Automatikuhr
Unter einer Automatikuhr oder Automatic-Armbanduhr (gekennzeichnet oft als automatic, im Französischen auch montre perpetuelle) wird eine mechanische Armbanduhr verstanden, bei der die Feder bei Armbewegungen des Trägers durch einen Rotor mittels Zahnradübersetzung in kleinen Schritten selbständig aufgezogen (gespannt) wird. Man spricht auch von einer Uhr mit automatischem Aufzug oder Uhr mit Selbstaufzug. Frühe Modelle von Automatik-Armbanduhren waren teilweise mit einer Pendelschwungmasse (umgangssprachlich auch „Hammerautomatik“) anstatt eines Rotors ausgestattet.
Funktionsprinzip
Der Rotor (ein um eine Achse rotierendes Gewicht), der zumeist kugelgelagert ist, will bei Bewegungen des Uhrgehäuses aufgrund seiner Massenträgheit und der Schwerkraft an seiner Position im Raum verharren. Hierdurch wird ein Drehmoment auf den Aufziehmechanismus ausgeübt. Die Feder wird bei beiden Drehrichtungen des Rotors bidirektional, bei nur einer unidirektional aufgezogen. Liegt die Drehbewegung des Gehäuses in der Achse des Rotors, so beruht das Prinzip allein auf dem Trägheitsmoment des Rotors (im Foto in der oberen Hälfte zu sehen). Dies funktioniert also auch in der Schwerelosigkeit. Bei Drehbewegungen senkrecht zur Achse des Rotors kommt die Exzentrizität desselben zum Tragen: Der Rotor ist zumeist nur halbkreisförmig ausgebildet, daher fällt sein Schwerpunkt nicht mit seiner Achse zusammen. Wird die Uhr nur leicht aus der Horizontalen gedreht, genügt dies u. U. für eine 180-Grad-Drehung des Rotors. Eine Rutschkupplung (sog. Bridge) verhindert ein Überdrehen der Zugfeder, wenn die Uhr bereits voll aufgezogen ist. Anstatt eines klassischen Rotors, wie auf den beiden Fotos zu sehen, wird bei besonders flachen Automatikuhren ein Mikrorotor verwendet, der in das Uhrwerk integriert wird, um so die Bauhöhe der Uhr zu verringern. Mikrorotoren werden in den meisten Fällen aus massivem Feingold gefertigt, um so das benötigte Gewicht zum effizienten Aufzug der Feder zu erreichen.[1]
Automatikuhren (Uhren mit Selbstaufzug[2]) zeichnen sich nicht nur durch eine einfache Handhabung aus, die immer gleichmäßig gespannte Feder führt auch zu einem gleichmäßigeren Lauf als bei einer mechanischen Uhr mit Handaufzug. Ihre Einführung brachte damit einen Fortschritt bei der Verminderung der Gangabweichung. Bedeutende Hersteller von Uhrwerken für Automatikuhren sind der Schweizer Hersteller ETA SA, die japanischen Hersteller Seiko und Citizen Miyota sowie die chinesischen Hersteller Tianjin Seagull und Hangzhou.
Rechts im Bild (Automatikwerk ETA 2824-2) ist im Vordergrund der an fünf Kugeln gelagerte Rotor zu sehen. Die Unruh des ETA 2824-2 läuft mit 4 Hertz (28.800 Halbschwingungen pro Stunde). Sogenannte „Hi-Beat-Werke“ (synonym Schnellschwinger) schwingen mit 5 Hz (36.000 Halbschwingungen pro Stunde), z. B. bei der Longines Ultrachron, der Girard-Perregaux Gyromatic Chronometer HF, dem Zenith El Primero oder der Grand Seiko Hi-Beat 36000. Mit jeder Halbschwingung erfolgt ein Zeigervorschub, bei den genannten Beispielen also 8- bzw. 10-mal pro Sekunde. Alternativ können die meisten Automatikuhren auch mit der Krone aufgezogen werden.
