Anne Waldschmidt
Anne Waldschmidt (* 1958) ist eine deutsche Soziologin, die als Professorin an der Universität zu Köln lehrt und vor allem im Bereich Disability Studies forscht und publiziert. Sie hat die erste Universitätsprofessur für Soziologie und Politik der Rehabilitation, Disability Studies im deutschsprachigen Raum inne.
Werdegang
Waldschmidt studierte Soziologie, Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Bremen und der University of Edinburgh. Sie schloss das Studium 1984 als Diplom-Sozialwissenschaftlerin ab und arbeitete anschließend drei Jahre für die Arbeiterwohlfahrt in Bremen. Von 1988 bis 1991 war sie Fachreferentin für Gen- und Fortpflanzungstechnologien bei der Bundestagsfraktion der Grünen in Bonn. Anschließend hatte sie von 1992 bis 1995 eine Stelle im Forschungsprojekt Heilpädagogik und Humangenetische Beratung der Universität Siegen inne. 1995 wurde Waldschmidt an der Universität Bremen mit der Studie „Das Subjekt in der Humangenetik“ zur Dr. rer. pol. promoviert. Danach übernahm sie für zwei Jahre eine Vertretungsprofessur an der Universität Siegen. Es folgte eine Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Dortmund in der DFG-Forschungsgruppe „Leben in Kurven-Landschaften. Flexibler Normalismus in Arbeitsleben und Alltag, Medien, elementarer und belletristischer Literatur“. Von 2000 bis 2002 war sie Professorin für Sozialwissenschaft am Fachbereich Pflegemanagement an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Danach wurde sie als Professorin für Soziologie in der Heilpädagogik, Sozialpolitik und Sozialmanagement an die Universität zu Köln berufen. Seit 2009 hat ihre Kölner Professur die Denomination Soziologie und Politik der Rehabilitation, Disability Studies. Dadurch wurde Waldschmidts Stelle in Köln zur ersten ordentlichen Professur für Disability Studies an einer deutschsprachigen Universität.
In anderen Ländern war Waldschmidt bisher tätig als Visiting Fellow am Centre for Biomedicine & Society, King’s College London (2008), Gastprofessorin an der Universität Stockholm (2008), Visiting Research Professor am Centre for Disability Studies der Universität Leeds (2010) und Gastprofessorin an der Universität Wien (2011).
Arbeitsgebiete und internationale Vernetzung
Anne Waldschmidts Forschungsschwerpunkte sind Körpersoziologie, Wissenssoziologie, Politische Soziologie, soziologische Aspekte der Biopolitik, Norm, Normalität, Normalisierung und Behinderung, Selbsthilfeorganisation, Interessenvertretung und politische Partizipation behinderter Menschen, Disability History, Sozial-, Gesundheits-, Rehabilitations- und Behindertenpolitik im internationalen Vergleich, Diskurstheorie, Diskursanalyse sowie die qualitativ-empirische Sozialforschung.
Waldschmidt ist seit 2004 Leiterin der Internationalen Forschungsstelle Disability Studies (iDiS)[1] und war 2006 Gründungsmitglied des Center for Diversity Studies (cedis)[2] an der Universität zu Köln. 2012 war sie Gründungsmitglied von GeStiK – Gender Studies in Köln.[3]
Von 2007 bis 2015 war Waldschmidt Mitglied von ANED – Academic Network of European Disability experts.[4] Von 2013 bis 2016 lief im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU[5] für 3 Jahre das Projekt „DISCIT - Making Persons with Disabilities Full Citizens - New Knowledge for an Inclusive and Sustainable Social Model“, an dem sich Waldschmidt beteiligt hat.[6]
2019 hat sie in Kooperation mit ALTER, European Society for Disability Research, und der Technischen Hochschule Köln, die internationale 8. ALTER-Jahrestagung[7] an der Universität zu Köln durchgeführt. Von 2018 bis 2021 leitet sie das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsprojekt „Dispositive von ‚dis/ability‘ im gesellschaftlichen Wandel. (Erwerbs-)Arbeit als biographische Erfahrung und Alltagspraxis im Kontext von (Nicht-)Behinderung“[8].
