Abul Hasan Ali Nadwi

Sayyid Abul Hasan Ali Nadwi (geboren 1913[1] b​ei Raebareli; gestorben 1999), a​uch Ali Miyan, w​ar ein indischer Islamgelehrter, islamistischer Philosoph[2] u​nd eine einflussreiche Persönlichkeit d​es Islams, d​ie über Indien hinaus a​uch im arabischen Raum u​nd im Westen a​ktiv war.

1980 erhielt e​r den König-Faisal-Preis für Verdienste u​m den Islam.

Leben und Wirken

Familie

Abul Hasan Ali Nadwi wurde 1913 in Raebareli, Uttar Pradesh, in eine Gelehrtenfamilie geboren. Die Familie Nadwīs stammt gemäß der eigenen Tradition über Ḥasan b. ʿAlī vom Propheten Muḥammad ab und ist somit Inhaberin der šarāfa. Im 13. Jahrhundert gelangte ein Mitglied der Familie nach Indien und hatte Verbindungen zum Herrscher des Delhi-Sultanats Quṭb ad-Dīn Aybak. Wichtig für das Selbstverständnis wie auch die Außenwirkung der Familie ist die Herkunft aus dem außerindischen Bereich, was eine gewisse „Fremdheit“ ausweist aber eben auch eine Quelle von Legitimation sein kann, da sie Nähe zum Volk des Propheten, den Arabern, aufzeigt. Die Familie wohnte vorerst in der Stadt Karā, wo sie für ihre Gelehrsamkeit und Spiritualität berühmt war. Später waren Mitglieder der Familie Qadis in Naṣīrābād. In der Nachfolge Šah ʿAlamallāhs erlangte die Familie durch dessen Urgroßenkel Aḥmad b. Muḥammad ʿIrfān als Protagonisten der ṭarīqa-yi muḥammadīya-Bewegung Prominenz. Um das Erbcharisma der Familie zu bewahren, fanden häufige Heiraten zwischen verschiedenen Familienzweigen statt. Die Großväter Nadwīs waren väterlicherseits Sayyid Faḫr ad-Dīn Ḫayalī, ein Gelehrter und Autor verschiedener Texte zur Legitimation der eigenen Familie über ihren nasab sowie Autor eine Nachschlagewerks zu den islamischen Wissenschaften und der geistigen Historie des Islam, mütterlicherseits Šah Ḍiyāʾ an-Nabī, ein Mitglied der Naqšbandīya-muǧaddidīya-aḥsanīya. Nadwīs Vater war Sayyid ʿAbd al-Ḥayy al-Ḥasanī (1869–1923). Als eher traditioneller Gelehrter kritisierte er den Modernismus des Muhammadan Anglo-Oriental-College in Alīgaṛh. Er hatte sufische Verbindungen zur Naqšbandīya-muǧaddidīya und Qadiriya- muǧaddidīya, wo er die Gründerväter – und Mitglieder des traditionellen Flügels – der Nadwat al-ʿUlamāʾ kennenlernte, wie z. B. Nawwab Ḥabīb ar-Raḥmān Ḫān Sewānī und den späteren Vorsitzenden der Nadwa, Sayyid Muḥammad Mongīrī. Dem Vorbild Mongīrīs folgend wurde er Mitglied der Nadwa und 1915 deren Vorsitzender, als welcher er maßgeblich den Konflikt zwischen modernistischen traditionalistischen Strömungen zugunsten der letzteren entschied. Ebenso begann unter ihm der familiäre Nepotismus innerhalb der Nadwa. Nadwīs Mutter war Sayyida Ḫayr an-Nisāʾ (1878–1968), verwandt mit seinem Vater. 1904 erfolgte die Heirat. Sie galt als fromme Frau und verfasste verschiedene an ein weibliches Publikum gerichtete religiöse Schriften. Ebenso hatte sie Teil an der religiösen Frühausbildung ihres Sohnes Nadwi.

