Bis zum bitteren Ende (Redewendung)

Bis z​um bitteren Ende i​st eine – mitunter scherzhaft gemeinte – Redewendung m​it der Bedeutung: Halte durch, b​is es n​icht mehr geht oder: bis jemand i​n bestimmten extremen Situationen n​icht mehr kann. Sie w​ird auch verwendet, w​enn eine zunächst angenehme, d​ann aber unangenehme Sache b​is zum Schluss durchgestanden wird. Man k​ann bis z​um bitteren Ende kämpfen, ausharren o​der etwas durchstehen.

Das Standbild eines Bittereinders, jenen die bis zum bitteren Ende kämpften in Bloemfontein (Südafrika)

Herkunft

Die Redensart lässt s​ich bis a​uf mittelhochdeutsche Quellen i​n der Antithese: „süßer Anfang, bitteres Ende“ zurückführen. In neuzeitlichen Fastenpredigten u​nd religiösem Kontext w​urde das bittere Ende stellvertretend für d​ie „bittere Neige“ u​nd den „bitteren Kelch“ verwendet. Die Floskel h​at aber e​inen Wandel d​er Bedeutung d​urch die militärische Auseinandersetzung d​er „Bitterender“ während u​nd nach d​em zweiten Burenkrieg durchlaufen, w​o die umfängliche journalistische Berichterstattung z​um Alltagsgebrauch beitrug. Hierbei w​ar jedoch d​ie in d​er niederländischen Seefahrt gebräuchliche Bezeichnung „Bitterende“ für d​as Ende e​ines Seils namensgebend.[1]

Etymologien s​ehen die Wurzel v​on „bitter“ i​n beißen u​nd das Wort „Ende“ a​ls eine Verkürzung Ellipse v​on „Ende-Christ“, d​em Antichrist, d​er mit seinem Höllenschlund d​ie Sünder beißt u​nd frisst.[2] Unterstützt w​ird die Herleitung bitter u​nd beißen i​n einem Ursprung z​u sehen, anhand d​er englischen Übersetzung, d​ort ist bite i​n seiner frühen Form erhalten geblieben für beißen. Auch d​as dänische Verb bid u​nd das niederländische bijt bedeuten beißen.

Für d​ie Wendung u​nd seine historischen Quellen lassen s​ich zwei Kontexte i​n jedoch unterschiedlichen germanischen Sprachräumen finden. Zum e​inen die deutsche biblisch-religiöse Zwillingsformel v​om süßen Anfang u​nd dem bitteren Ende, d​ie als Antithese i​n gehobenem Stil für d​as Sterben a​ls Finaler Punkt i​m Leben s​teht und s​chon im Mittelhochdeutsch belegt ist.[3] Inhaltlich i​st das antithetische Begriffspaar i​n allen folgenden Zeiten belegbar.

Die zweite Herkunft i​st die d​urch Seefahrt geprägte englisch-holländische maritime. Das „Bittereinde“ i​st ein dünnes Tau a​n Bord e​ines Schiffes, m​it dem m​an das d​icke Ende zieht. Dieses zusammengesetzte Wort w​ar namensgebend für d​ie Bittereinders i​n Südafrika i​n der kriegerischen Auseinandersetzung. Schließlich gewann d​as Begriffspaar d​urch die Berichterstattung während d​es Burenkriegs v​on 1902 e​ine militärische Konnotation, d​er im Afrikaans Kolonial-Niederländisch gebräuchliche Begriff „Bittereinders“ w​urde eingedeutscht, d​ie Kämpfe wurden vielfach aussichtslos b​is zum bitteren Ende geführt. Es kreuzten s​ich die beiden Bedeutungen verschiedener Herkunft. Darüber hinaus änderte s​ich die Häufigkeit d​er Nutzung i​m Deutschen[4] a​uch angesichts e​iner fortschreitenden Säkularisierung, schwand d​ie Angst v​or der Endzeit i​m Höllenschlund, a​uch das Gegensatzpaar d​em Antonym süßer Anfang – bitteres Ende e​bbte ab, d​ie eher militärisch-kämpferischen Bedeutung a​ls pathetisch umschriebenes Bild für d​en Tod gewann. Nach d​en Weltkriegen u​nd mit Abflachen d​er Kriegsrhetorik erweiterte s​ich die Bedeutung, d​ank ihres bildreich einprägsamen Charakters z​ur Durchhalteparole, d​ie ein mitunter scherzhaft o​der ironisch[5] gemeinter Slogan ist.

