Adrian Pavlov
Adrian Pavlov (* 12. Juli 1979 in Sofia) ist ein bulgarischer Komponist, Dirigent und Pianist, der seit 1998 in Deutschland lebt.
Leben
Pavlov bekam seinen ersten Klavierunterricht im Alter von sieben Jahren. 1993–1998 war er Schüler am Musikgymnasium „Ljubomir Pipkov“ Sofia mit Hauptfach Klavier bei Svetla Slavtscheva. Von 1994 bis 1996 machte er erste Kompositionsversuche unter der Leitung von Aleksandar Rajtschew und bekam eine Einführung ins Chordirigieren.
Von 1998 bis 2003 studierte Pavlov Klavier bei Georg Sava, von 2002 bis 2007 Komposition bei Hanspeter Kyburz und 2006–2011 Orchesterdirigieren bei Hans-Dieter Baum an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" in Berlin. 2003 nahm er an einem Kompositionskurs von Henri Pousseur in der Schweiz teil.
Pavlovs Werke wurden bisher in Bulgarien, Deutschland (Festival Mouvement. Musik im 21. Jahrhundert Saarbrücken 2004, Festival Next Generation am ZKM Karlsruhe 2005, Biennale Zeitfenster Berlin 2006, Festival Orgelmixturen Köln 2010), Holland (International Gaudeamus Music Week Amsterdam 2004 und 2005), Österreich (Festival Wien Modern 2003), Schweden (ISCM World New Music Days 2009), der Schweiz und den Vereinigten Staaten aufgeführt.
1998 gewann Pavlov einen ersten Preis beim Zweiten Nationalen Wettbewerb für Klavierduos in Sofia. Für seine pianistischen und dirigentischen Leistungen auf dem Gebiet der Neuen Musik wurde er mehrfach mit dem ersten Preis beim Hanns-Eisler-Preis für Komposition und Interpretation zeitgenössischer Musik ausgezeichnet (2000, 2001, 2004, 2009 und 2010). Unter seiner Leitung fanden mehrere Uraufführungen zeitgenössischer Werke statt.
Zusammenarbeit als Interpret verbindet Pavlov mit zahlreichen Komponisten, Sängern, Instrumentalisten und Dirigenten, unter anderem mit Annette Dasch, Júlia Várady, Dietrich Fischer-Dieskau, Gidon Kremer, Jacques Zoon, Sebastian Weigle, Peter Rundel, Marcus Creed, Helmut Lachenmann, Friedrich Goldmann und Tristan Murail. Als Dirigent stand er am Pult der Brandenburger Symphoniker, der Jungen Philharmonie Brandenburg und des Konzerthausorchesters Berlin und trat mit diversen Ensembles für Neue Musik auf.
Werke
Pavlovs Kompositionen sind stark durch außermusikalische Einflüsse geprägt, besonders aus den Bereichen Literatur, Malerei und Film. Sein Hauptinteresse im kreativen Schaffensprozess gilt der Gestaltung der Zeit, respektive der Möglichkeit, diese aus den verschiedensten subjektiven und objektiven Perspektiven zu erleben. Insofern ist für seine Musik auch das Problem der rhythmischen Organisation wichtig.
Technisch gesehen basieren viele von Pavlovs Werken auf isorhythmischen Prinzipien, wobei im rhythmischen Bereich oft metrische Strukturen aus der an unregelmäßigen Bildungen reichen bulgarischen Folklore sowie deren Varianten und Ableitungen eine wesentliche Rolle spielen. Genau geregelte Temporelationen und teilweise simultane Verläufe verschiedener Tempi gehören zu seinen bevorzugten Mittel der musikalischen Gliederung.
Der Formverlauf, aber auch die Melodie- und Harmoniebildung sowie teilweise die Instrumentation werden oft durch mathematische Verfahrensweisen gesteuert, die Berührungspunkte mit algorithmischen Kompositionsverfahren (L-Systeme) aufweisen. Ebenso spielen im melodischen und harmonischen Bereich Mikrointervalle eine entscheidende Rolle.
Werkverzeichnis (Auswahl)
Szenisches Werk
- Dafne / Annäherungsversuche, Musiktheater für Solisten, Kammerchor, Ensemble und Elektronik nach Ovid/Martin Opitz, Textzusammenstellung Adrian Pavlov (2005–06)
Vokalwerke
- Réciproque für eine Frauenstimme mit Schlagzeug und Elektronik (2004–05)
- Berceuse pour L. für 15 Singstimmen in zwei Gruppen und zwei Schlagzeuger (2006)
- Das Buch der Stimmen für Mezzosopran, Altflöte, Violoncello und 10 Singstimmen in zwei Gruppen, nach verschiedenen Texten (2007–08)
- …pour chaque jour… für Sopran, Violine und Klavier, Text von René Char (2009)
- Evening Songs für Mezzosopran und Klavier, Text von Langston Hughes (2009)
Orchesterwerke
- …aus Zeit und Wasser… für großes raumverteiltes Orchester (2000–01)
- Générique für großes Orchester (2003)
- Cascades für Violine und kleines Orchester (2004–05)
Ensemblewerke
- Prologe (Streichquartett Nr. 1) für elektrisch verstärktes Streichquartett mit Sopransolo (1999–2001, revidierte Neufassung 2009–10)
- Harmonies (Omaggio a Luciano Berio) für neun Instrumentalisten (2002)
- hell & dunkel I für Klarinette/Bassklarinette und Marimbaphon (2003)
- hell & dunkel II (Lobgesang) für Klarinette/Pikkoloklarinette und Schlagzeug (2007)
- Corali für Celesta und 12 Violinen (2008–09)
Solowerke
- Charabia für Viola (2006)
- Sonata breve (Les escaliers énigmatiques) für Orgel (2009)
- Palimpsest für Bassflöte (2009–10)
Theoretische Arbeiten und sonstige Schriften
- Pantscho Wladigerow – Leben und Werk (Sofia 1997, in bulgarischer Sprache)
- Über das konstruktive Potential des musikalischen Zeitmasses, theoretische Arbeit zum Diplom (Berlin: Hochschule für Musik "Hanns Eisler", 2007)
- Friedrich Goldmann, Fragment in memoriam (in: "Kultur" Nr. 29 (2556) vom 30. Juli 2009, in bulgarischer Sprache) – Volltext
Weblinks
- Homepage des Komponisten auf der Webseite des bulgarischen Komponistenverbandes (in bulgarischer und englischer Sprache)
- Svetlana Neycheva: Ohne führende Tendenz – Kritik der International Gaudeamus Music Week 2005, in bulgarischer Sprache, in: "Kultur" Nr. 40 (18. November 2005)