Waldschmidt ist seit 2007 zusammen mit Thomas Macho, Werner Schneider, Anja Tervooren und Heike Zirden Herausgeberin der Buchreihe Disability Studies: Körper – Macht – Differenz.[9]
Schriften (Auswahl)
- Das Subjekt in der Humangenetik. Expertendiskurse zu Programmatik und Konzeption der genetischen Beratung 1945–1990, Münster: Westfälisches Dampfboot, 1996 (zugleich Dissertation, Universität Bremen, 1995), ISBN 3-929586-80-0
- Disability Studies, Kultursoziologie und Soziologie der Behinderung. Erkundungen in einem neuen Forschungsfeld, Bielefeld: Transcript, 2007 (hgg. mit Werner Schneider), ISBN 978-3-89942-486-7
- Das Wissen der Leute. Bioethik, Alltag und Macht im Internet, Wiesbaden: VS, Verlag für Sozialwissenschaften, 2009 (mit Anne Klein und Miguel Tamayo Korte unter Mitarbeit von Sibel Dalman-Eken), ISBN 978-3-531-15664-4
- Disability History. Konstruktionen von Behinderung in der Geschichte. Eine Einführung, Bielefeld: Transcript, 2010, (hgg. mit Elsbeth Bösl und Anne Klein), ISBN 978-3-8376-1361-2
- Selbstbestimmung als Konstruktion. Alltagstheorien behinderter Frauen und Männer, 2. korrigierte Auflage, Wiesbaden: VS-Verlag, 2012, ISBN 978-3-531-17538-6 (1. Auflage 1999).
- Kontinuitäten, Zäsuren, Brüche? Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen in der deutschen Zeitgeschichte, Frankfurt am Main: Campus, 2016 (hgg. mit Gabriele Lingelbach), ISBN 978-3-593-50520-6
- Culture – Theory – Disability: Encounters between Disability Studies and Cultural Studies, Bielefeld: Transcript, 2017, (hgg. mit Hanjo Berressem und Moritz Ingwersen), ISBN 978-3-8394-2533-6 (Open Access)
- Understanding the Lived Experiences of Persons with Disabilities in Nine Countries. Active Citizenship and Disability in Europe Volume 2, London, New York: Routledge, 2018, (hgg. mit Rune Halvorsen, Bjørn Hvinden, Julie Beadle Brown, Mario Biggeri und Jan Tøssebro), ISBN 978-1-138-65292-7.
- Disability Studies zur Einführung., Hamburg: Junius, 2020, ISBN 978-3-96060-319-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- Internationale Forschungsstelle Disability Studies
- Center for Diversity Studies
- GeStiK - Gender Studies
- The Academic Network of European Disability Experts (ANED). Abgerufen am 23. Februar 2021.
- 7. Forschungsrahmenprogramm der EU, das mit 31. Dezember 2013 endete
- „Making Persons with Disabilities Full Citizens - New Knowledge for an Inclusive and Sustainable Social Model“, EU-gefördertes Projekt, Laufzeit: 2013–2016
- Histories, Practices and Policies of Disability: International, Comparative and Transdisciplinary Perspectives - Sciencesconf.org. Abgerufen am 28. Oktober 2019.
- DFG - GEPRIS - Dispositive von ‚Dis/ability‘ im gesellschaftlichen Wandel: (Erwerbs-)Arbeit als biographische Erfahrung und Alltagspraxis im Kontext von (Nicht-)Behinderung. Abgerufen am 28. Oktober 2019.
- Buchreihe Disability Studies: Körper – Macht – Differenz (transcript Verlag): Disability Studies. Körper – Macht – Differenz. Abgerufen am 10. März 2020.