Bar Trio
Bar-Trio hieß schlicht[1] eine deutsche Jazz-Formation der 1930er und 1940er Jahre.
Geschichte
Inspiriert von amerikanischen Swing-Trios[2] taten sich Anfang der 1930er Jahre der Akkordeonspieler Kubi Kretschma,[3] der Gitarrist Hans Belle und der Pianist Bert Waldemar[4] unter dem unspektakulären, aber funktionalen Namen „Bar-Trio“ zusammen, um dieses Klangbild nachzuspielen. Damit hatten sie einen überraschenden Erfolg beim Publikum.
Zwischen 1938 und 1943 nahm das Bar-Trio bei der „Grammophon“ eine ganze Reihe von Schallplatten auf, was ihnen trotz amerikanischer Titel, unter denen populäre Jazz Standards wie der Tiger Rag von Nick LaRocca, Shelton Brooks' Some of These Days oder die Duke Ellington-Kompositionen Caravan, Mood Indigo und Solitude waren, auch gelang – ohne erkennbare Zugeständnisse an die musikalischen Vorgaben der NS-Reichsmusikkammer; allerdings wurden Titel abgeändert, so machten sie aus W. C. Handys „Saint Louis Blues“ die treu-deutsch tönenden „St. Louis Klänge“ und aus „Sweet Sue, Just You“ ein „Ob Du glücklich bist“.[5] Genau so swingend spielten sie aber auch deutsche Schlager von Komponisten wie Werner Bochmann, Peter Kreuder, Adolf Steimel, Gerald Plato und Michael Jary ein. Vereinzelt nahmen sie auch Titel mit Gesang auf, bei denen Pianist Bert Waldemar als Flüstersänger fungierte; in einer Aufnahme singt eine ansonsten unbekannt gebliebene Lisa Loy ein Lied von Kurt Basl.
Nach dem Krieg fanden sie in einer anderen Besetzung[6] wieder zusammen und musizierten gemeinsam im Rundfunk,[7] machten allerdings keine Plattenaufnahmen mehr.[8] Kretschma und Belle, die sich beide in München niedergelassen hatten, gaben die Musik zugunsten bürgerlicher Berufe auf. Kretschma betrieb einen Modesalon, über das Schicksal von Waldemar, Basl und Tilling ist bis dato (2019) nicht Näheres bekannt.[9]
Musik
„Der lockere Swing basiert größtenteils auf der rhythmischen Arbeit der Gitarre, das Akkordeon setzt einzelne Akzente, übernimmt die Akkord- und Melodiearbeit, unterstützt vom Klavier oder der Celesta. Die Unbeschwertheit und Leichtigkeit, mit der das Bar-Trio spielt, läßt heutige Hörer kaum ahnen, wie komplex manche Arrangements doch gestaltet sind.“[10] Der deutsche Jazzhistoriker Horst H. Lange attestierte dem Bar-Trio 1966 in seinem Buch “Jazz in Deutschland”, „passable Swing-Musik mit Hot-Akkordeon“ zu spielen: „Sie waren darin genau so gut wie ausländische Gruppen in gleicher oder ähnlicher Zusammensetzung“.[11]
Nachwirken
Spielweise und Besetzung des Bar-Trios hatten auch in der Nachkriegszeit noch zahlreiche Anhänger und ließen es zum Vorbild für mehrere neue Jazz-Trios[12] werden, wobei jedoch das Klavier durch den transportableren Kontrabass verdrängt wurde.[13]
Deren vielleicht populärstes wurden, neben dem Lucas-Trio um den Akkordeonisten und nachmaligen Chorleiter Botho Lucas, das regelmäßig im RIAS gastierte, „Die drei Travellers“ in Berlin, die von 1946 bis in die 1970er Jahre auftraten und bei Odeon Aufnahmen einspielten. Sie machten obendrein auch noch durch ihren Gesang Furore, der sie indes vom eigentlichen Jazz weg und hin zu Schlager und Kleinkunst führte.[14] Jürgen Wölfer bezeichnet sie gleichwohl unter Verwendung der traditionsreichen Bezeichnung als „das wohl erfolgreichste deutsche Bartrio“.
