Alter Braunschweiger Bahnhof
Als Alter Braunschweigischer Bahnhof wird heute das vom Architekten Hannes Westermann entworfene Direktionsgebäude der Braunschweigischen Landessparkasse bezeichnet. Es enthält die nach der Zerstörung während des Zweiten Weltkriegs erhalten gebliebene Nordfassade des vom Architekten Carl Theodor Ottmer 1843 bis 1845 errichteten spätklassizistischen Empfangsgebäudes des bis 1960 bestehenden alten Braunschweiger Bahnhofs.
Das Empfangsgebäude des alten Bahnhofs hatte einen ebenfalls von Ottmer errichteten Vorgänger. Dieses 1838 gebaute Gebäude wurde wegen des stark angewachsenen Verkehrsaufkommens schon 1843 abgerissen und durch den zweiten, bis in den Zweiten Weltkrieg benutzten Ottmer-Bau ersetzt. Dessen Überbleibsel wurden zusammen mit dem gesamten alten Bahnhof für anderweitige Nutzung frei, als der 1960 an anderem Platz errichtete neue Braunschweiger Bahnhof in Betrieb genommen worden war.
Geschichte
Der Alte Bahnhof wurde auf einer Halbinsel, der Küsters Insel, südlich der Altstadt angelegt. Küsters Insel war umgeben von der Oker, dem Westlichen Umflutgraben und dem Neustadtmühlengraben. 1870 wurde der Westliche Umflutgraben südlich vom Bahnhof kanalisiert und umgeleitet, wodurch der Bahnhof nicht mehr von allen Seiten mit Wasser umgeben war.
Erster Ottmer-Bau
Der erste Bahnhof in Braunschweig wurde vom Braunschweigischen Hofbaurat Carl Theodor Ottmer im gotischen Stil für die Herzoglich Braunschweigische Staatseisenbahn entworfen und 1838 erbaut. Er wurde zusammen mit der Bahnstrecke Braunschweig–Bad Harzburg – der ersten deutschen Staatseisenbahn überhaupt – am 1. Dezember 1838 in Betrieb genommen.
Wie aus Stadtplänen ersichtlich, war die Anlage als Durchgangsbahnhof konzipiert, obwohl der Braunschweiger Bahnhof das Ende der Eisenbahnstrecke darstellte. Jedoch wäre schon damals eine Fortführung der Gleise nicht möglich gewesen, da sich an deren Ende mehrere Okerarme und die Braunschweiger Altstadt befanden. Den dafür charakteristischen Kopfbau gab es noch nicht, das Gleis endete an einer Drehscheibe, über die Wagen und Lokomotiven in die einzelnen Wagenschuppen dirigiert werden konnten.
Das in neogotischem Stil gehaltene Gebäude selber ist im Wesentlichen nur durch eine einzige Ansicht – in mehreren Varianten – überliefert und zeigte eine offene, gewölbte Eingangshalle mit erhöhtem Mittelbau.
Das 1838 errichtete Gebäude existierte nur wenige Jahre und wurde wegen des stark angewachsenen Verkehrsaufkommens schon 1843 beseitigt.
Zweiter Ottmer-Bau
Der Erstbau wurde 1845 durch einen Neubau ersetzt, der ebenfalls von Ottmer stammte. Dieser Neubau war im Gegensatz zum ersten Bahnhofsgebäude als Kopfbahnhof konzipiert und im klassizistischen Stil gehalten.
Neben einer Halle, in die mehrere Gleise hineinführten, gab es einen zur Stadt hin orientierten Kopfbau, dessen Fassade sich mit ihrem Triumphbogen-Motiv an das Eosanderportal des Berliner Stadtschlosses anlehnt. Der Kopfbau fungierte allerdings nicht als Gleishalle, sondern enthielt den Restaurations-Bereich nebst Wartesälen.
