Bergschöffenstuhl
Der Bergschöffenstuhl,[1] auch Bergschöppenstuhl[2] oder einfach nur Schöppenstuhl genannt,[3] war ein vom Landesherrn eingesetztes Direktorium,[ANM 1] das in streitigen Bergsachen Recht sprach.[4] Der älteste Bergschöffenstuhl war der Bergschöppenstuhl zu Iglau.[3] Außerdem gab es auch Bergschöffenstühle in Böhmen, zu Schönfeld, in Joachimsthal und in Clausthal.[2] In Kursachsen zu Freyberg existierte ebenfalls ein Bergschöffenstuhl, der mit dem Rathsstuhl der Stadt vereinigt war.[4] Die Erkenntnisse der Schöffenstühle nahmen des Öfteren Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Bergrechts.[1]
Grundlagen und Geschichte
Seit dem 7. Jahrhundert wurde der Bergbau anhand von mündlichen Überlieferungen mit gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen von den Bergbautreibenden praktiziert.[5] Hieraus entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte die Berggebräuche.[1] Diese bildeten sich nach und nach zur Norm aus und wurden bis ins 13. Jahrhundert so praktiziert.[6] Allerdings wurde dieses Gewohnheitsrecht von den Grundbesitzern nicht immer anerkannt, sodass es häufig zu Streitigkeiten zwischen den privaten Grundbesitzern und dem Landesherrn kam.[7] Oftmals waren die zivilen Richter mit den Gepflogenheiten im Bergbau und dem Bergbau im Allgemeinen nur wenig vertraut.[8] Bereits vor dem 12. Jahrhundert wurde in Iglau der erste Bergschöffenstuhl ins Amt gesetzt.[3] In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurden die ersten Bergordnungen in Kraft[ANM 2] gesetzt.[1] Um nun die Grundsätze der Berggesetzgebung ins praktische Leben zu übertragen, wurden nach und nach in verschiedenen Bergrevieren weitere Bergschöffenstühle eingerichtet.[6] Diese Gremien konnten nun in strittigen Rechtssachen, die den Bergbau betrafen, zwecks Belehrung befragt werden.[9]
Zusammensetzung und Wirkungsweise
Die Bergschöffenstühle der jeweiligen Regionen waren personell unterschiedlich besetzt.[3] So bestand beispielsweise der Bergschöffenstuhl zu Freiberg aus zwei Bürgermeistern, mehreren Senatoren und verschiedenen Bergbausachverständigen.[9] Diese Sachverständigen waren zum Teil Bergleute von der Feder,[ANM 3] zum Teil Bergleute vom Leder[ANM 4] und zum Teil Juristen.[3] Seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts gab es in Freiberg ein jährlich wechselndes Schöffenkollegium.[8] Kam es zu Streitigkeiten, die auch das Bergrecht tangierten, gab es verschiedene Möglichkeiten, zu einer Einigung zu kommen.[10] Die Streitfälle wurden, genauso wie auch andere Streitfälle im offenen Gericht, durch schiedsrichterliche Sprüche oder durch Zivilprozesse entschieden.[11] Wenn das Urteil des Richters von beiden streitenden Parteien anerkannt wurde, konnte so verfahren werden und das Urteil wurde rechtskräftig.[8] Anderseits konnte der Richter die Rechtsstreitigkeit an andere Rechtskollegien überweisen oder, wenn der Streitgegenstand nur das Bergrecht berührte, wurde der Fall an den Bergschöffenstuhl weitergeleitet.[10] Problematisch wurde es, wenn es um Verleihungen oder Verschenkungen von Bergwerkseigentum mit edlen Metallen ging.[11] Hier musste oftmals der Bergschöffenstuhl einen Rechtsspruch fällen.[8]
Kompetenzen und Dokumentation
Die Kompetenzen der Bergschöffenstühle erstreckten sich in der Regel nur auf den jeweiligen Zuständigkeitsbereich.[3] Der Bergschöffenstuhl von Freiberg war beispielsweise für sämtliche Bergsachen ganz Chursachsens zuständig.[8] Auch war es nicht zulässig, Akten an andere Bergschöffenstühle weiterzuleiten.[9] Diese Vorgehensweise führte dazu, dass in einem Jahrhundert nur sechs bis acht Urteile von außer Landes befindlichen Schöffenstühlen eingeholt wurden.[3] Allerdings konnte hier auf Ersuchen der Streitparteien eine Ausnahme gemacht werden.[10] So wurden oftmals die Akten der Bergämter aus Sachsen in zweiter Instanz an die Bergschöffenstühle nach Clausthal oder Joachimsthal geschickt.[3] Mehrere hundert der Urteile und Sprüche der Bergschöffenstühle wurden teilweise handschriftlich niedergeschrieben und als Sammlung mit dem Titel Urteile und Rechtserkenntnisse von Bergschöffenstühlen archiviert.[12]
Einzelnachweise
- R. Willecke, G. Turner: Grundriß des Bergrechts. 2. neubearbeitete und erweiterte Auflage, Springer-Verlag Berlin-Heidelberg-New York, Berlin 1970, S. 13–15.