Als Gangreserve oder Gangautonomie bezeichnet man die Zeitdauer, in der das (vollständig aufgezogene) Uhrwerk noch läuft, nachdem die Uhr das letzte Mal bewegt wurde. Sie ist je nach Werk unterschiedlich und beträgt zumeist etwa 35 bis 60 Stunden, in Kombination mit mehreren Federhäusern sogar bis zu 30 Tagen. Automatikuhren mit Pendelschwungmasse nutzen nicht den maximal zur Verfügung stehenden Aufzugsweg wie Automatikuhren mit einem Rotor, die Schwungmasse wird beidseitig von zusätzlichen Spiralfedern abgebremst, daher fällt die Gangreserve meistens geringer aus.[3]
Für die Sammler der Automatikuhren werden elektrische Uhrenbeweger angeboten, die das Werk in Bewegung halten, damit die Uhren nicht stehen bleiben, auch wenn sie gerade nicht getragen werden. Der Vorteil der kontinuierlichen Bewegung sollte aber gegen einen zwangsläufigen Verschleiß beim Einsatz des Uhrenbewegers abgewogen werden. Eine Revision des Uhrwerks ist damit spätestens wie beim normalen Gebrauch der Uhr zu erwarten, bei falscher Einstellung des Uhrenbewegers sogar früher.
Autoquarz-Uhrwerk
Ein sogenanntes Autoquarz-Uhrwerk ist eine Quarzuhr, die ihre Antriebsenergie von einem mechanischen Aufzugsrotor bezieht. Die kinetische Energie, welche die Bewegungen des Handgelenks der Uhr zuführen, versetzt den exzentrischen Aufzugsrotor in Bewegung, genau wie in einer mechanischen Automatikuhr. Diese Drehbewegung treibt einen winzigen elektrischen Generator an, der seinerseits einen Akkumulator oder Kondensator auflädt, woraus die Quarzuhr versorgt wird.
Im Jahr 2007 gab es zwei derartige Werke: Das japanische Seiko Kinetic und das Schweizer ETA Autoquartz. Das jüngere und teurere ETA-Werk unterscheidet sich vom Kinetic-Werk dadurch, dass der Rotor den Generator nicht direkt antreibt, sondern ein kleines Federhaus aufzieht. Immer wenn es vollständig aufgezogen ist, läuft es automatisch ab und treibt den Generator. Der Vorteil dieser Lösung: Der Generator läuft entweder gar nicht oder mit voller Drehzahl. Dadurch wird er geschont und arbeitet gleichzeitig effizienter. Außerdem lässt sich, anders als beim Kinetic-Werk, das Federhaus der Autoquarz, wie bei einer konventionellen Automatikuhr, auch von Hand über die Krone aufziehen.
Geschichte
Die bis 1775 erfolgte Erfindung des automatischen, bidirektionalen Aufzugs mit Rotor und Wechsler für Taschenuhren wird Abraham-Louis Perrelet zugeschrieben. Spätestens 1778[4] hatte auch Hubert Sarton eine Taschenuhr mit automatischem Aufzug entwickelt. Auch Abraham Louis Breguet stellte 1787 einen Vorläufer des modernen Automatikwerks her. Seine Taschenuhr mit automatischem Aufzug nannte er Perpetuelle.[5]
Der einfache Handaufzug über die Krone (ohne den früher notwendigen Schlüssel) machte es den teureren Automatiktaschenuhren zunächst schwer, sich durchzusetzen, obwohl es sie seit ca. 1770 bereits gab.
1922 schuf die französische Firma Leroy die erste Armbanduhr mit Automatikwerk, angetrieben durch eine Pendelschwungmasse, die jedoch nicht vertrieben wurde. Als Erfinder dieser Automatikuhr ist John Harwood bekannt, ein britischer Uhrmacher von der Isle of Man. Seine ab 1914 entwickelte Idee mündete am 16. Oktober 1923 im Antrag eines Patents in der Schweiz, das er am 1. September 1924 erhielt. Zusammen mit Fortis oder Blancpain brachte er 1926 jeweils ein Uhrenmodell heraus. Die Rolex Oyster Perpetual von 1931 gilt als die erste funktionsfähige Automatikarmbanduhr mit einseitig aufziehbarem Rotor; das von dem aus Kulmbach stammenden Hans Wilsdorf entwickelte Prinzip dieses Rotor-Selbstaufzugs wurde weltweit 1932 für die Firma patentiert. Durch Eterna wurde 1948 der seinerzeit zukunftsweisende kugelgelagerte Rotor erfunden. Die ersten Automatikuhren in Deutschland wurden von Bifora, Durowe und Junghans gebaut.
