6. September 2019. Abgerufen am 18. Oktober 2019.
- Stefano Caserini, Sylvie Coyaud, Giulia Persico, Gabriele Messori: Evaluating the scientific credentials of the supporters of public petitions denying anthropogenic climate change. In: Tellus A: Dynamic Meteorology and Oceanography. Januar 2021, doi:10.1080/16000870.2021.1875727.
- Climate Science Deniers Planning European Misinformation Campaign, Leaked Documents Reveal. In: Desmog, 6. September 2019. Abgerufen am 18. Oktober 2019.
- There is no Climate Emergency, Stand September 2019. Website von Clintel. Abgerufen am 25. Oktober 2019.
- There is no Climate Emergency, Stand Oktober 2019. Website von Clintel. Abgerufen am 25. Oktober 2019.
- ‘CO2 is plant food‘: Australian group signs international declaration denying climate science. In: The Guardian, 26. September 2019. Abgerufen am 18. Oktober 2019.
- Letter signed by “500 scientists” relies on inaccurate claims about climate science. In: Climate Feedback, 23. September 2019. Abgerufen am 18. Oktober 2019.
- 500 Wissenschaftler widersprechen dem Klimawandel: Der Faktencheck. In: Mimikama, 14. Oktober 2019. Abgerufen am 18. Oktober 2019.
- Offener Brief zum Klimawandel: Weder haben „500 Wissenschaftler“ unterzeichnet, noch stimmen alle Behauptungen. In: Correctiv, 11. Oktober 2019. Abgerufen am 18. Oktober 2019.
- Iain Walker, Zoe Leviston:There are three types of climate change denier, and most of us are at least one. In: Quartz, 15. Oktober 2019. Abgerufen am 25. Oktober 2019.