Atomino (Kocher)
Atomino, Ufo oder auch Atomtauchsieder waren improvisierte Tauchsieder, die unter anderem von Soldaten der Nationalen Volksarmee der DDR verwendet wurden.[1] In Polen sind diese improvisierten Tauchsieder unter dem Begriff Buzała bekannt.
Tauchsieder gehörten zu den Armeeangehörigen verbotenen Gegenständen, nach denen bei Stubenkontrollen gezielt gesucht wurde.[2] Aus dem Grund bastelten sich Armeeangehörige improvisierte Tauchsieder, um Heißgetränke zuzubereiten.
Der Name Atomino leitet sich ab von einer Episode der gleichnamigen Comicserie, die ab den 1960er-Jahren in Heft- sowie Buchform in der DDR erschien: Atomino erhitzte das Meerwasser wie ein Tauchsieder. „Jetzt kann man es aushalten. Bravo, Atomino, welch himmlische Wärme!“ Die Oberfläche begann zu dampfen wie in einer Badewanne, und die Temperatur stieg rasch.[3] Der Name Ufo entstand aufgrund der Scheibenform der verwendeten Dosenteile.[4]
Die Herstellung solcher Tauchsieder aus Rasierklingen war bereits in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Zivilbevölkerung üblich, als Elektrogeräte nicht erhältlich waren, auch lebten seinerzeit viele Menschen in Notwohnungen ohne Kochmöglichkeit, sodass die improvisierten Tauchsieder die einzige Möglichkeit waren, Wasser zu erhitzen[5].
Die erhebliche Gefahr eines elektrischen Schlages bei der unsachgemäßen Benutzung solcher Tauchsieder wurde aufgrund der Not- bzw. Zwangssituation in Kauf genommen.
Bauweise
Bau und Gebrauch der illegalen Wasserkocher bei der NVA ist in zahlreichen Briefen und Erinnerungsbüchern dokumentiert.[6] Die Tauchsieder bestanden meistens aus den beiden dosenähnlichen Verpackungsteilen der auswechselbaren Klarsichtscheiben für Atemschutzmasken oder auch aus zwei Rasierklingen.
Ober- und Unterteil der Dosen bzw. die beiden Rasierklingen wurden mit Hilfe eines stromisolierenden Kunststoffdruckknopfes eines ABC-Schutzanzuges oder anderer nicht leitender Materialien miteinander verbunden. Der Druckknopf konnte jederzeit wieder an dem Schutzanzug angebracht werden. Die beiden Metallteile wurden mit den Adern eines Stromkabels verbunden. Die Konstruktion wurde in das zu erhitzende Wasser getaucht und anschließend in eine Steckdose gesteckt oder anderweitig (z. B. über eine Glühlampenfassung) unter Spannung gesetzt. Zwischen den beiden Metallteilen des Ufos floss der Strom über das Wasser. Der spezifische Widerstand des Wassers erzeugte dabei genug Wärme, um binnen Sekunden eine Tasse Wasser zum Kochen zu bringen.[7]
Weblinks
Einzelnachweise
- Klaus-Peter Möller: Der wahre E: ein Wörterbuch der DDR-Soldatensprache. Berlin: Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte, 2000, S. 45 u. 210; Wolf Oschlies: Wie 'Mucker' bei der 'Fahne' reden: Soziolinguistische Bemerkungen zum DDR-Soldatenjargon. Berichte des Bundesinstituts für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien 23 (1987), S. 27 (Heft bei Osteuropa-Dokumente online).
- Christian Th. Müller: Tausend Tage bei der Asche. Unteroffiziere in der NVA. Berlin: Ch. Links Verlag, 2003, S. 352; Starthilfe, verfasst von Bausoldaten, Herbst 1973 (Dokument 38). In: Bernd Eisenfeld, Peter Schicketanz: Bausoldaten in der DDR. Berlin: Ch. Links Verlag, 2011, S. 501–508.
- Marcello Argilli: Atomino. Berlin (DDR): Kinderbuchverlag, o. J. [zuerst 1970], S. 121.
- Klaus-Peter Möller: Der wahre E: ein Wörterbuch der DDR-Soldatensprache. Berlin: Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte, 2000, S. 210.
- http://www.fernsehserien.de/bibliothek-der-sachgeschichten/folgen/nachkriegszeit-16793
- Sebastian Kranich: „Erst auf Christus hören, dann auf die Genossen“. Bausoldatenbriefe: Merseburg, Wolfen, Welzow 1988/89. Halle: Projekte-Verlag 188, 2006, S. 170; Volker Koop: Zehn Jahre mit dem »gelben Streifen«: Karl-Heinz Rutsch. Vom Offizier der NVA zum Deserteur. Berlin: Edition Q, 1996, S. 109f.; Peter Tannhoff: Sprutz. In den Fängen der NVA. Kiel: Ludwig, 2008, S. 68f.; Thomas Brösing: Der Bausoldat. Norderstedt: BoD, 2008, S. 156.
- vgl. die Beschreibungen in Klaus-Peter Möller: Der wahre E: ein Wörterbuch der DDR-Soldatensprache. Berlin: Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte, 2000, S. 210; Peter Tannhoff: Sprutz. In den Fängen der NVA. Kiel: Ludwig, 2008, S. 68f.; Volker Koop: Zehn Jahre mit dem »gelben Streifen«: Karl-Heinz Rutsch. Vom Offizier der NVA zum Deserteur. Berlin: Edition Q, 1996, S. 109f.