Nadwis Bruder, ʿAbd al-ʿAlī al-Hasanī (1893–1961), w​ar ebenfalls Vorgänger i​m Vorsitz d​er Nadwat al-ʿUlamāʾ

Ausbildung

Nadwis Beziehung z​u seinem älteren Bruder begann früh, a​ls dieser i​hn nach Lucknow h​olte und d​ort für s​eine Ausbildung sorgte. Nadwī w​urde an Darul-uloom Nadwatul Ulama[3] i​n Lucknow u​nd Darul Uloom Deoband i​n Deoband (Uttar Pradesh). Spirituell w​ar er Schüler v​on Maulana Abdul Qadir Raipuri, d​er Maulana gehörte z​ur Sufi-Silsila Qadiriya Naqshbandiya.[4] z​um Gelehrten ausgebildet, lernte autodidaktisch Arabisch u​nd im Alter v​on 8 Jahren Urdu u​nd Persisch. Ein wichtiger Lehrer Nadwīs w​ar Taqī d-Dīn al-Hilālī al-Marrākišī. Dieser w​ar für z​wei Jahre e​r Aufseher d​er Grabesmoschee i​n Medina gewesen, später erfüllte e​r dieselbe Funktion a​n der großen Moschee i​n Mekka.

Im Jahre 1929 studierte Nadwī am Dār al-ʿulūm bei Ḥaydar Ḥasan Tonkī. Tonkī hatte mit Nadwīs Vater bei Ḥusayn b. Muḥsin al-Yamānī studiert. Er wurde im Jahre 1921 šayḫ al-hadīṯ an der Nadwa, von welchem Amt er 1940 zurücktrat. Nadwī lernte über die Hadithsammlungen von Buḫārī, Muslim, Abū Daʿdu und in Auszügen Bayḍāwī. Ebenfalls lernte er Logik. Nach zwei Jahren wurde Nadwī als befähigt angesehen, die Ahadith in der Weiterführung der Lehre Tonkīs weiterzugeben. Innerhalb von Tonkīs Schülerschaft begründete Nadwī Kontakte zu weiteren Schülern, von denen viele später wichtige Persönlichkeiten wurden. Im Jahre 1932 reiste Nadwī mit seinem Bruder nach Deoband, wo er Hadith bei Ḥusayn Aḥmad Madanī lernte.

Während seiner Zeit i​n Deoband lernte Nadwī fiqh u​nd Uṣūl al-fiqh b​ei Iʿzāz ʿAlī Amrohī. Dieser w​ar als Lehrer a​n mehreren Madrasen tätig gewesen u​nd hatte a​b 1911 i​n Deoband u​nd Hyderabad d​as Amt d​es Großmufti inne. 1929 reiste Nadwī n​ach Lahore u​nd wurde Schüler b​ei Aḥmad ʿAlī Lāhawrī (1887–1962), b​ei welchem e​r Koranexegese lernte.

Verhältnis zu Mawdūdī

Nadwī w​ar in d​er Mitte d​er 1930er Jahre erstmals a​n Mawdūdī interessiert, d​a dieser s​ich gegen d​en westlichen Einfluss a​uf die islamische Welt aussprach. 1937 t​raf Nadwī Mawdūdī erstmals persönlich. 1939 t​raf er i​hn ein weiteres Mal, woraufhin d​ie beiden i​n Briefkontakt traten. Nadwi w​ar zu dieser Zeit a​n Mawdūdīs Herrschaftskonzeption interessiert. Mawdūdī w​ar mehrmals i​m Gästehaus d​er Nadwa z​u Gast. In d​ie 1941 v​on Mawdūdī gegründeten Ǧamāʿat-i islāmī w​urde Nadwī v​on Muḥammad Manẓūr Nuʿmāni eingeführt. Dieser w​ar Gründungsmitglied. Nadwī u​nd Nuʿmāni w​aren in d​er Folge anscheinend Mitglieder d​es Konsultativrates d​er Bewegung. Aufgrund v​on inhaltlichen Differenzen m​it Mawdūdī, d​ie sich a​us Nadwīs Betonung d​er individuellen Beziehung d​es Gläubigen z​um Islam ergaben, t​rat Nadwī i​m Jahre 1943 (zwei Jahre n​ach Nuʿmāni) a​us der Bewegung a​us und kritisierte Mawdūdī i​n den folgenden Jahrzehnten.