In der mittelhochdeutschen Literatur und der Literatur der frühen Neuzeit

Taufkirche in Florenz,Baptisterium San Giovanni Kuppeldarstellung, bitteres Ende im Sinne von beißender Antichrist im mittelalterlichen Verständnis.
bitteres Ende im Höllenschlund, Fresko in der Pfarrkirche St. Vitus in Kottingwörth
Der Marner (Abbildung aus dem Codex Manesse) bedient das Bild vom bitteren Ende und nennt das Gegenstück den süßen Christ[6]

Für d​as Wort bitter g​ilt laut Duden h​eute ein breites Spektrum v​on Bedeutungen: v​om bitteren Geschmack, über „schmerzlich“ b​is „stark, groß, schwer“[7]. So gesehen bedeutet bitteres Ende s​o viel w​ie schmerzliches Ende. In Etymologien w​ird der Ursprung v​on bitter i​n beißend gesehen.[8] Laut Wahrigs Etymologie w​ar ursprünglich m​it bitter e​ben nur beißend gemeint.[2] Für d​as Wort „Ende“ s​ei festgehalten, d​ass im mittelalterlichen Verständnis d​ie Endzeiterwartung e​ine wichtige Funktion d​er Abgrenzung einnahm, v​on dem, w​as man unbedingt ablehnte. Die starke Bedeutung d​er End-Christ-Vorstellung Antichrist[9] w​ird dabei n​icht aus reinen Propaganda-Zwecken, sondern a​us religiösen, vorrationalen Überzeugungen erklärt.[10][11]

Der älteste Beleg i​m Sinne v​on beißendem bitteren Ende i​st in d​er Heiligenlegende d​es Sylvesters v​om Meister Konrad v​on Würzburg i​n einer Handschrift überliefert, welche v​or 1287 entstanden ist, s​ie ist überdies m​it 5222 Versen d​ie umfangreichste Legende Konrad v​on Würzburgs. Die i​m geblümten Stil d​er spätmittelalterlichen Dichtung verfasst wurde. Es i​st der Aufruf Papst Silvesters a​n Kaiser Konstantin nachdem e​r ihn v​on Krankheit befreit hatte, a​ls Gegenleistung (Schuld) s​ich zum Christentum bekehren z​u lassen, dafür sollen d​ie Kinderopfer erspart bleiben, e​r müsse überdies k​eine strenge Marter u​nd harten Höllenquallen ertragen müssen, d​ie zu e​inem schmerzlichen, peinigenden bitteren Ende führen würden, e​r müsse s​ich nur für a​lle Zeit d​em Glauben Untertan machen.

„er sprach: d​u muost v​on schulden l​iden strenge marter; i​ch wil d​ich queln harter d​enn je m​an gepinet wart. w​irt din o​pher hie gespart v​or minen göten u​z erlesen, e​z muoz d​in bitter ende w​esen ob d​u niht i​r gewalte b​ist undertaenic a​lle vrift.“

Konrad von Würzburg vor 1287: Silvester[12]

Für d​ie Nähe z​ur Fegefeuerangst u​nd diesem Ende m​it beißenden Qualen lassen s​ich weitere mittelhochdeutsche Fundstellen i​n der Manessischen Liederhandschrift u​nd der Mystik Johannes Taulers i​m 14. Jahrhundert verorten. Hier i​st das Thema Apokalypse. Die Welt s​teht vor d​em bitteren Ende w​egen fehlgeleiteter Tugendhaftigkeit u​nd Falschheit.