- Johann Christoph Stößel (Hrsg.): Bergmännisches Wörterbuch, darinnen die deutschen Benennungen und Redensarten erkläret und zugleich die in Schriftstellern befindlichen lateinischen und französischen angezeiget werden. Chemnitz 1778.
- Swen Rinmann: Allgemeines Bergwerkslexikon. Nach dem schwedischen Original bearbeitet und nach den neuesten Entdeckungen vermehrt von einer Gesellschaft deutscher Gelehrter und Mineralogen. Erster Theil, Fr. Chr. W. Vogel, Leipzig 1808.
- Carl Friedrich Richter: Neuestes Berg- und Hütten-Lexikon. Oder alphabetische Erklärung aller bei dem Berg- und Hüttenwesen vorkommenden Arbeiten, Werkzeuge und Kunstwörter; Aus dem vorzüglichen mineralogischen und hüttenmännischen Schriften gesammelt und aufgestellt, Erster Band, A - L, in der Kleefeldschen Buchhandlung, Leipzig 1805.
- Kerstin Theil: Die Rechtsnachfolge in Bergbauberechtigungen und Betriebsplanzulassungen nach dem Bundesberggesetz. Zugleich eine exemplarische Untersuchung der Rechtsnachfolge in umweltrechtliche Anlagen- und Produktzulassungen. Göttinger Schriften zum öffentlichen Recht, Band 14, Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2019, ISBN 978-3-86395-404-8, S. 97.
- Carl Zerrenner: Lehrbuch des deutschen Bergrechts. Erste Abtheilung. Verlag von W. Opetz, Gotha 1862, S. 13–19.
- C. J. B. Karsten: Ueber den Ursprung des Berg-Regals in Deutschland. Vorgelesen in den Sitzungen der K. Akademie am 28. März und 18. April 1844. Druck und Verlag von G. Reimer, Berlin 1844, S. 15, 16, 19, 21, 22.
- Hubert Ermisch: Das sächsische Bergrecht des Mittelalters. Mit einer Tafel, Giesecke & Devtrient, Leipzig 1887, S. LXXIII, XLI–XLV, XLXXV, CLXII.
- Johann Samuel Schröter: Mineralisches und Bergmännisches Wörterbuch über Rahmen, Worte und Sachen aus der Mineralogie und Bergwerkskunde. Erster Band, von A bis Berg, bei Barrentrapp und Wenner, Frankfurt am Main 1789.
- Alexander Wilhelm Köhler: Versuch einer Anleitung zu den Rechten und der Verfassung bey dem Bergbaue in Chursachsen und dazu gehörigen Landen. Zur Grundlage bey Vorlesungen, bey Carl Graz, Freyberg 1786, S. 26, 281–284.
- Kaspar Sternberg: Umrisse der Geschichte des Bergbaues und der Berggesetzgebung des Königreichs Böhmen. Zweiter Band, Druck und Papier von Gottlieb Haase Söhne, Prag 1838, S. 1, 2, 4, 7, 9, 11, 16.
- Herbert Kaden: Der Altbestand "Bergordnungen und Bergrechtsvorschriften" der Bibliothek des Sächsischen Bergarchivs Freiberg - Quelle zur Erforschung der Geschichte sächsischer Behörden im 16. und 17. Jahrhundert. In: Geologische Bundesanstalt. Berichte der Geologischen Bundesanstalt, Band 35, Wien 1996, ISSN 1017-880, S. 200, 201.
Anmerkungen
- Eine andere Bezeichnung für dieses Gremium war Dikasterium. (Quelle: Johann Samuel Schröter: Mineralisches und Bergmännisches Wörterbuch über Rahmen, Worte und Sachen aus der Mineralogie und Bergwerkskunde.)
- Die erste Bergordnung war der Vertrag von Trient von 1208, gefolgt von der Iglauer Bergordnung aus dem Jahr 1249. (Quelle:R. Willecke, G. Turner: Grundriß des Bergrechts.)
- Als Bergmann von der Feder oder Bergmann nach der Feder bezeichnet man einen nur theoretisch ausgebildeten Bergmann. Diese hatten sich ihr Wissen über den Bergbau nur aus Büchern angeeignet. Zu ihnen zählten die schriftlich tätigen Bergbeamten wie der Zehntner, der Bergschreiber, der Berggegenschreiber (Quelle: Heinrich Veith: Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen.)
- Als Bergmann vom Leder oder Bergmann nach dem Leder bezeichnet man einen praktisch ausgebildeten Bergmann. Zu ihnen zählten auch die praktisch tätigen Bergbeamten wie der Bergmeister, der Steiger und die Reviergeschworenen. (Quelle: Heinrich Veith: Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen.)