Tondokumente (Beispiele)
Der Katalog des Musikarchivs bei der DNB verzeichnet 160 Einspielungen vom „Bar -Trio (Kubi Kretschma, Akkordeon. Bert Waldemar, Piano/Celesta. Hans Belle, Guitarre)“ auf “Grammophon” :
- 47196 A (Matr. 7640 GR) Some of These Days (Bald kommt der Tag), Foxtrot (Shelton Brooks)[15]
- 47196 B (Matr. 7641 GR) Caravan (Karawane) (Duke Ellington), aufgen. März 1938.[16]
- 47207 A (Matr. 7796 ½ GD8) Tiger Rag (La Rocca)[17]
- 47207 B (Matr. 7795 GR) Limehouse Blues (Furber - Braham)[18]
- 47241 A (Matr. 7965 GD8) Sweet Sue - Just You (Ob Du glücklich bist), Foxtrot (Harris & Young), aufgen. September 1938.[19]
- 47241 B (Matr. 7966 ½ GD8) St. Louis Klänge (W.C. Handy)[20]
- 47271 (Matr. 3533 ½ GD8) The Snake Charmer (Der Schlangenbeschwörer) Foxtrot (Leonard Whitcup, Teddy Powell), aufgen. 12. Okt.38[21]
- 47376 A (Matr. 8452 ½ GR9) Song of India (Hindulied) (Nikolai Rimsky-Korsakow)[22]
- 47376 B (Matr. 8454 GR9) Little Girl (Kleines Mädel), Foxtrot (Hyde & Henry), 1939[23]
- 47405 B (Matr. 3534 ½ GN9) Traumlos. Slowfox (Gordon & Revel), 1938[24]
- 47417 A (Matr. 8879-2 GR9) Wenn ich wüßt [wen ich geküßt um Mitternacht am Lido]. Foxtrot (W. Bochmann) Aufnahmejahr: 1940.[25]
- 47479 B (Matr. 8671 ½ GD9) Solitude (Einsamkeit) (Duke Ellington), 1940[26]
- 47600 A (Matr. 9249 GD9) Die Männer sind schon die Liebe wert! Foxtrot (Steimel-Siegel), 1941[27]
- 47744 A (Matr. 9735-2 GD9) Sag’, was wirst du tun? Slowfox (Guus Jansen)[28]
- 47745 (Matr. 9739 ½ GD9) Haben Sie schon ‘mal im Dunkeln geküßt? Foxtrot (Michael Jary), 1942[29]
- 47746 A (Matr. 9740 ½ GD) Immer vergnügt. Foxtrot (Peter Kreuder)[30]
- 47902 (Matr. 10 018-2 GD9) So beschwingt. Foxtrot (Hans Rosenfelder), aufgen. Berlin 1943[31]
- Aufnahmen mit Gesang
- 47197-A (Matr. 7642 ½ GR 8) Weine nicht, bricht eine schöne Frau dir das Herz. Slowfox (Stolz & Marischka) Bar-Trio mit Gesang: B. Waldemar.[32]
- 47197-B (Matr. 7643 GR9) Ein Potpourri, enthält: Wenn der rote Mohn erblüht - Du, du gehst an mir vorbei - Über die Prärie. Bar-Trio mit Gesang: B. Waldemar. Aufnahmejahr: 1938.[33]
- 47950-A (Matr. 9257 ½ GD9) Ich will mich nicht verlieben. Foxtrot (Kurt Basl) Bar Trio mit Gesang: Lisa Loy. Aufgen. 1941[34]
Wiederveröffentlichungen
Aufnahmen des Bar-Trios sind bei mehreren Unternehmen als Vinyl-LP bzw. CD erschienen, so z. B. auf Polydor 46 986, ebenso »Stern« Musik 46 986 : „Sterne Ihrer Zeit: Das Bar Trio. Original-Aufnahmen 1938–1943“ (Vinyl-LP)[35] und Polydor 2664 209 „Die Grossen Tanzorchester 1930–1950: Das Bar Trio“ (Vinyl-Doppel-LP),[36] ferner beim label Boutique (Universal Music) 06024 9858396 unter dem Titel „Immer vergnügt“ (CD in der Reihe Jazz Club).[37]
Literatur
- Bayerischer Rundfunk (Hrsg.): Findbuch Hörfunkmanuskripte, Teil 1 1946 bis 1950 - BR. Bearbeitet von Sebastian Lindmayr. Bayerischer Rundfunk, Historisches Archiv / ABD. August 2006.
- Sophie Fetthauer: Deutsche Grammophon (= Musik im "Dritten Reich" und im Exil. Band 9). Verlag von Bockel, 2000, ISBN 3-932696-38-7, S. 230
- Willy Fritsch, Jimmy Jungermann : ... das kommt nicht wieder: Erinnerungen eines Filmschauspielers. Verlag W. Classen, 1963, DNB 451385489.