Nadwat al-ʿUlamāʾ

Von 1961 bis 1999 hatte Nadwi als Nachfolger seines älteren Bruders den Vorsitz der Nadwat al-ʿUlamāʾ inne. Die Nadwa hatte sich bereits unter Nadwis Vater und Bruder verändert durch ihre nun stärker zutage tretende traditionalistische Ausrichtung. Die ewige Gültigkeit der Religion und Fortschritt in den Traditionswissenschaften standen im Gegensatz zu der westlichen Wissenskultur. Die traditionelle Ausrichtung wurde unter Nadwī beibehalten unter der Erweiterung, dass die Nadwa als da’wa-Organisation fungieren sollte. Der familiäre Nepotismus seines Vaters und Bruders wurde von Nadwī beibehalten. Unter Nadwīs Vorsitz der Nadwa wurde der Schülerkreis des Dār al-ʿulūm der Nadwa überregional, d. h. über die Grenzen Indiens hinaus, ausgeweitet, insbesondere nach Afrika und Südostasien. Nadwī bildete ein Netzwerk von 111 madaris in ganz Indien, die mit dem Dar al-ulum verbunden waren. Die Personalpolitik im Dār al-ʿulūm spiegelte die engen Verbindungen Nadwīs zur Tablīrī Ǧamāʿat. Wichtig ist hier Taqī d-Dīn. Die Lehrenden an der Nadwa waren meist mit Nadwī eng verbunden, etwa durch gemeinsame Schülerschaft im Bildungsweg oder waren über familiäre Bindungen oder über familiäre hinweg Bindungen mit Nadwī verbunden. 1969 wurde so ein Mitschüler Nadwīs, Muḥibballāh Lārī Nadwī und Anfang der 1990er sein Neffe Muḥammad Rabīʿ al-Hasanī Nadwī zum Rektor des Dār al-ʿulūm. Weitere wichtige Personen des Dār al-ʿulūm aus der Familie Nadwīs waren ʿAbd al-ʿAlī, Muḥammad al-Ḥasanī, Muḥammad Ṯānī Ḥasanī Mazāḥirīi, Muḥammad Rabīʿ und ʿAbd Allāh Ḥasanī Nadwī. Die Verbindungen zu den Deobandis waren eher gering. Es bestand einzig die sufische Verbindung zwischen Nadwī und Ḥusayn Aḥmad Madanī.

Der Ausschuss für islamische Forschung u​nd Publikation (Maǧlis-u taḥqīqāt w​a našrīyāt-i islām) d​er Nadwa w​urde 1959 gegründet u​nd war e​iner der Bestandteile d​er Nadwa, a​uf denen Nadwīs Ziel baute, d​ie Nadwa i​n eine da’wa-Organisation umzugestalten. Der Ausschuss sollte Literatur i​n verschiedenen Sprachen erstellen, d​ie die Führungsrolle u​nd unabänderbare Gültigkeit d​er islamischen Lehre betonen sollte i​m Gegensatz z​u westlichem Gedankengut u​nd dem politischen Einfluss d​er westlichen Welt. Wichtig hierbei w​aren gemäß Nadwī d​ie ʿUlamāʾ d​er Nadwa. Der Maǧlis bestanden a​us 84 Mitgliedern, welche größtenteils d​er Nadwa entstammten, z. B. d​er stellvertretende Vorsitzende d​er Nadwa, Muʿinallāh Nadwa (gest. 1999) u​nd Abū ʿIrfān Nadwī (gest. 1988) u​nd weitere Angehörige d​er Familie Nadwīs. Nur wenige w​aren Deobandis u​nd waren n​icht Teil d​er Nadwa. Diese überbrückten d​as geschlossene Feld Nadwa z​um offeneren Feld d​er Tablīrī Ǧamāʿat. Der Maǧlis d​er Nadwa stellte e​ine Personalquelle für Nadwīs spätere Unternehmungen dar.

