Beihilfe (Dienstrecht)
Die Beihilfe ist eine finanzielle Unterstützung in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und Todesfällen für deutsche Beamte, Soldaten und Richter, deren Kinder sowie deren Ehepartner, soweit letztere bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten.
Rechtliche Grundlagen
Es gibt in Deutschland ein Beihilferecht für Beamte, Soldaten, Richter, Personen in öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnissen und sonstige gleich gestellte Personen, deren Kinder sowie deren Ehepartner, soweit letztere bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten.
Zuständig für die Gesetzgebung sind nach allgemeinen Grundsätzen Bund und Länder für die jeweiligen Dienstverhältnisse. Das galt auch schon vor der sogenannten Föderalismusreform 2006, weil das Beihilferecht nicht Bestandteil des Besoldungsrechts ist, für das der Bund vormals gemäß § 74a GG a. F. noch die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit besaß.
Die Beamtengesetze des Bundes[1] und der Länder enthalten Ermächtigungen zum Erlass entsprechender Rechtsverordnungen (siehe unten Rechtsquellen und Texte). Die früheren Beihilfevorschriften genügten als bloße Verwaltungsvorschriften nach der Wesentlichkeitstheorie nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehalts.[2]
In den Beihilfeverordnungen wird der Leistungsumfang festgelegt und bestimmt, welche medizinischen Leistungen, Hilfsmittel und dergleichen „beihilfefähig“ sind. Grundsätzlich trifft dies nur auf medizinisch Notwendiges zu. Beihilfe wird auf Antrag gewährt von dem jeweiligen Dienstherrn prozentual nach Vorlage der (vom Beihilfeberechtigten zu bezahlenden) Rechnungen für gesundheitsbezogene Ausgaben und in den Ländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Thüringen wahlweise pauschal als Zuschuss zum Beitrag der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für freiwillig Versicherte oder einer privaten Krankenversicherung. Für Baden-Württemberg[3] und Mecklenburg-Vorpommern[4] ist die Einführung der sogenannten Pauschalen Beihilfe 2021 in den Koalitionsverträgen vereinbart worden. Ähnlich 2019 in Sachsen, aber noch nicht erfolgt (Stand 2021).[5] Letzteres entspricht dem Arbeitgeberanteil bei pflichtversicherten oder dem Beitragszuschuss bei freiwillig in der GKV oder privat krankenversicherten Arbeitnehmern. Der 1979 im Land Bremen eingeführte Beitragszuschuss zu Krankenversicherungsbeiträgen verletzte nach damaliger Rechtslage die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, weil es sich materiell nicht um eine Regelung des Beihilferechts, sondern um eine Besoldungsregelung handelte.[6]
Wer nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge hat, ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherungsfrei in der GKV; der Wegfall derartiger Ansprüche führt als solcher weder zu einer Versicherungspflicht noch - berechtigung in der GKV.
Der Beihilfeanspruch entfällt im Regelfall mit dem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis, soweit nicht ausnahmsweise noch Leistungen wie z. B. Unterhaltsbeiträge gewährt werden. Kein Beihilfeanspruch folgt aus dem Altersgeld, das frühere Beamte nach dem Versorgungsrecht einiger Dienstherren beanspruchen können. Für Ehepartner entfällt der Beihilfeanspruch mit der Rechtskraft der Scheidung; auch wenn dem geschiedenen Ehepartner durch Versorgungsausgleich im Wege der internen Teilung nach § 10 Versorgungsausgleichsgesetz (bis jetzt nur beim Bund) ein Anrecht gegenüber dem Dienstherrn übertragen wird.
Kommunen und öffentliche Arbeitgeber können oder müssen sich gegen die finanziellen Belastungen aus der Leistung von Beihilfe ggf. nach Landesrecht[7] durch eine freiwillige oder verpflichtende Mitgliedschaft in einer Beihilfekasse (auch: Versorgungsausgleichskasse) rückversichern.
Reformüberlegungen
Das gegenwärtige System der Beihilfegewährung gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, weshalb keine verfassungsrechtliche Verpflichtung besteht, Leistungen gerade in Form von Beihilfen zu gewähren.[8] Die Alimentation muss nur ausreichend bemessen werden, um Krankheitskosten u. ä. abzudecken.