- Horst H. Lange: Die deutsche 78er Discographie der Hot Dance- und Jazz-Musik 1903–1958. Colloquium Verlag, Berlin 1966, ISBN 3-7678-0452-2, S. 109–111.
- Horst H. Lange: Jazz in Deutschland. Die deutsche Jazz-Chronik 1900–1960. Colloquium Verlag, Berlin 1966, OCLC 869550.
- Tom Lord: The Jazz discography. Band 32, Verlag Lord Music Reference, 2003, ISBN 1-881993-06-X, S. B-88.
- Jens Uwe Völmecke: Klappentext zur CD-Ausgabe “Das Bar Trio”, wiedergegeben bei rocknroll-schallplatten-forum.
- Jürgen Wölfer: Jazz in Deutschland: das Lexikon ; alle Musiker und Plattenfirmen von 1920 bis heute. Verlag Hannibal, 2008, ISBN 978-3-85445-274-4.
Einzelnachweise
- erste Aufnahmen veröffentlichten sie als „Die Rhythmus-Mixer“, vgl. Heino Fritz bei rocknroll-schallplatten-forum.de, ließen den Namen aber bald wieder fallen.
- hier wäre Slim Gaillard zu nennen, der mit seiner Band Slim & Slam den humoristischen Scat-Gesang pflegte; von ihm nahm das Bar-Trio den bekannten Swing-Titel The Flat Foot Floogie auf, vgl. Grammophon 47 277 A, anzuhören bei youtube.com, label abgeb. bei rocknroll-schallplatten-forum.de
- mehrfach (fälschlich ? Auf den labels stets „Kretschma“) auch Kretschmar (z. B. bei Fetthauer [2000] und Lindmayr [2006])
- der ab 1940 kriegsbedingt ausscheiden musste und durch Kurt Basel (andere Quellen: Basl) ersetzt wurde, und dieser im Mai 1943 dann seinerseits durch Fred Tilling, vgl. Lange, Jazz in Deutschland. S. 92, und Völmecke, Klappentext.
- Vgl. label bei discogs.com
- vgl. Wölfer S. 24f.: „Bar-Trio war ein swingbeeinflusstes Trio der Dreißiger- und Vierzigerjahre in der Instrumentierung Akkordeon (Kubi Kretschma), Piano (Bert Waldemar) und Gitarre (Hans Belle), später mit Kurt Basl oder Fred Tilling (Klavier), Max Holl (Bass) und Paul Höpfner (Klarinette)“.
- vgl. Findbuch Hörfunkmanuskripte, Teil 1, S. 23 : SN / 13.2 Manuskripte 07.08.1947 - 12.08.1947 : “9.8.1947 - Erster großer Tanzabend: mit dem Rundfunktanzorchester unter Herbert Beckh, Jakie Segar, Bar-Trio mit Kubi Kretschmar [sic], Evelyn Rehs, Moderation von Günther Jerschke, Ruth Kappelsberger, Fritz Horrmann”.
- eine der letzten scheint Polydor 48 179 A (mx. 1208 KK) Heute Nacht hab ich ein rendez-vous (Gardens) und -B (mx. 1207 KK) Was eine Frau im Frühling träumt (Kollo) gewesen zu sein, aufgen. am 1. Juni 1949 mit Kretschma, Belle, Höpfner und Höll, vgl. Lange, 78er Discogr, S. 111.
- vgl. Völmecke, Klappentext.
- so „skywise“ am 08.06.2008 bei meinesammlung.com
- auf S. 92.
- bei Fritsch-Jungermann, S. 40 ist von dem „viel nachgeahmten, aber nie erreichten Bar-Trio“ die Rede.
- Wieder mit Klavier, Rhythmus-Gitarre und Bass besetzt war das Bar-Trio des Pianisten Paul Kuhn 1965.
- diese Traditionslinie dreistimmigen Gesangs mit Akkordeon-, Gitarre- und Schlagbassbegleitung reicht bis zu dem im Rheinischen Karneval bekannt gewordenen Eilemann-Trio, bestehend aus Günter Eilemann, Akkordeon, Horst Muys, Kontrabass und Karl-Heinz Nettesheim, Rhythmus-Gitarre. Vgl. kölner-karneval.de
- anzuhören auf youtube.com
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- label abgeb. bei discogs.com
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- anzuhören bei youtube.com
- vgl. discogs.com
- vgl. discogs.com
- vgl. discogs.com 2008.