Altfrid
Der heilige Altfrid (* um 800; † 15. August 874) war als Bischof von Hildesheim, Gründer des Stifts Essen als Keimzelle der Stadt Essen und enger Ratgeber des ostfränkischen Königs Ludwigs des Deutschen eine bedeutende Person des ausgehenden 9. Jahrhunderts.
Leben
Über Altfrid existiert keine zeitgenössische oder auch nur zeitnahe Vita. Seine erste gesicherte Erwähnung datiert vom 3. Oktober 852. An diesem Tag nahm er als Bischof von Hildesheim an einem Konzil in Mainz teil. Über Geburt, familiäre Abstammung und Ausbildung Altfrids ist nichts gesichert, jedoch kann einiges aus anderen Zeugnissen geschlossen werden.
Da Altfrid nach der Hildesheimer Chronik „reich an Tagen“ 874 starb, wird angenommen, dass er ein relativ hohes Alter erreichte, so dass eine Geburt um 800 oder kurz nach diesem Jahr angenommen werden kann. Er war sehr wahrscheinlich vornehmer sächsischer Abstammung; Altfrids Familie besaß Eigengüter im Harzvorland und die Grundherrschaft Asnithi (Essen). Dass er der später kaiserlichen Familie der Liudolfinger angehörte, ist nach neueren Erkenntnissen eher zweifelhaft, da die Liudolfinger erst nach Altfrids Tod Einfluss im Stift Essen gewannen. Wahrscheinlicher ist, dass die Familienverbände versippt waren. Das Erreichen des Amtes eines Bischofs lässt den Schluss zu, dass Altfrid eine umfassende Bildung genossen hatte, wahrscheinlich in einem sächsischen Kloster. Die spätere Geschichtsschreibung des Klosters Corvey reklamiert Altfrid als Konventsmitglied; dies könnte den Tatsachen entsprechen. Da eine eigenhändige Unterschrift Altfrids in karolingischer Minuskel bekannt ist, in der Forscher einen im westlichen Reichsteil gepflegten Regionalschreibstil zu erkennen glauben, und einige Handschriften, die Altfrid als Gründungsausstattung dem Stift Essen übergab, eindeutig im westlichen Reichsteil entstanden sind, wird teilweise auch eine Ausbildung im Westen angenommen.
851 wurde Altfrid Nachfolger des am 20. März dieses Jahres gestorbenen Bischofs Ebo in Hildesheim, wobei Ludwig der Deutsche seinen Einfluss geltend machte. Eine außergewöhnliche Maßnahme Altfrids war, dass er alle von seinem Vorgänger gespendeten Weihen wiederholen ließ, um jede kirchenrechtliche Streitigkeit um deren Gültigkeit – Ebo war mehrfach als Erzbischof von Reims abgesetzt und wieder eingesetzt worden – zu vermeiden. 864 überführte Altfrid Reliquien des heiligen Marsus von Auxerre an einen unbekannten Ort in Sachsen, möglicherweise die Abtei Corvey; die Predigt Altfrids zur Ankunft der Reliquien ist erhalten. Außerdem legte Altfrid 852 den Grundstein zu einem neuen Dom, einer dreischiffigen, kreuzförmige Basilika mit Vierung und Querhaus, die 872 fertiggestellt und am 1. November 872 in Gegenwart von vier Bischöfen und des Abtes von Corvey geweiht wurde.
Bereits vor der Ernennung zum Bischof hatte Altfrid an der Gründung mehrerer religiös verfasster Frauengemeinschaften mitgewirkt. 845/47 erwarb er in Rom Reliquien der Heiligen Cosmas und Damian. Bei dieser Reise begleitete er möglicherweise Liudolf und dessen Gemahlin Oda, die 846 auf einer Romreise päpstlichen Schutz für die Gründung der Frauengemeinschaft Gandersheim, Dispens für die Ernennung ihrer Tochter Hathumod zur Äbtissin und Reliquien erbaten. Auch den sächsischen Grafen Ricdag unterstützte Altfrid bei der Gründung der Frauengemeinschaft zu Lamspringe, indem er diesem Reliquien des Hl. Hadrian aus Rom beschaffte. Altfrid gründete nach Hildesheimer Überlieferung ferner ein Benediktinerkloster auf eigenem Land im Harzvorland, von dem weder Ort noch Dauer der Existenz bekannt sind. Bedeutender wurde Altfrids andere Gründung, die er auf seinem Eigenbesitz Asthnide am Hellweg vornahm. Die Gründung von Essen erfolgte nicht durch Altfrid allein, sondern vermutlich durch seine gesamte Familie. Erste Äbtissin Essens wurde seine Verwandte Gerswith, die später zu einer Schwester Altfrids erklärt wurde, ohne dass es dafür einen Anhaltspunkt gab. Auch die zweite Essener Äbtissin Gerswith II. gehörte noch zu Altfrids Verwandtschaft. Wie in Hildesheim auch ließ Altfrid in Essen einen Kirchenbau errichten. Der Grundriss dieser karolingischen Stiftskirche wird noch heute von Lang- und Querhaus des Essener Münsters abgebildet. In dieser Kirche wurde Altfrid seinem Wunsch gemäß begraben, das Altfridsgrabmal aus gotischer Zeit steht heute in der nach ihm benannten Ostkrypta.