Teilweise wird die Einbeziehung der Beamten in die GKV gefordert, wie sie mit der Bürgerversicherung verbunden wäre, die bisher nicht eingeführt wurde. Dafür werden unterschiedliche Argumente angeführt wie die Kostenbelastung der Dienstherren, die Risikoselektion zu Lasten der GKV oder Gleichbehandlungsforderungen bezüglich des Leistungsumfangs. Unter diesen Gesichtspunkten werden auch Änderungen des Beihilferechts der Länder erörtert.[9][10] Umstritten ist, ob der Bund über seine Zuständigkeit für das Sozialversicherungsrecht die Landesbeamten auch insoweit in die GKV einbeziehen könnte als sie Beihilfeleistungen erhalten oder nur das jeweilige Land kraft seiner beamtenrechtlichen Zuständigkeit für die Beihilfe.[11]
Leistungsumfang
Grundlage der Beihilfegewährung für Arztkosten sind die Kosten nach den Gebührenordnungen für die privatärztliche Behandlung (GOÄ und GOZ), wenn die Leistung grundsätzlich beihilfefähig ist. In der stationären Heilbehandlung sind Wahlleistungen (Chefarztbehandlung oder Zweibettzimmerzuschlag) überwiegend nicht mehr oder nur noch bei Eigenbeteiligung oder gegen einen monatlichen Zusatzbeitrag berücksichtigungsfähig. In der Zahnmedizin gibt es teilweise erhebliche Unterschiede zwischen den Erstattungen der Beihilfe und denen der Krankenkassen, so sind in der Regel professionelle Zahnreinigungen beihilfefähig und für kieferorthopädische Behandlungen minderjähriger Patienten sind nicht die kieferorthopädischen Indikationsgruppen der GKV maßgeblich.[12] Für bestimmte Aufwendungen, z. B. für Arzneimittel, mindert sich die Berechnungsgrundlage um Eigenbehalte.[13]
Für Beamte wird mindestens die Hälfte der beihilfefähigen Aufwendungen übernommen, für Ruhestandsbeamte, Ehegatten oder Lebenspartner 70 Prozent. Für Ehegatten und Lebenspartner jedoch nur, wenn deren Gesamtbetrag der Einkünfte eine bestimmte Grenze (z. B. 20.000 Euro im vorvergangenen Kalenderjahr[14]) nicht übersteigt. Den verbleibenden Teil der Krankheitskosten decken die Beihilfeberechtigten in der Regel durch eine private Kranken- und Pflegeversicherung (ggf. mit Beihilfeergänzungstarifen) ab.
In einigen Ländern wird von der zustehenden Beihilfe eine Kostendämpfungspauschale abgezogen, deren Höhe sich nach der Besoldungsgruppe richtet, z. B. in Nordrhein-Westfalen 150 bis 750 Euro jährlich.[15] Die Kürzung kann nicht durch eine Versicherung ausgeglichen werden, was weder gegen die Alimentations- noch die Fürsorgepflicht verstößt, weil diese nicht verlangen, dass Aufwendungen im Krankheitsfall durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfeleistungen lückenlos gedeckt werden.[16]
Sofern der Beamte sich freiwillig gesetzlich krankenversichert, was die Versicherungsberechtigung im Einzelfall voraussetzt, werden Beihilfen im Regelfall nur gewährt, wenn die Sachleistungen der GKV nicht beansprucht, sondern Kostenerstattung nach § 13 SGB V gewählt wird.[17] Der Beitrag zur GKV ist vom Beamten allein zu tragen, wenn der Dienstherr nicht die Möglichkeit eröffnet, auf unwiderruflichen Antrag des Beamten den hälftigen Beitrag als pauschale Beihilfe zu erstatten. Ob die Entscheidung für den Krankenversicherungszuschuss für den Beamten finanziell vorteilhaft ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere der Höhe der Besoldung, der Zahl der in der GKV beitragsfrei Mitversicherten und der Beitragshöhe einer privaten Krankenversicherung, die von Eintrittsalter und Vorerkrankungen beeinflusst wird.
In manchen Bundesländern wird einigen Beamtengruppen (z. B. Polizeivollzugsbeamten) statt der Beihilfe Freie Heilfürsorge gewährt, ebenso den Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei nach § 80 BBesG. Soldaten erhalten unentgeltliche truppenärztliche Versorgung, ihre Familienangehörigen sowie Berufssoldaten im Ruhestand und deren Familienangehörige sind beihilfeberechtigt. Um als „Rückkehrer“ in die Private Krankenversicherung für diesen Personenkreis nach Dienstzeitende die regelmäßigen Nachteile zu vermeiden, ist eine Anwartschaftsversicherung von Bedeutung. Damit werden wegen des höheren Eintrittsalters höhere Beiträge und eine erneute Gesundheitsprüfung vermieden. Durch die Anwartschaftsversicherung können für die Rückkehrer mögliche Risikozuschläge, Leistungsausschlüsse, Wartezeiten oder Antragsablehnungen entfallen.[18]
Beihilfeberechtigung für Kinder
Für Kinder werden regelmäßig 80 Prozent der beihilfefähigen Aufwendungen erstattet. Der Beihilfeanspruch für Kinder setzt voraus, dass sie beim Familienzuschlag berücksichtigungsfähig sind, wofür es auf die Kindergeldberechtigung ankommt. Sie endet grundsätzlich mit Vollendung des 18., bei Kindern in Schul- oder Berufsausbildung spätestens mit Vollendung des 25. Lebensjahrs.