Literatur
- Die automatische Uhr. Ebauches SA, Neuchâtel o. J.
- E. Wartmann: Die automatische Uhr. In: Die Uhr. Heft 1, 1950, S. 5–9 (in Fortsetzungen).
- Alfred Chapuis, Eugène Jaquet: La Montre Automatique Ancienne 1770–1931. Neuchâtel 1952.
- B. Humbert: Die Schweizer Uhr mit automatischem Aufzug. Lausanne 1956.
- Georg Schindler: Entwicklung, heutiger Stand und Reparatur der automatischen Uhr. In: Die Uhr. Heft 18, 1964, S. 18–24.
- Peter Aebi: John Harwood, dem Erfinder der automatischen Armbanduhr gewidmet. In: Neue Uhrmacher-Zeitung. Heft 5, 1966, S. 18–20.
- Hans Kocher: Automatische Uhren. Ulm 1969.
- Château des Monts, Musée d’Horlogerie (Hrsg.): Horamatic – Montres à remontage automatique de 1770 à 1978. Le Locle o. J.
- François Mercier: Mechanische Uhren mit automatischem Aufzug. In: Alte Uhren. Heft 1, 1985, S. 21–32, und Heft 2, 1985, S. 27–47.
- John Harwood: Die Geschichte der automatischen Armbanduhr, erzählt von ihrem Erfinder. In: Schweizerische Uhrmacherzeitung. Heft 11, 1951, S. 31–34; Nachdruck in: Alte Uhren. Heft 5, 1986, S. 65 ff.
- Henry B. Fried: Some Early Self-Winding Wristwatches. In: Horological Times. Juni 1989, S. 36 ff.
- Helmut Kahlert: Der Schwung, der die Uhr verändert. In: Uhren Magazin. Heft 4, 1991, S. 101–112.
- Heinz Hampel: Automatic-Armbanduhren aus der Schweiz. München 1992.
- Bernhard Schmeltzer: Die automatische Armbanduhr. Duisburg 1992.
- Ives Droz, Joseph Flores, André Thiry: Une page importante ajoutée à l’histoire de la montre automatique. In: Horlogerie Ancienne. Nr. 33, 1. Halbjahr 1993, S. 109–127.
- Helmut Kahlert: Automatische Armbanduhren. In: Trödler & Magazin Sammeln. Heft 5, 1995, S. 32–37.
- Heinz Hampel: Automatic-Armbanduhren aus Deutschland, England, Frankreich […]. München 1996.
- Helmut Kahlert, Richard Mühe, Gisbert L. Brunner: Armbanduhren: 100 Jahre Entwicklungsgeschichte. Callwey, München 1983; 5. Auflage ebenda 1996, ISBN 3-7667-1241-1, S. 60–70 (Automatikuhren bis zur Gegenwart).
Weblinks
Einzelnachweise
- Mikrorotor. Abgerufen am 13. Juli 2020.
- H. Kühnhanns: Stoßsicherung im Selbstaufzug. In: Die Uhr. Heft 23, 1954, S. 12–14.
- Vgl. Adolf Benz: Die Bedeutung einer arretierbaren Masse beim automatischen Aufzug eines Armbanduhrwerks mit Gangreserveanzeige. In: Chronometrophilia. Nr. 25, 1988, S. 87–90.
- Hubert Sarton: Taschenuhr mit automatischem Aufzug. 1778, Académie des Sciences.
- Helmut Kahlert, Richard Mühe, Gisbert L. Brunner: Armbanduhren: 100 Jahre Entwicklungsgeschichte. Callwey, München 1983; 5. Auflage ebenda 1996, ISBN 3-7667-1241-1, S. 12 und 60.