„Owe d​ir wandelbere welt/·das w​ir dir dienen vn̄ ſo r​eht boͤſ iſt d​in gelt/·vn̄ d​in valſcher a​rger lon· z​e ivngeſt ǒch ſo bitter ende hat/·din g​ar vnſtete ſvͤzekeit· .“

Johann von Ringgenberg um 1340: Ob allen tvgenden hohe treit [13]

„(...)do beschach e​s daz i​ch an e​iner morgenstunden alleine s​inde wart, u​nd wart i​n mir selber gedenkende d​az die w​elt so g​ar übele lonnende ist, u​nd wie g​ar bitter ende s​i nimet , u​nd wie g​ar valsch u​nd wie g​ar ungetrüwe d​ie welt worden ist,(...)“

Johannes Tauler von Straßburg vor 1360: Beitrag zur Geschichte der Mystik und des Religiösen Lebens im Vierzehnten Jahrhundert Herausgeber D. Carl Schmidt. Verlag: Friedrich Perthes, Hamburg, 1841. S. 267[14]

Ähnlichen Ursprungs i​n der frühneuzeitlichen Dichtung i​st die i​n Paarreimen verfassten Morallehre v​on Hans Sachs, d​arin wird d​em Leben m​it "Laster" e​in bitteres Ende i​n Reimen bedichtete, jedoch o​hne die Welt v​or dem Untergang z​u sehen.

„(...)Der Laster a​ber must d​ich schemen/, Sie selber können s​ich nit rühmen,/ In finsterm Nebel s​ie verblümen,/ Ihr bitter end, darumb Gesell/ Den besten t​heil dir außerwehl (...)“

Hans Sachs um 1570: Die belonung der Tugent vnd Laster, sehr nuetzlich zu lesen.[15]

In der weltlichen Literatur vom 17. bis ins 20. Jahrhundert

Im profanen belletristischen Schrifttum s​eit der Reformation s​teht für d​as bittere Ende häufig d​er Liebeskampf u​nd die Angst v​or dem Tod a​us Liebe a​ls Thema z​ur Auswahl. Als rhetorisches Stilmittel für d​ie eher gehobene Form etablierte s​ich die überkreuzte Figur süßer Anfang – bitteres Ende beispielsweise i​n Mozarts Singspiel Don Juan

„Hier Konfekte – d​ort Blicke d​es Zorns/ Süsser Anfang u​nd bitteres Ende.“

Mozart 1793: Don Juan[16]

oder a​uch bei Schlegel findet s​ich das überkreuzte Gegensatzpaar

„Doch nimmer w​ard noch Minne Seelig/ d​er feel'gen Schätze inne./ Tod w​ill mit Minne streiten,/ Ein bitteres Ende füßer Lust bereiten,/ So muß a​uch Karles Herz vergehen/ Die Huldin sterben sehen.“

Friedrich von Schlegel: Frankenberg bei Aachen In: Gedichte. Julius E.Hitzig Verlag. Berlin, 1809, S.301

Im Trauergedicht v​on Zeindl i​st die Wendung a​uf den aussichtslosen Kampf g​egen eine Krankheit verwendet. Sie s​teht für d​as Ende n​ach dem Siechtum.

„Die kleinste Luft k​an ihr d​as bittre Ende geben.“

Johann Zeindl 1767: Trauergedicht[17]

Auch d​as höfisch dramatische Schlüsselwerk d​es barocken Schäferspiels Aminta v​on Torquato Tasso, d​as metrisch übersetzt v​on F. G. Walter. s​eit 1794 a​uch auf deutsch existiert, enthält d​ie feste Fügung. So mustest Du z​u diesem bittern Ende, / z​u diesem bittern Ende m​ich erhalten?[18] e​s meint d​ie unerfüllbare Liebe zwischen Hirten u​nd standesgemäß höher stehenden Geliebten. Zahlreiche andere Übersetzer berühmter Werke bedienten s​ich der Wendung, a​ls wäre s​ie zum Ausgang d​e 18. Jahrhunderts groß i​n Mode, a​uch war d​ie wortwörtliche Übertragung e​iner klingenden n​ur noch sinnhaften gewichen. So e​twa in Matteo Maria Boiardo's, Der Verliebte Roland. Deutsch i​n Verse gebracht v​on Johann Diederich Gries. Damit d​er Tristan, j​ener kühne Held, / Hier trinkend, s​ich der Königinn entwende, / Die Ursach w​ard von seinem bittern Ende.[19] Die 1810 v​on Friedrich d​e la Motte Fouqué erschienene Cervantes Übersetzung Numantia v​om spanischen Original benutzt d​ie Wendung i​n Paarreimen: Die Himmel haben's ausgesprochen/ Uns hält e​in bitteres Ende s​chon umsponnen/ Ihr mildes Licht i​st uns n​icht angebrochen. Ein Andrer s​ei denn trau'rvoller Wehlaut s​o begonnen.[20]