Beziehung zur Tablighi Jamaat

Nadwīs h​atte als Vorsitzender d​er Nadwa e​ine enge Beziehung z​ur Missionsbewegung d​r Tablighi Jamaat. Seit d​en 1940er Jahren bestand Kontakt zwischen Nadwi Muḥammad Zakariya Kāndhalawī, d​em Vordenker d​er Tablīrī, u​nd auch zwischen Nadwī u​nd der Kāndhalawī-Familie a​ls solcher. Es k​am zu gegenseitigen Besuchen, b​ei denen Standards für islamische Literatur festgelegt werden sollten. Beziehungen i​n den außerindischen Rahmen sollten mittels d​er Nadwa bewerkstelligt werden, d​a diese Kontakte z​u arabophonen Gebieten aufwies. In d​en Jahren v​on 1948 b​is 1953 besuchten Tablīrī Ǧamāʿat-Mitglieder w​ie ʿAbd al-qādir Rāʾepūrī d​ie Nadwa einmal i​m Jahr.

Nachdem d​er Gründer d​er Tablīrī Ǧamāʿat, Muḥammad Ilyās Kāndhalawī, verstorben war, w​urde sein Sohn Nachfolger. Muhammad Zakarīyā Kāndhalawī w​urde eine bestimmende Figur i​n der Tablīrī Ǧamāʿat, w​as zu Konflikten m​it Nadwi führte. Als Vermittler h​alf hierbei Nadwīs Neffe Muḥammad Ḥasanī Mazahiri, e​in Schüler u​nd ḫalīfa v​on Muḥammad Zakarīyā Kāndhalawī. Eine weitere wichtige Person i​n diesem Zusammenhang w​ar Muḥammad Manẓūr Nuʿmāni, welcher während seiner Lehrjahre i​n Deoband i​n Kontakt z​ur Tablīrī Ǧamāʿat gelangte. Gemeinsam m​it Nadwī w​ar er a​uch in d​er Ǧamāʿat-i islāmī tätig gewesen. Seit d​en 1920er Jahren agierte e​r sowohl g​egen die Barelwis a​ls auch g​egen die Ahmadiyya. Hartung g​eht davon aus, d​ass Nuʿmāni u​nd Nadwī i​n Lucknow „ein eigenes Netzwerk“ d​er Tablīrī Ǧamāʿat aufbauten.

