Agrarkolonisation
Agrarkolonisation ist die Inkulturnahme landwirtschaftlich bislang noch nicht genutzter Landschaftsräume. Man unterscheidet eine staatlich geplante, private oder auch ungeplante Agrarkolonisation. Von Agrarkolonisation spricht man heute meist bei Erschließungen in den Tropen, wie z. B. Amazonien, weniger auch bei der Besiedlung und Kultivierung nördlicher Waldgebiete in Kanada oder Sibirien.[1]
Oft geht eine massiv forcierte Agrarkolonisation und die Ansiedlung von großen Bevölkerungsmassen mit einer starken Bodendegradation einher. Oft handelt es sich um Umsiedlungen von Bevölkerungsschichten aus urbanen Ballungsgebieten in landwirtschaftlich noch nicht oder wenig genutzten Arealen. Problematisch sind auch die sozioökonomische Aspekte, wenn Siedler auf den neu erschlossenen Böden neue Bewirtschaftungsformen erlernen müssen, wie beispielsweise die Ansiedlung von Hochlandindianern in die mit tropischen Regenwald bewachsenen Tiefländer Boliviens.
Fallbeispiele
Rondônia
Amazonien wurde während der Siedlungsgeschichte Brasiliens entlang der großen Transportwege, zum Beispiel der Transamazônica, erschlossen.[2] Rondônia wird seit den 1970er Jahren systematisch besiedelt und erreichte in den 1980er Jahren die stärkste Besiedlungsphase. Danach ist ein steiler Abfall der Wachstumsrate zu verzeichnen, da es außer Land- und Weidewirtschaft wenig Erwerbsmöglichkeiten gibt. Die Gesamtbevölkerung steigt jedoch.
Transmigration nach Kalimantan
In Indonesien wurden von 1969 bis Mitte 1998 etwa 1,6 Millionen Familien aus den überbevölkerten Ballungsräumen der Städte auf die Insel Kalimantan (Borneo) umgesiedelt, um somit einem weiteren Bevölkerungsanstieg und vermehrter Armut in den Städten zu begegnen. Kalimantan wurde ausgewählt, da es sich um eine dünn besiedelte Insel handelte, welche nach Ansicht der Planer eine ausreichende Tragfähigkeit für eine größere Besiedlung hätte. Das Projekt scheiterte im großen Stil, da die Parzellen der Siedler zu klein waren und die tropischen Böden nach Kahlschlag sehr schnell auslaugten. Weiterhin entwickelten sich Konflikte zwischen den Einheimischen und den „Transmigrasi“, hauptsächlich um Landnutzungsrechte.[3] Der Besiedlungswelle folgte nach einigen Jahren eine große Rückwandererwelle, welche die soziale Not in den Großstädten verschlimmerte.[4] Die sozialen Spannungen führten zu politischen Unruhen in Indonesien.[5]
Literatur
- Johannes Winter: Regionalentwicklung durch Agrarkolonisation? Erfahrungen aus Bolivien, Bolivia – Berichte und Analysen, 2006 Nr. 29/146, S. 42–45.
- Thomas Ludewigs, Alvaro de Oliveira D’Antona, Eduardo Sonnewend Brondizio, Scott Hetrick: Agrarian Structure and Land-cover Change Along the Lifespan of Three Colonization Areas in the Brazilian Amazon. In: World Development, 37 (2009) Elsevier, S. 1348–1359.
- Robert Mihelli, Verena Kettenhofen, Bolivien 1950–1980: Die Agrarkolonisation der Hochlandindianer, Hauptseminararbeit, 2004, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (Geographisches Institut), ISBN 978-3-638-27139-4.
- Jonathan Rigg, Land settlement in Southeast Asia: the Indonesian transmigration program, Southeast Asia: a region in transition. London, 1991 Unwin Hyman, S. 80–108.
- Colin Mac Andrews: Transmigration in Indonesia: prospects and problems, 1978, Asian Survey Nr. 18/5, S. 458–472.
Einzelnachweise
- http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/geogr/169
- http://www.diercke.de/kartenansicht.xtp?artId=978-3-14-100700-8&seite=219&id=5227&kartennr=5
- Transmigration, Landrechte und indigene Völker (Memento vom 13. März 2014 im Internet Archive)
- http://www.asienhaus.de/public/archiv/05-3-047.pdf
- Indonesische Transmigrations-Politik provoziert Unruhen (Memento vom 1. August 2012 im Webarchiv archive.today)