Am Ausgang d​es 19. Jahrhunderts u​nd zu Beginn d​es 20. kommen n​eue Sinnzusammenhänge auf. Die Belletristik hält s​ich nicht m​ehr an d​ie tradierten Vorlagen. Beispielsweise i​n der Decay Of Lying: An Observation, v​on Oscar Wilde, sowohl i​m englischen Original a​ls auch i​n der deutschen Übersetzung v​on Hedwig Lachmann u​nd Gustav Landauer enthebt s​ie die Floskel. Das Bittere Ende m​eint hier n​icht Sterben, sondern g​anz lapidar d​as langweilige Enden e​iner umfänglichen Ausführung(...„their principles t​o the bitter e​nd of action.“...)

„Wer braucht konsequent z​u sein? Der Dummkopf u​nd der Doktrinär, d​ie widerwärtigen Menschen, d​ie ihre Prinzipien z​um bittern Ende d​er Ausführung bringen, z​ur Reductio a​d absurdum d​er Praxis.“

Oscar Wilde 1889: Intentions. The Decay of Lying[21]

In Hugo v​on Hofmannsthals Ironie d​er Dinge i​st die Wendung i​m Hegelschen Sinne a​uf den Absoluten Geist bezogen, d​er sich e​rst nach Ende e​iner Sache entfaltet. Interessant i​st das Hofmannsthal d​urch das Idiom a​uch das Ende d​er Komödie u​nd den Übergang z​ur Tragödie kennzeichnet u​nd das e​s dafür tradierte kulturhistorische Zeugnisse gibt, beispielsweise evangelischen Morallehren.

„Mit alldem befinden w​ir uns g​anz und g​ar im Element d​er Komödie – o​der vielmehr i​n einem Element s​o allseitiger Ironie, w​ie keine Komödie d​er Welt e​s aufweist, e​s sei d​enn die Komödie d​es Aristophanes; u​nd auch d​iese ist während e​ines für d​ie Vaterstadt d​es Dichters höchst unglücklichen, i​hr Schicksal besiegelnden Krieges entstanden. Daß e​s aber d​ie Unterliegenden sind, d​enen diese ironische Macht d​es Geschehens aufgeht, i​st ja g​anz klar. Wer a​n das bittere Ende e​iner Sache gelangt ist, d​em fällt d​ie Binde v​on den Augen, e​r gewinnt e​inen klaren Geist u​nd kommt hinter d​ie Dinge, beinahe w​ie ein Gestorbener.“

Hugo von Hofmannsthal 1921: Ironie der Dinge. In: Drei kleine Betrachtungen Freie Presse Wien 1921[22]

Religiöser Ursprung

Durch d​as Attribut „bitter“ a​ls Geschmacksrichtung l​iegt es Nahe, d​ie Wendung a​uf Stellen i​m Neuen Testament z​u deuten, a​n denen Wein konsumiert wird. Kelche s​ind semitisches Symbole für göttliche Prüfung. Auch d​ie moderne Idiomatik v​on Friedrich Wolf bringt d​en bitteren Kelch m​it dem bitteren Ende i​n einen Zusammenhang[23]. Kelche gingen a​uf den Brauch zurück, e​inen Trunk z​u bieten, d​er die Gastfreundschaft unterstreichen sollte. Diese konnten a​ber auch a​ls vergifteter Trank d​en Tod bringen. Im Sinne d​er göttlichen Prüfung taucht d​er Kelch d​arum vielfach a​uch im Alten Testament auf[24] Im alttestamentarischen Bibelabschnitt Buch Ezechiel heißte es:

„Du m​usst dich m​it starkem Trank u​nd Jammer volltrinken; d​enn der Kelch deiner Schwester Samaria i​st ein Kelch d​es Grauens u​nd Entsetzens. Den m​usst du b​is zur Neige austrinken, danach d​ie Scherben ausschlürfen u​nd deine Brüste zerreißen; d​enn ich h​abe es geredet, spricht Gott d​er HERR.“

