Alexander Shulgin
Alexander „Sasha“ Theodore Shulgin (* 17. Juni 1925 in Alameda, Kalifornien; † 2. Juni 2014 in Lafayette, Kalifornien) war ein amerikanischer Chemiker und Pharmakologe russischer Abstammung. Er ist bekannt für seine jahrzehntelange Arbeit in der systematischen Entwicklung von synthetischen Halluzinogenen, überwiegend aus den Strukturklassen der Phenethylamine und Tryptamine. In den 1990er Jahren wandte Shulgin sich mit seinen Büchern PiHKAL und TiHKAL an eine breite Öffentlichkeit.
Leben
Nachdem Shulgin in der US-Navy gedient hatte, studierte er Biochemie an der U.C. Berkeley. Den Doktorgrad Ph. D. erlangte er 1954. In den späten 1950er Jahren forschte er als Post-Doktorand an der U.C. San Francisco auf dem Gebiet der Pharmakologie. Nach einer kurzen Phase als Forschungsdirektor bei Bio-Rad Laboratories wurde er Forschungschemiker bei Dow Chemical. Dort entwickelte er das erste biologisch abbaubare Insektizid Mexacarbat, das von Dow Chemical unter dem Markennamen Zectran vertrieben wurde.[1] Als Anerkennung räumte sein Arbeitgeber ihm großzügigen Raum ein für seine private Forschung über psychedelisch wirkende Substanzen, die er zuvor schon beiläufig betrieben hatte. Nach einiger Zeit jedoch wollte das Unternehmen mit Shulgins psychedelischen Arbeiten nicht mehr in Verbindung gebracht werden und untersagte ihm, in seinen Publikationen als Autorenadresse weiterhin die Adresse von Dow Chemical anzugeben.[2]
1965 verließ er Dow Chemical. Er arbeitete danach als wissenschaftlicher Berater für die Drug Enforcement Administration (DEA) und das National Institute on Drug Abuse (NIDA)[3][4][5] und unterrichtete Forensische Toxikologie und Public Health an den Universitäten von San Francisco und am San Francisco General Hospital. Er hatte bis 1994 das Privileg, eine staatliche Lizenz zu besitzen, die ihm das Arbeiten mit verbotenen Drogen („Schedule I Drugs“) erlaubte.[6][7] Nach einer Razzia seines Labors in seinem Schuppen durch die DEA im Jahre 1994 wurde ihm jedoch diese Sondererlaubnis entzogen und eine Strafzahlung von 25.000 Dollar abgefordert wegen Arbeiten für anonyme Auftraggeber, die er dann auch beglich.[8][2][1] Shulgin sagte in einem Interview, dass er sich an die geltende Gesetzeslage gehalten habe.[1]
In den 1960er Jahren stellte Shulgin einige Mescalin-Analoga her und publizierte die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature.[9][10] 1976 wurde er von einer Studentin auf die psychoaktive Wirkung von MDMA – heutzutage einer der Hauptbestandteile von Ecstasy – aufmerksam gemacht, als dessen psychoaktive Eigenschaft noch kaum bekannt war.[7] Shulgin bezeichnete MDMA als sein „low-calorie Martini“.[11] Er entwickelte daraufhin im selben Jahr eine neue Synthesemethode für die bereits 1912 von Merck erstmals hergestellte und 1914 patentierte, aber als kommerziell wertlos eingestufte Substanz.[12] In Folge stellte er 1976 MDMA dem befreundeten Psychologen Leo Zeff vor.[7] Zeff setzte daraufhin MDMA in niedriger Dosierung in seinen gesprächstherapeutischen Sitzungen als Hilfsmittel ein. Shulgin wurde prominent in der Geschichte des MDMAs, als er 1978 zusammen mit dem US-Pharmakologen David Nichols die erste psychopharmakologische Studie zu MDMA veröffentlichte.[13][14]
Seitdem hat Shulgin mehr als dreihundert psychoaktive Verbindungen synthetisiert und im Selbstversuch mit seiner Frau Ann Shulgin getestet. Die daraus gewonnenen Erfahrungen, Synthesewege und Dosisangaben hat er in vier Büchern sowie in über zweihundert Zeitschriftpublikationen veröffentlicht. Shulgins bekannteste Entdeckungen sind das DOB und das 2C-B. Er gilt auch als Namensgeber der 2C-Stoffgruppe. Er war in der „psychedelischen Gemeinde“ aktiv, hielt Vorträge auf Konferenzen und gab Interviews.
