Atopie (Medizin)
Atopie (altgriechisch ατοπία, atopía, ‚Ortlosigkeit‘) beschreibt in der Medizin eine Neigung dazu, mit Überempfindlichkeitsreaktionen, nämlich mit allergischen Reaktionen des Soforttyps (Typ-I-Allergie), auf den Kontakt mit ansonsten harmlosen Substanzen aus der Umwelt zu reagieren. Atopie bezeichnet also eine körperliche Bereitschaft zu einer krankhaft erhöhten Bildung von Immunglobulin-E-Antikörpern (IgE).
Inkorrekt wird die Bezeichnung Atopie auch synonym für Allergien des Soforttyps verwendet.
Ursachen
Atopie ist eine erbliche und an das HLA-System gekoppelte Überempfindlichkeit. Neben den Allergenen werden auch „Atopene“ beschrieben, die das Komplementsystem aktivieren können und über Anaphylatoxine Histamin aus Mastzellen freisetzen können, wobei hier selbst an nicht direkt exponierten Körperteilen Symptome auftreten („ortlos“, im Gegensatz zum Beispiel zum Kontaktekzem).
Der Krankheitsmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt. Vereinfacht kann man von einer überschießenden Immunantwort sprechen, die zwar (an sich harmlose) fremde Antigene zerstört, aber dabei auch den eigenen Körper schädigt. Wahrscheinlich handelt es sich um eine nach vorhergehender Sensibilisierung überschnelle Bildung spezifischer Antikörper vom Typ IgE, die sich an die Mastzellen binden und somit deren Degranulation mit Ausschüttung unter anderem des Gewebshormons Histamin auslösen, sowie um eine erhöhte Komplement-Empfindlichkeit mit Bildung von Anaphylatoxin.
Atopische Erkrankungen entwickeln sich aber nicht nur aufgrund der Genetik. Auch die Umweltfaktoren spielen eine große Rolle. So hat eine große Studie mit mehr als einer Million Befragten in 99 Ländern ergeben, dass Kinder, die mehr Fastfood essen, auch häufiger an atopischen Erkrankungen leiden.[1] Dabei muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Studie keinen kausalen Zusammenhang beweisen kann.
Klinische Ausformungen
Je nach klinischem Erscheinungsbild wird diese Bereitschaft zur atopischen Reaktion bezeichnet als
- das atopische Ekzem (Neurodermitis), ein Ekzem, das sich durch Verlauf, klinische Merkmale und sog. „assoziierte Zeichen“ von den übrigen Ekzemformen unterscheidet,
- allergische Bindehautentzündung,
- Heuschnupfen,
- (exogen allergisches) Bronchialasthma,
- auch als allergische Darmentzündung oder
- selten als Nesselsucht.
In verschiedenen Schweregraden leiden bis zu 15 % der Bevölkerung an atopischen Beschwerden.
Atopie-Stigmata
Bestimmte körperliche Merkmale – Stigmata – treten gehäuft bei Menschen auf, die eine Veranlagung zu atopischen Reaktionen zeigen. Hierzu gehören unter anderem:[2][3]
- eine doppelte Lidfalte am Unterlid (Dennie-Morgan-Falte)
- dunkle Haut im Bereich der Augen
- die Ausdünnung der seitlichen Augenbrauen (Hertoghe-Zeichen)
- juckende, trockene Haut (Xerosis cutis)
- trockene Kopfhaut
- Veränderungen an den Finger- und Zehenkuppen (Pulpitis sicca)
- weißer Dermographismus
- Keratosis pilaris
Siehe auch
Einzelnachweise
- Philippa Ellwood, M. Innes Asher, Luis García-Marcos, Hywel Williams, Ulrich Keil, Colin Robertson, Gabriele Nagel: Do fast foods cause asthma, rhinoconjunctivitis and eczema? Global findings from the International Study of Asthma and Allergies in Childhood (ISAAC) Phase Three. In: Thorax. Bd. 68, Nr. 4, 2013, S. 351–360, doi:10.1136/thoraxjnl-2012-202285.
- Atopiestigmata. In: DermIS.de. Abgerufen am 8. Oktober 2010.
- Klinik der atopischen Dermatitis – Stigmata. In: my-cme.de. Abgerufen am 8. Oktober 2010.