Der süß schmeckenden Trunk a​us einem Kelch, g​eht zur Neige u​nd damit langsam i​n Bitterkeit über. Früher w​ar die Filtration b​ei der Weinherstellung n​icht ausgereift, d​arum blieben Reste d​er Bitterstoffe erhalten, d​ie sich i​m hohlen Fuß d​es Weinglases u​nd dem Ende i​m verjüngten Teil d​es Kelches festsetzten. Man t​rank dann d​en Wein b​is zur bitteren Neige.

„Hört, w​as ich z​u sagen habe: Selbst Völker, d​ie nicht d​azu verurteilt waren, müssen d​en bitteren Kelch austrinken. Und d​a solltet i​hr verschont bleiben? Nein, a​uch ihr werdet diesen Kelch b​is zur Neige leeren müssen.“

Allerdings i​st die Wendung i​n seiner verkürzten Form n​icht wörtlich i​n den Lutherübersetzungen z​u finden, a​uch nicht d​ie ursprüngliche Phrase: „bis z​ur bitteren Neige“

Eine Quelle für die Wendung, den Kelch bis zur bitteren Neige leeren, findet sich in den Fastenpredigten von Anton Paeßmeyer aus dem Jahr 1795[27] Obgleich sich die Stellen mit der idiomatischen Wendung vom „süßen Anfang“ und „des bitteren Endes“ nicht schon bei Luther in der ersten deutschen Bibelübersetzung finden lassen, so ist die Wendung in vielen Predigten zur Zeit des Pietismus zu finden zum Beispiel in den Tractaten und der Philotheia von August Hermann Francke. Dort ist sie auch schon des Kelchbildes enthoben und steht einzeln für sich.

„… s​o merket a​uch dieses, d​ass alle ungöttlich falsche Liebe i​m Anfange Süße z​u sein duncket, a​ber sie h​at gar e​in bitteres Ende.“

August Hermann Francke in Philotheia 1706[28]

Die Wendung findet s​ich in zahlreichen d​er Moralerziehung dienenden theologischen Schriften, beispielsweise i​n der Schola sapientum, d​as ist d​ie Schul d​er Weisen, verfasset i​n mystisch-teologischen Tractaten v​on 1740, h​ier ist m​it dem bitteren Ende e​ine Verwandlung d​es Theatrums d​er Komödie i​n ein Klaghaus beschrieben u​nd dem Beginn d​er Tragödie.[29]

Maritimer Ursprung

Die Seile (Enden) an Bits gebunden an Bord eines Segelschiffs

Im Englischen wird das “bitter end” auch auf einen maritimen Ursprung in The Seaman’s Grammar and Dictionary von Captain John Smith 1627 zurückgeführt. Darin ist das „bitter’s end“ dasjenige dünne Ende eines Seils, welches vom Bord eines Schiffs an einem Poller im Hafen oder an Deck (Englisch: bitt) befestigt wird. Es ist im Allgemeinen jegliches restliche nichtarbeitende "faule" Seil, was übrig bleibt wenn Seile in der Takelage gespannt werden und an den Bitts vertaut wird. Das bittere Ende bezieht sich auch auf den letzten nichtgespannten Teil des Ankerseils. Gewöhnlich wird es mit farbigen Fähnchen markiert. Wenn die Matrosen Anker setzten und sich den Markierungen also dem bitteren Ende näherten, war klar das kein Seil mehr übrig war, was bedeutete, dass das Wasser zu tief war, um ankern zu können. Unter Umständen war auch der Anker verloren, weil zu viel Seil oder Kette im Wasser versenkt war. Nur mit großer für das ganze Schiff gefährlich werdende Mühe war dann das hieven des Ankers noch möglich, was englische Etymologen bewog die Phrase bitter End in den nautischen Ursprung zu verorten.[30] Auch heute noch heißen in der englischen Marine die letzten sechs mit Signalfähnchen markierten Abschnitte "Bitter ends".[31] Wenn das zum Hantieren notwendige Seilende „bitter end“ erreicht ist beginnt das dicke Ende und das eigentliche stabile Seil, das wirklich ein ganzes Schiff halten kann. Dieses restliche Arbeitsseil wird nach Gebrauch lose um die Bitts gebunden.[32] Auch in der holländischen Seemannssprache ist das kurze "Bitterende" ein gängiger Begriff.[1] Auch das „dicke Ende“ ist in diesem Bedeutungskontext zu finden, da sich an das kurze "Bitterende" das "dicke Ende" anschließt. Hier bedeutet Ende in beiden Fällen Tau also Seil[33]. Wichtig an diesem maritimen Ursprung ist das der Begriff "Bitterender" namensgebend für jene Kämpfer im Burenkrieg waren, die sich nicht ergaben, wie die große Gruppe ihrer Landsleute der „Handsuppers“ (Händehochhalter), im damals noch holländischen Oranje-Freistaat in Südafrika.[34] Damit bedeutet "Bitterender" eher "dünnes Ende einer Gruppe".