Der Zugang zu den Gleisen erfolgte von den Flankenseiten des Hallengebäudes, wobei zwischen der Abfahrts- und der Ankunftsseite unterschieden wurde. Die Abfahrtsseite an der Südflanke wies in der Mitte einen zur Hälfte in die Loggia vor der Halle eingebundenen Monopteros auf, der dem Aachener Elisenbrunnen nachempfunden war.
Ottmer verband bei seinem Entwurf für den zweiten Braunschweiger Bahnhof also sehr unterschiedliche Vorbilder. Damit setzt sich sein Bahnhofsentwurf von den Kopfbahnhof-Entwürfen seiner Zeitgenossen deutlich ab.
Auch dieser Neubau erwies sich schon bald dem steigenden Verkehrsaufkommen des beginnenden Industriezeitalters nicht mehr gewachsen, so dass die Gleishalle mehrfach erweitert werden musste. Das Bahnhofsgebäude selber wurde dabei aber kaum verändert. Am Ende des 19. Jahrhunderts erhöhte man die Zahl der Gleise in der Bahnhofshalle.
Letztendlich genügte auch die Bahnhofshalle nicht mehr den Anforderungen, und die Bahnsteige wurden nach draußen verlegt. Die Bahnhofshalle wurde zum Wartesaal.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Bahnhof mehrfach schwer durch die zahlreichen Luftangriffe auf Braunschweig (v. a. 1944) in Mitleidenschaft gezogen, so dass der Betrieb erheblich beeinträchtigt wurde.
1960 wurde ein an anderem Platz errichteter Braunschweiger Bahnhof in Betrieb genommen. Die Ruine des Kopfbaus des alten Bahnhofs wurde von der Braunschweigischen Staatsbank (heute Braunschweigische Landessparkasse) erworben. Mit Erhaltung der Nordfassade wurde vom Architekten Hannes Westermann ein Neubau errichtet, der der Bank seit 1966 als Direktionsgebäude dient.
Neuer Bahnhof (Braunschweig Hauptbahnhof)
Bereits 1870[1][2] bestanden Pläne, den Bahnhof in Braunschweig an den heutigen Berliner Platz zu verlegen. Wegen des Krieges geriet der Plan jedoch erst spät zur Ausführung. Der alte Kopfbahnhof genügte vor allem im Fracht- und Postverkehr nicht mehr den Anforderungen. Auch die Kopfform und das damit einhergehende zeitraubende Wechseln der Lokomotiven war nicht mehr zeitgemäß.
Daher wurde im Südosten der Stadt ein neuer Durchgangsbahnhof geschaffen. Der neue Braunschweiger Hauptbahnhof wurde am 1. Oktober 1960 eingeweiht. Damit hatte der „Alte Bahnhof“ ausgedient und stellte seinen Betrieb ein.
Quellen
- Hauptbahnhof Braunschweig 1960; 1960
- siehe Stadterweiterungsplan der Stadt Braunschweig, Entworfen von C. Tappe, Stadtbaumeister, 1870
Literatur
- Gerd Biegel / Angela Klein (Hrsg.): Carl Theodor Ottmer. 1800 - 1843. Braunschweigischer Hofbaumeister – Europäischer Architekt. Ausstellungskatalog des Braunschweigischen Landesmuseums aus Anlass des 200. Todestages von Carl Theodor Ottmer, Braunschweig 2000; darin:
- Claudia Anette Gronen: Carl Theodor Ottmers klassizistisches Empfangsgebäude von 1843 als zweiter Bahnhof der Braunschweigischen Staatseisenbahn (S. 189–205)
- Claudia Anette Gronen: Der erste Braunschweiger Hauptbahnhof von Carl Theodor Ottmer. Ein Hauptwerk der europäischen Bahnhofsarchitektur. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-672-0.
- Mathias Haenchen: Das erste Empfangsgebäude des Braunschweiger Bahnhofs und seine Stellung im „gotischen“ Werk Ottmers (S. 179–187)
Weblinks
- Informationen zum Alten Staatsbahnhof
- Ansicht des Bahnhofs im 19. Jahrhundert auf kulturerbe.niedersachsen.de