Studenten, die als solche versicherungspflichtig sind, können sich, im Hinblick auf den Beihilfeanspruch eines Elternteils, von der Pflichtmitgliedschaft in der GKV befreien lassen. Der Antrag ist nur zu Studienbeginn zulässig und unwiderruflich. Entfällt später die Beihilfeberechtigung – sei es, weil das Studium unterbrochen wird, das Studium über dem 25. Geburtstag hinaus andauert oder zum Beispiel ein Promotionsstudium nach abgeschlossenem Studium mit einem Stipendium ohne die Aufnahme einer Beschäftigung finanziert wird[19] – und entsteht keine Versicherungspflicht oder -berechtigung in der GKV nach allgemeinen Regeln, besteht nur die Möglichkeit, sich privat zu versichern. Studenten, bei denen die vorrangige Familienversicherung in der GKV entfällt, werden hingegen anschließend als Studenten versicherungspflichtig (längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahrs) und können sich zum Beispiel bei der Aufnahme eines Promotionsstudiums freiwillig versichern.
Statistik
Zum Stichtag 30. Juni 2015 waren insgesamt 133.720 Beamte und 190.260 Versorgungsempfänger einschließlich der Personen, für die nach dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen das Beihilferecht des Bundes anwendbar ist, damit insgesamt 323.980 im unmittelbaren Bundesbereich vorhanden. Die Beihilfeausgaben des Bundes betrugen im Jahr 2015 für Empfänger von Dienst-, Anwärter oder Amtsbezügen ca. 339 Mio. Euro und für Ruhegehaltsempfänger ca. 1,13 Mrd. Euro, damit insgesamt ca. 1,47 Mrd. Euro. Daraus ergeben sich bezogen auf das Jahr 2015 rechnerisch Beihilfeausgaben pro Kopf für Empfänger von Dienst-, Anwärter oder Amtsbezügen in Höhe von 2.534 Euro und für Ruhegehaltsempfänger in Höhe von 5.940 Euro.[20] Verwaltungskosten sind in diesen Zahlen nicht enthalten.
Im Jahr 2017 waren knapp die Hälfte der Mitglieder der privaten Krankenversicherung beihilfeberechtigt.[21]
Siehe auch
Rechtsquellen und Texte (Weblinks)
Bundesrecht (Deutschland)
- Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung)
- Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung (BBhVVwV)
- Daniel Liebig (Verantwortlicher der Webseite): Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV) (auf buzer.de in der jeweils geltenden Fassung und Synopse aller Änderungen seit Inkrafttreten)
- Bundesverwaltungsamt: Information über die Tragweite krankenversicherungsrechtlicher Grundsatzentscheidungen. Abgerufen am 26. September 2020.
Freistaat Bayern
Hamburg
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Einzelnachweise
- § 80 Abs. 6 BBG
- Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02
- Jetzt für morgen Der Erneuerungsvertrag für Baden-Württemberg S. 19
- Vereinbarung ... über die Bildung einer Koalitionsregierung für die 8. Legislaturperiode des Landtags Mecklenburg-Vorpommern, S. 11
- "Beamte des Freistaates Sachsen erhalten die Möglichkeit, sich ohne Nachteile gesetzlich krankenzuversichern." Koalitionsvertrag 2019 bis 2024, S. 63.
- Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 1987 - 2 N 1/86 – BVerwGE 77, 345
- z. B. Gesetz über die Versorgungsausgleichskasse der Kommunalverbände in Schleswig-Holstein
- BVerfGE 58, 68 <77 f.>; 79, 223 <235>; 83, 89 <98>; 106, 225 <232>
- Jendrik Scholz: Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten in die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV): Gibt es Wege in Richtung Bürgerversicherung in der Landespolitik? Soziale Sicherheit. Zeitschrift für Arbeit und Soziales 2018, S. 103–111
- Florian Staeck: Beamte und GKV – Hamburgs Reform prägt ÄrzteZeitung online, 13. August 2018
- Vgl. zum Meinungsstand: Bieback, Sozial- und verfassungsrechtliche Aspekte der Bürgerversicherung, 2. Auflage 2014, S. 93 f.
- Merkblatt zahnärztliche Leistungen (PDF) Bundesverwaltungsamt. 2018. Abgerufen am 17. Januar 2019.
- vgl. z. B. § 49 BBhV
- Bund (2021): § 6 Absatz 2 Satz 2 BBhV
- § 12a Beihilfenverordnung NRW (BVO NRW)
- Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2008 - 2 C 49.07
- § 8 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1, Satz 2 BBhV
- Erläuterung von Anwartschaftsversicherungen
- Krankenversicherung und Promotion. In: studentische-versicherungen.de. Abgerufen am 26. September 2020.
- Beihilfe und gesetzliche Krankenversicherung Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 18/11738 vom 29. März 2017
- Zahlenbericht der Privaten Krankenversicherung 2017 S. 26