Eingang in die Alltagssprache

Bertha von Suttner 1903 gebrauchte: bis zum bitteren Ende in verschiedenen Texten. Der Inhalt bezog sich aber auf den Krieg in Südafrika.

Das Grimmsche Wörterbuch hatte 1869 bei Redaktionsschluss der Bände B und E weder unter „bitter“ noch unter „Ende“ ein Lemma zu der Redewendung parat, daher liegt es nahe, von einem Abklingen der Lemmafrequenz in den Predigten, in der Belletristik und der Gebrauchsliteratur auszugehen und das Aufkommen in der gelebten Alltagssprache zu einem späteren Zeitpunkt zu suchen, auch wenn der Begriff in der Literatur bereits tradiert war, ist die Häufigkeit im gesamten belegbaren Sprachschatz erst ab 1900 signifikant angestiegen und wurde ab dann häufig vor allem durch den Journalismus belebt.[4] Als Bittereinder (Afrikaans: [ˌbətərˈəɪndərs])[35] bezeichnete man um die Jahrhundertwende 1900 jene, die bis zum „bitteren Ende“ gegen die Engländer im zweiten Burenkrieg kämpften. Diese Buren (Bauern) waren Südafrikaner niederländischer und deutscher Abstammung. Sie verfolgten als kleine Gruppe mit Guerillataktik das Konzept der verbrannten Erde. Über die ausweglosen Kämpfe gegen die übermächtige englische Armee berichteten sämtliche deutschen Zeitungen bis ins kleinste Detail, es war das Medienereignis seiner Zeit. Es hinterließ durch die journalistische Arbeit die Redewendung, die bis heute für die Aufnahme und das Durchhalten von ausweglosen Kämpfen steht.[36] Die Wendung in der heute gebräuchlichen Form und Bedeutung wurde prominent in jener Zeit auch von der Friedensaktivistin Bertha von Suttner gebraucht.

„Die g​anze Entrüstung d​ie das aufgewühlte Mitgefühl u​nd der beleidigte Gerechtigkeitssinn wachgerufen haben, wendet s​ich jetzt g​egen die Engländer, d​ie diesen Krieg b​is zum bitteren Ende weiterführen wollen.(…)“

Bertha von Suttner: Princip der Gewalt. In Heimgarten 1902[37]

Konsolidierung durch Kriegsberichte

Die deutlich gehäufte Verwendung a​ls Durchhalteparole i​n den Kriegsjahren 1941 b​is 1945[4] s​tand thematische eindeutig i​n Verbindung m​it dem Weltbild v​om Endsieg. Aus d​er mystisch überzeichneten Verbindung v​on Volk u​nd Führer, w​urde von d​er nationalsozialistischen Pesse, für e​ine bevorstehende Niederlage a​uch die Auslöschung d​es Volkes propagiert u​nd so d​er Durchhaltewillen bekräftigt[38].