Diplomat
Altfrid, der in einem Brief des Bischofs Hinkmar von Reims als kluger und nüchterner Denker und mit Beredsamkeit begabt geschildert wird, war ein enger Vertrauter Ludwigs des Deutschen, und ab 860 in den Machtkämpfen zwischen den Reichsteilen des zerfallenden Frankenreiches einer der entscheidenden Unterhändler. 860 nahm Altfrid an dem Treffen zwischen Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen in der Koblenzer Basilika St. Kastor teil, wo die beiden Könige einen Teilfrieden vereinbarten. In den Folgejahren kann eine rege Reisetätigkeit Altfrids festgestellt werden: Im Frühsommer 862 ist er in Asselt an der Maas, später in Compiegne und Savonnières, 864 in Pitres, 865 in Thousey an der Maas und 867 schließlich in Metz bezeugt. Altfrid hatte maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung des Vertrags von Meersen, mit dem am 9. August 870 Lothringen zwischen West- und Ostfrankenreich aufgeteilt wurde.
Nachwirken
Altfrid wurde an seinem Grab in Essen besonders verehrt. Um die Jahrtausendwende wurden an seinem Grab Wunder berichtet, was die Verehrung aufblühen ließ; auch die als heilkräftig angesehene Wirkung einer unweit des Essener Münsters gelegenen Quelle wurde seiner Fürbitte zugeschrieben. Nach dem Brand der Münsterkirche im 13. Jahrhundert wurde ein gotischer Steinsarkophag für seine Gebeine geschaffen. Das Jahresgedächtnis Altfrids war das festlichste im Memorialdienst des Essener Stiftes. Trotzdem war Altfrid kein kanonisierter Heiliger, und mit der Säkularisation des Stiftes 1803 nahm die Altfridverehrung ab, um erst im Kulturkampf wieder stärker zu werden. Nach der Gründung des Bistums Essen 1958 ersuchte der erste Ruhrbischof in Rom um die Bestätigung der kirchlichen Feier des Festtags des heiligen Altfrid, die 1965 erteilt wurde. Altfrid darf damit seit 1965 als Heiliger verehrt werden, sein Gedenktag ist der 16. August.
Siehe auch
- Altfridkirchen
Literatur
- Ernst Dümmler: Altfrid. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 1, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 364 f.
- Sabine Krüger: Altfrid. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 218 (Digitalisat).
- Alfred Pothmann: Bischof Altfrid (um 800–874). Der Hildesheimer Bischof und die Essener Frauengemeinschaft, in: Alfred Pothmann u. Reimund Haas (Hrsg.): Christen an der Ruhr, Bd. 2, Verlag Peter Pomp, Bottrop Essen 2002, ISBN 3-89355-231-6.
- Hedwig Röckelein: Altfrid, Gründer des Stifts Essen und international agierender Kirchenmann?, in: Thomas Schilp (Hrsg.): Frauen bauen Europa. Internationale Verflechtungen des Frauenstifts Essen. Klartext Verlag, Essen 2011, ISBN 978-3-8375-0672-3, S. 27–64.
- Ekkart Sauser: Altfrid. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 17, Bautz, Herzberg 2000, ISBN 3-88309-080-8, Sp. 35–36.
- Thomas Schilp: Altfrid oder Gerswid? Zur Gründung und den Anfängen des Frauenstifts Essen. In: Thomas Schilp, Günther Berghaus, Michael Schlagheck (Hrsg.): Herrschaft, Bildung und Gebet. Gründung und Anfänge des Frauenstifts Essen. Klartext Verlag, Essen 2000, S. 29–42, ISBN 3-88474-907-2.
Weblinks
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Ebo (Ebbo) | Bischof von Hildesheim 851–874 | Markward |