Antisepsis
Mit Antisepsis (griechisch, „gegen Fäulnis“; von σῆψις „Fäulnis“; vgl. „Sepsis“) bezeichnet man alle Maßnahmen zur Verminderung der Keimzahl von infektiösen Keimen an lebenden Geweben und damit zur Verhinderung einer Infektion,[1][2] z. B. durch Desinfektion mit Bioziden.[3]
Seit dem 19. Jahrhundert wird im medizinischen Bereich als Hauptaufgabe der Antisepsis „die Desinficirung der Hände des Operirenden und aller Gegenstände, die mit dem Operationsfeld in Kontakt kommen“, beschrieben und das gründliche Waschen der Hände als grundlegende Maßnahme angesehen.[4]
Abzugrenzen ist der Begriff der Antisepsis vom später entstandenen Konzept der Asepsis, die auf eine vollkommene Keimfreiheit abzielt und eine Basis heutiger Hygienemaßnahmen bildet. Diese ist auf Körperoberflächen jedoch kaum zu erreichen, da die Haut oder Schleimhaut nicht sterilisiert werden kann.
Geschichte
Der Begründer der Antisepsis war Ignaz Semmelweis (1818–1865), der als „Retter der Mütter“ in die Geschichte der Medizin eingegangen ist, obwohl zu seiner Zeit die Mikroskopie schon lange betrieben wurde und die Existenz von winzigen, nur mit dem Mikroskop sichtbaren „Wesen“ bekannt war. Antoni van Leeuwenhoek (1632–1723) hatte schon „die kleinen Biesterkes“ beschrieben. Einzug in die Medizin hatte die Erkenntnis dieser „Wesen“ aber noch lange nicht gehalten. Die Krankheitsauffassung dieser Zeit besagte, dass eine schlechte Konstitution zu einer Erkrankung führte, eine Infektion wurde nicht als Ursache angesehen.
Am 12. August 1865 – einen Tag vor Ignaz Semmelweis' Tod – führte Joseph Lister im schottischen Glasgow die erste Operation mit Antisepsis an einem elfjährigen Jungen namens James Greenlees durch. Die Operation lief erfolgreich, schon sechs Wochen später konnte Greenlees das Krankenhaus vollkommen gesund verlassen.[5][6] Im Zuge der Behandlung einer Patellafraktur wurde Carbolsäure zur Gewebsdesinfektion von Joseph Lister, 1. Baron Lister und dem Chirurgen Hector Cameron im Jahr 1867 eingesetzt. Einer der ersten US-Amerikaner, der die Antisepsis nach Listers Methode praktisch angewandt hatte, war der in Chicago wirkende Chirurg Edmund Andrews (1824–1904).[7] In einem Vortrag des Chirurgen Richard von Volkmann beim ersten Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie am 10. April 1872 in Berlin wurde die Antisepsis behandelt. Noch 33 Jahre später zeigt sich der auf Kriegsverletzungen spezialisierte Chirurg Ernst von Bergmann beeindruckt. Er schrieb in der Zeitschrift Die Woche im Januar 1905 in seinem Artikel „Über Schußwunden aus dem modernen Infanteriegewehr“:
„Schon 1872 hatte von Volkmann auf dem ersten Kongreß deutscher Chirurgen, bei einem Vergleich der Knochenbrüche der unteren Extremitäten in Kriegs- und Friedenszeiten, die überraschende Tatsache mitgeteilt, daß die ersteren günstiger als die letzteren verlaufen, oder mit andern Worten, daß an jenen weniger als an diesen sterben. Obgleich die Schußfrakturen in der Regel Splitterbrüche sind und die komplizierten, d. h. mit einer Weichteilwunde verbundenen Friedensfrakturen das nicht sind, starben, selbst unter den verrufenen Verhältnissen der Krimkampagne, weniger an Schußfrakturen des Unterschenkels, nämlich 25 pCt., als in den Musterspitälern Europas während des Friedens zu sterben pflegten, nämlich 32,5 pCt. Der Grund hierfür konnte wohl nur in der verschiedenen Beschaffenheit der den Knochenbruch komplizierenden Weichteilwunden liegen. Bei den Friedensverletzungen sind sie, gleichgültig, ob eine Maschine mit ihren Zähnen und Stangen das Bein verletzt oder das Rad eines Straßenbahnwagens darüber geht, groß und weitklaffend, bei den Kriegsverletzungen klein und eng. In jene können die Entzündung erregenden Schädlichkeiten – die Eiterkokken – viel leichter eindringen als in diese. Die neue Lehre von der Wundvergiftung erklärte die auffällige Tatsache.“
Literatur
- Christoph Weißer: Antisepsis. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 72 f.
Einzelnachweise
- R. Seavey: High-level disinfection, sterilization, and antisepsis: current issues in reprocessing medical and surgical instruments. In: American journal of infection control. Band 41, Nummer 5 Suppl, Mai 2013, S. S111–S117, ISSN 1527-3296. doi:10.1016/j.ajic.2012.09.030. PMID 23622741.
- J. Tanner, S. Swarbrook, J. Stuart: Surgical hand antisepsis to reduce surgical site infection. In: The Cochrane database of systematic reviews. Nummer 1, 2008, S. CD004288, ISSN 1469-493X. doi:10.1002/14651858.CD004288.pub2. PMID 18254046.
- M. Maiwald, E. S. Chan: The forgotten role of alcohol: a systematic review and meta-analysis of the clinical efficacy and perceived role of chlorhexidine in skin antisepsis. In: PloS one. Band 7, Nummer 9, 2012, S. e44277, ISSN 1932-6203. doi:10.1371/journal.pone.0044277. PMID 22984485. PMC 3434203 (freier Volltext).
- Belaieff: Zur antiseptischen Technik. In: Centralblatt für Gynäkologie. Band 10, Nr. 19, 8. Mai 1886, S. 291 f.
- CR4: August 12, 1865: Lister Performs First Surgery with Antiseptic.
- Steven Lehrer: Explorers of the Body, USA 1979.
- Albert Faulconer, Thomas Edward Keys: Edmund Andrews. In: Foundations of Anesthesiology. Charles C Thomas, Springfield (Illinois) 1965, S. 430.
- Aus Die Woche, Heft 2, 1905, Seite 61