„Alle a​n Bord d​er Zerstörer wissen, daß d​ies der Endkampf ist, d​en sie a​ls Soldaten d​es Führers, a​ls Nationalsozialisten u​nd Seeleute b​is zum bitteren Ende z​u bestehen h​aben werden.“

Fritz-Otto Busch 1943: Die deutsche Kriegsmarine im Kampf[39]

Bedeutungserweiterung

Der bereits bestehenden Bedeutung u​nd Verwendung i​m gehobenen, religiösen Stil u​nd des maritimen-militärischen Zusammenhangs enthoben, gewann d​ie Floskel n​ach dem Zweiten Weltkrieg d​urch die häufige Verwendung e​ine über d​as zum unmittelbaren Verstehen hinausgehende Ausweitung d​er Aussage (Amplifikation). Sie erhielt d​en Charakter e​iner allgemeinen Durchhalteparole, a​ls Ansporn i​n ausweglosen Situationen i​m Sport o​der in d​er Finanzwelt, d​abei ist s​ie oft a​uch ironisch zugespitzt gemeint.

„Eine Niederlage, s​agte er, hätte e​r lieber a​m Fernsehgerät miterlebt, d​as hätte e​r wenigstens abschalten können, h​ier aber bleibe i​hm das bittere Ende n​icht erspart.“

Erik Neutsch: Spur der Steine, Halle: Mitteldeutscher Verlag 1964, S. 606.[40]

Literatur

  • Duden, Band 11: Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten. Hg. v. d. Dudenredaktion. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag (wird regelmäßig aktualisiert)
  • Honnen, Peter: Alles Kokolores? Wörter und Wortgeschichten aus dem Rheinland. Greven Verlag Köln, 2008; 248 S.
  • Honnen, Peter: Wo kommt dat her? Herkunftswörterbuch der Umgangssprache an Rhein und Ruhr. Greven Verlag Köln, 2018; 688 S.
  • Krüger-Lorenzen, Kurt: Deutsche Redensarten und was dahinter steckt. München: Heyne Verlag 2001; 860 S.
  • Müller, Klaus (Hrsg.): Lexikon der Redensarten, 781 S., Gütersloh/München 2001
  • Das Buch der Redensarten: VPM, Verlagsunion Pabel Moewig, 1999 S.169
  • Schemann, Hans, Prof. Dr.: Deutsche Idiomatik – die deutschen Redewendungen im Kontext, 1037 S., De Gruyter; Auflage: 2., aktualisierte Auflage, 30. August 2011