Sein Leben und Wirken wurde in dem Dokumentarfilm „Dirty Pictures“ (deutscher Titel: „Ecstasy Bandits“) dargestellt.[15]
Rezeption
Obwohl er nicht der Erfinder von MDMA war, sondern eine vereinfachte Synthese beschrieben hatte, wurde er in der Clubkultur elektronischer Musik als Godfather of Ecstasy bezeichnet.[1] In einer systematischen Übersichtsarbeit von 2014 zur Synthese von Designerdrogen wurden die Konsequenzen von Shulgins Einsichten als „verheerend“ bezeichnet.[11]
Literatur
- Alexander Shulgin: Controlled Substances. A Chemical and Legal Guide to Federal Drug Laws. Ronin, Berkeley 1988, ISBN 0-914171-50-X.
- Alexander Shulgin, Ann Shulgin: PiHKAL – A Chemical Love Story. Transform Press, Berkeley 1991, ISBN 0-9630096-0-5. (online)
- Alexander Shulgin, Ann Shulgin: TiHKAL, the Continuation. Transform Press, Berkeley 1997, ISBN 0-9630096-9-9. (online)
- Alexander Shulgin: The Simple Plants Isoquinolines. Transform Press, Berkeley 2002, ISBN 0-9630096-2-1.
- Alexander T. Shulgin, Tania Manning, Paul F. Daley: The Shulgin Index: Psychedelic Phenethylamines and Related Compounds. Band 1, Transform Press, Berkeley 2011, ISBN 978-0-9630096-3-0.
- Shulgin Lab Books Vol. 1 (PDF; 22MB) & Vol. 2 (PDF; 100MB)
Weblinks
- shulginresearch.org: The Alexander Shulgin Research Institute
- Literatur von und über Alexander Shulgin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Alexander Shulgin. In: Erowid. (englisch)
- Alexander T. Shulgin: Drogen für die Medizin. In: Technology Review. 9. September 2005. (deutsch)
- psi-tv.tk: Video Referat: Natural origins of psychedelic drugs – Alexander Sasha Shulgin: A Chemical Performance (englisch)
- vice.com: SiHKAL: Shulgins I Have Known and Loved. 22. Dezember 2010 (englisch)
Einzelnachweise
- Alexander Shulgin obituary. In: The Guardian. 3. Februar 2018 (abgerufen 21. Februar 2018).
- Drake Bennett: Dr. Ecstasy. In: The New York Times Magazine. 30. Januar 2005, abgerufen 20. Februar 2018.
- P. Jacob, A. T. Shulgin: Structure-activity relationships of the classic hallucinogens and their analogs. In: NIDA Research Monograph. 146, 1994, S. 74–91.
- archives.drugabuse.gov (PDF; 5,6 MB)
- articles.latimes.com
- Nicolas David Langlitz: Neuropsychedelia: The Revival of Hallucinogen Research Since the Decade of the Brain. University of California, Berkeley with the University of California, San Francisco 2007, ISBN 978-0-520-27481-5, S. 77–78.
- shulginresearch.org: Alexander ‘Sasha’ Shulgin
- Brian Vastag: Chemist Alexander Shulgin, popularizer of the drug Ecstasy, dies at 88. In: The Washington Post. 3. Juni 2014 (abgerufen 21. Februar 2018).
- A. T. Shulgin u. a.: The Psychotomimetic Properties of 3,4,5-Trimethoxyamphetamine. In: Nature. Vol. 189, 1961, S. 1011–1012, doi:10.1038/1891011a0.
- A. T. Shulgin: The ethyl homologs of 2,4,5-trimethoxyphenylisopropylamine. In: J. Med. Chem. Vol. 11 (54), 1968, S. 186–187. PMID 5637180.
- G. Appendino, A. Minassi, O. Taglialatela-Scafati: Recreational drug discovery: natural products as lead structures for the synthesis of smart drugs. In: Natural product reports. Band 31, Nummer 7, Juli 2014, S. 880–904, doi:10.1039/c4np00010b. PMID 24823967 (Review) (freier Volltext). „Shulgin claimed that mescaline made him aware of the existence of a world buried in our spirit, whose “availability” was “catalyzed” by chemicals. The consequences of these insights were devastating.“
- Drake Bennett: Dr. Ecstasy. (Nicht mehr online verfügbar.) In: New York Times Magazine. 30. Januar 2005, archiviert vom Original am 13. Juli 2012; abgerufen am 22. Mai 2013.
- A. T. Shulgin, D. E. Nichols: Characterization of three new psychotomimetics. In: R. C. Stillman, R. E. Willette (Hrsg.): The Psychopharmacology of Hallucinogens. Pergamon Press, New York 1978, S. 74–83.
- T. Passie, U. Benzenhöfer: The History of MDMA as an Underground Drug in the United States, 1960–1979. In: Journal of psychoactive drugs. Band 48, Nummer 2, Apr-Jun 2016, S. 67–75, doi:10.1080/02791072.2015.1128580. PMID 26940772.
- Dirty Pictures. Internet Movie Database, abgerufen am 22. Mai 2015 (englisch).