Christian Wilhelm Schneider (Geistlicher, 1678)
Christian Wilhelm Schneider (* 18. Juni 1678 in Herbsleben; † 4. Juni 1725 in Esens) war ein deutscher lutherischer Pfarrer und Gründer eines Waisenhauses in Esens. Er war neben Hieronymus Brückner in Wittmund ein wichtiger Vertreter des Hallischen Pietismus in Ostfriesland.[1]
Leben und Werk
Schneider wurde als Sohn eines sächsischen Richters in Thüringen geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Gotha studierte er ab 1698 Evangelische Theologie und Orientalische Sprachen an der Universität Halle. Nach Studienreise durch Italien wurde er Pastor in Teschen in Schlesien und 1711, auf Empfehlung August Hermann Franckes, zum ersten Pastor von Esens berufen. Hier blieb er bis zu seinem Tod.
Die große Armut und die seelische Not der Armen in seiner neuen Gemeinde, zu deren Behebung städtische und kirchliche Mittel nicht ausreichten, ließen ihn zunächst eine „Armenschule“ gründen und schließlich den Plan zum Bau eines Waisenhauses fassen. Am 1713 folgte die Grundsteinlegung zum Bau des Waisenhauses, das Kapital zu Beginn betrug rund 300 Thaler und 100.000 Ziegelsteine[2], aus dem abgebrochenen Festung Leerort, die ihm Fürst Georg Albrecht nebst einigen Balken und Holz dazu schenkte. Bis 1715 kamen durch Sammlung 2800 Thaler für den Bau zusammen. was sich in dem Spruch über der Tür des Waisenhauses: „Wie teuer ist deine Güte, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben“ widerspiegelte (Das Waisenhaus ähnelt im Stil sehr dem heutigen Rathaus am Markt, das aber an jeder Seite um eine Fensterbreite kürzer ist.). Es wurde ein zweistöckiger Bau von 100 mal 90 Fuß.
Die fertige Anlage umfasste außer den Räumen für die Kinder einen großen Saal mit Orgel, die Schulräume, eine Tuchfabrik, Bäckerei, Brauerei und eine Mühle nebst Garten und Land. In einem von Christian Wilhelm Schneider sorgfältig geführten „Rechnungbuch“ für die Zeit von 1711 bis 1719 findet sich, neben von ihm gefertigten Zeichnungen von Gebäuden, Möbeln, Geräten u. a. mehr, die detaillierte Abrechnung des Hauses. Nach dem Tod Schneiders wurde die Führung von dem jeweiligen Oberamtmann, dem Justizbürgermeister und dem Oberprediger übernommen.
Das Waisenhaus hatte eine wechselvolle Geschichte. 1860 fiel es dem großen Stadt-Brand zum Opfer, bei dem 109 Häuser und Scheunen total vernichtet wurden. Nach 1864 erfolgte die Grundsteinlegung zum Bau eines „Armen- und Arbeiterhauses“ auf dem Platz des abgebrannten Waisenhauses. Am 27. September 1943 folgte die totale Zerstörung des „Armen- und Arbeiterhauses“ bei einem Bombenangriff auf Esens, bei dem 165 Menschen ums Leben kamen, darunter zwei vollständige Schulklassen, die im Keller des Hauses Schutz gesucht hatten. An das frühere Waisenhaus erinnert noch immer die „Waisenhausstraße“.
Er wurde im Jahr 1981 Namensgeber der Christian-Wilhelm-Schneider-Schule in Esens.[3]
Literatur
- Christian Gottlieb Jöcher: Allgemeines Gelehrten-Lexicon, 4. Auflage, 4 Bände, Leipzig 1751–1752 (Google Books)
- Udo Sträter: Wilhelm Christian Schneider und das Waisenhaus in Esens (Ostfriesland). In: Waisenhäuser in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Udo Sträter und Josef N. Neumann in Verbindung mit Renate Wilson, Tübingen, 2003
- Brockhaus, 1843, Band 38, S.103
- Adrian Reershemius, Ostfriesländisches Prediger-Denkmal, S.430f
Weblinks
- Lebenslauf Christian Wilhelm Schneiders bei den Franckeschen Stiftungen, abgerufen am 7. Januar 2013
Einzelnachweise
- Geschichte Niedersachsens: T. 1. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von der Reformation bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, S. 179
- Onno Klopp nennt nur 10.000 Ziegel aber dazu Steine eines Zwingers der in Esens abgebrochen wurde (Vgl.:Geschichte Ostfrieslands von 1570-1751, Band 2, S.481)
- Anzeiger für Harlingerland: Armeneinrichtung als Lebenswerk, abgerufen am 25. Februar 2016 (PDF-Datei).