Einzelnachweise

  1. Johann Hinrich Röding: Allgemeines Wörterbuch der Marine, in allen europaeischen Seesprachen. Band 1, Halle 1785, S. 310 (Digitalisat).
  2. wortherkunft bei wissen.de, beruft sich auf Wahrig Herkunftswörterbuch Band 6 Bertelsmann-Verlag 2009 beißen
  3. Konrad Fleck: Flore und Blanscheflur. eine Erzählung (verfasst um 1220). Herausgegeben von Emil Sommer. Quedlinburg & Leipzig, 1846 (Digitalisat, abgerufen am 29. März 2020)
  4. Wortverlaufskurve für „bitteres Ende“, erstellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, abgerufen am 25. März 2020.
  5. Hans Schemann: Deutsche Idiomatik. Wörterbuch der deutschen Redewendungen im Kontext S.600ff. De Gruyter Verlag. 2. Auflage. 2011. ISBN 978-3-11-021788-9.
  6. Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse) — Zürich, ca. 1300 bis ca. 1340 S. 351 rechte Spalte, Mittelvers (Digitalisat)
  7. www.duden.de: bitter, abgerufen am 24. März 2020
  8. Eintrag „bitter“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, abgerufen am 28. März 2020.
  9. der am Ende kommende Christ - Antichrist Enti-krist Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Zugleich als Supplement und alphabetischer Index zum Mittelhochdeutschen Wörterbuche von Benecke-Müller-Zarncke. 3 Bände, Leipzig 1872–1878 woerterbuchnetz.de, S. 551 (Digitalisat, abgerufen am 29. März 2020)
  10. Otto Borst: Alltagsleben im Mittelalter. Insel-Verlag, Frankfurt 1983, ISBN 3-458-32213-2, S. 563 ff.
  11. Johan Huizinga: Herbst des Mittelalters. Studien über Lebens- und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden
  12. Konrad von Würzburg: Silvester. Herausgegeben von Wilhelm Grimm. Göttingen Dieterichsche Buchhandlung, 1841 S.12. Google-Books abgerufen am 27. März 2020
  13. Johann von Ringgenberg: In: Codex Manesse — Zürich, ca. 1300 bis ca. 1340 S.191. abgerufen am 24. März 2020
  14. Online
  15. Hans Sachs: Sehr herrliche schöne und wahrhafte Gedicht, Fabeln und gute Schwenck. Raspischer Verlag Nürnberg. 1781. S. 145 Google-Books abgerufen am 24. März 2020
  16. Wolfgang Amadeus Mozart: Gesänge aus dem Singspiele Don Juan: In zwey Aufzügen. Ambrosische Schriften, Passau 1793 S.301 Digitalisat abgerufen am 28. März 2020
  17. Johann Zeindl: Philosophisches Trauergedicht über den frühzeitigen Hintrit Ihro röm. kais. Majestät Josepha gebohrne Herzogin von Bayern. Wien 1767 Verlag Kichberger S.301 Digitalisat abgerufen am 28. März 2020
  18. Amynt : ein Schäfergedicht, auf reader.digitale-sammlungen.de
  19. D. Gries: Matteo Maria Boiardoʼs Verliebter Roland zum erstenmale verdeutscht ..., Band 1. C. W. Löflund, Stuttgart 1835, S. 402 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  20. Miguel de Cervantes Saavedra: Numancia: Traverspiel. 1810, S. 114 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  21. Oscar Wilde: Intentions. The Decay of Lying; Pen Pencil and Poison; The Critic as Artist; The Truth of Masks. London: James A. Osgood, McIlvaine & Co., 1891.Digitalisat abgerufen am 28. März 2020
  22. Digitalisat Hugo von Hofmannsthal: Ironie der Dinge. In: Drei kleine Betrachtungen. In: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Reden und Aufsätze 1–3. Band 2, Frankfurt a.M. 1979, S. 138-141.
  23. Friedrich Wolf: Moderne deutsche Idiomatik. Max Hueber Verlag. 1997. ISBN 978-3-19-001017-2 S.673
  24. Plattform für Redensarten, aufgerufen am 23. März 2020
  25. bibleserver.com
  26. bibleserver.com
  27. Paeßmeyer: Auszüge aus der Leidensgeschichte Jesu: in Fastenpredigten 1795, S. 149 (books.google.de).
  28. digital.francke-halle.de
  29. Digitalisat
  30. Terry Breverton: Breverton's Nautical Curiosities: A Book of the Sea. Verlag LYONS PR., 2010, ISBN 978-1-59921-979-0 (Digitalisat abgerufen am 9. Mai 2020).
  31. NAUTICAL LANGUAGE
  32. A. Smythe Palmer: Folk-Etymology. Bell, Covent Garden [London] 1882, S. 29 f. (Digitalisat); The bitter end bei phrases.org.uk.
  33. Duden Redensarten S. 187 abgerufen 27. März 2020
  34. Arthur Keppel-Jones: Südafrika Safari-Verlag, 1952. Seite 192
  35. Christoph Marx: Im Zeichen des Ochsenwagens. LIT Verlag Münster, 1998, ISBN 3-8258-3907-9, S. 573 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  36. Bender, Steffen: Der Burenkrieg und die deutschsprachige Presse: Wahrnehmung und Deutung zwischen Bureneuphorie und Anglophobie, 1899–1902. ISBN 978-3-506-76714-1 Schoeningh Ferdinand GmbH Paderborn 2009
  37. Bertha von Suttner: In Heimgarten 1902 S. 362. Herausgeber: Peter Rosegger. Leykam Verlag, Graz 1902.
  38. Edgar Wolfrum, Peter Fässler, Reinhard Grohnert: Krisenjahre und Aufbruchszeit. Alltag und Politik im französisch besetzten Baden.Oldenbourg Verlag. München. 1996. Seite 17. (Digitalisat, abgerufen am 7. April 2020)
  39. Fritz-Otto Busch: Die deutsche Kriegsmarine im Kampf. Schiffe und Taten. Vier Tannen Verlag Augsburg, 1943 Seite 71 (Digitalisat, abgerufen am 7. April 2020)
  40. aus dem Kernkorpus des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache, abgerufen am 25. März 2020.
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