Kontakte in den arabischen Raum

Bei der Etablierung indo-arabischer Beziehungen unter muslimischen Gelehrten und Intellektuellen spielte er eine wichtige Rolle. Nadwīs Kontakte nach Ägypten entstanden während seiner Reisen in den Nahen Osten. Die Familie Kāndhalawi hatte während Pilgerfahrten der Tablīrī Ǧamāʿat Beziehungen in den Nahen Osten geknüpft. Nadwī nahm diese Beziehungen im Rahmen der Tablīrī Ǧamāʿat auf. 1947/8 reiste er in den Hijaz und knüpfte Kontakte zu Muḥammad Amīn Kutubī, Ḥasan Muḥammad al-Maššat, bedeutenden wahhabitischen Gelehrten wie ʿUmar b. al-Hasan aš-Šayḫ und dem obersten Richer des Hijaz ʿAbd Allāh b. al-Ḥasan aš-Šayḫ. Einige Kontakte überdauerten in Briefform die Zeit der Reise und erstreckten sich auf die Zeit danach. Eine zweite Reise Nadwīs in den Nahen Osten erfolgte im Jahre 1950. Diese war wiederum auf die Vermittlung der Anliegen der Tablīrī Ǧamāʿat ausgerichtet. Nadwī kam erneut in Kontakt mit den Bildungseliten des Hijaz. 1951 reiste er weiter nach Kairo, wo er Kontakte zu Muslimbrüdern oder ihnen nahestehenden Figuren wie Muṣṭafā as-Sibāʿī oder dem syrischen Großmufti Abū l-Yusr b. ʿĀbidīn knüpfte. Anschließend reiste er in den Sudan. Wichtig war außerdem der Kontakt zu Aḥmad Amīn Bak. Dieser diente als Schlüsselfigur für Nadwīs Zugang zu ägyptischen Gelehrtennetzwerken. Bak war eine zentrale Figur in der intellektuellen Szene Ägyptens. Er hatte an der Azhar bei Muḥammad ʿAbduh gelernt und vertrat dessen reformerische Positionen. Bak hatte Verbindungen zur Zeitschrift riṣāla, die ein Netzwerk von reformerischen Kräften umgab, welche hauptsächlich Schüler Muḥammad ʿAbduhs waren und an verschiedenen Universitätsgründungen beteiligt gewesen waren. Dieses Netzwerk lernte Nadwī im Jahre 1951 kennen. Ebenso machte er Bekanntschaft mit dem Mufti von Ägypten, Ḥasan Muḥammad Maḥlūf. Im Jahre 1956 hatte Nadwī eine Gastprofessur in Damaskus inne, wo er in 8 Vorlesungen über die Geschichte des Reformislam lehrte. Nadwī wurde Mitglied in der syrischen Akademie der Wissenschaften. Ebenso war er als Vertreter Indiens auf dem Generalkongress für Jerusalem anwesend, wo er vielen Muslimbrüdern begegnete wie z. B. Muḥammad Nāṣir aus Indonesien und Ḥasan at-Turābī aus dem Sudan. Die Verstaatlichung der Azhar Anfang der 1960er Jahre rief bei Nadwī heftige Kritik hervor, die im Einklang mit seiner Kritik an Nasser gesehen werden muss. Gleichzeitig hatte er aber weiterhin Kontakte zur Azhar, die über ihren Rektor ʿAbd al-Ḥalīm Maḥmūd gingen, welchen Nadwī auf der Pilgerfahrt 1974 kennenlernte. Im folgenden Jahr lud er diesen zur Jahresfeier der Nadwa nach Lucknow ein. Abul Hasan Ali Nadwi war unter anderem Mitbegründer der 1962 in Mekka (Saudi-Arabien) gegründeten Islamischen Weltliga.

Payām-i insānīyat

Das interkonfessionelle Forum der Payām-i insānīyat wurde auf Nadwīs Wunsch hin im Jahre 1974 begründet. Als Vorstufen hierzu können interkonfessionelle Versammlungen betrachtet werden, die Nadwī ab 1948 abhielt. Nadwīs Einstellung zu anderen Religionen basierte auf dem Vorrang des Islams, da die muslimische umma durch Gott zur Führung der anderen religiösen Gemeinschaften bestimmt war. Nadwī war allerdings klug genug, den Führungsanspruch der Muslime nicht allzu offen zu betonen. Ziele der Payām waren Kontakte zu Protagonisten anderer religiöser Gemeinschaften, ohne selbst direkt politisch tätig werden zu müssen. Weiterhin konnten in der Payām anderen Muslimen da Vorbild frommer Lebensführung vermittelt werden, wie es in dere Tablīrī Ǧamāʿat repräsentiert war. Bei einem Aufeinandertreffen mit Mawdūdī 1978 empfahl Nadwī das Konzept der Payām auch für Pakistan. Die Payām war sowohl regional als auch überregional tätig durch Gründung lokaler Arbeitsgruppen und dem Vertrieb von Zeitschriften. Regional tätige Politiker wurden häufig zu den Versammlungen der Payām eingeladen. Im Jahre 1985 initiierte Nadwī eine Kampagne in der Payām, die sie in ganz Indien verbreiten sollte. Die Payām hatte ihre größte Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit nach der Barbari-Moschee-Kontroverse, wonach diese wieder abflaute. Stellvertreter Nadwīs innerhalb des Payām war ʿAbd al-Karīm Pāreḫ. Weitere wichtige Persönlichkeiten kamen aus der AIMPLB und dem AIMMM, die meisten aber aus der Tablīrī Ǧamāʿat. Manche, wie Muḥammad Rabīʿ al-Hasanī Nadwī und ʿAbd Allāh Hasanī Nadwī waren mittels Familie und sufischen Gemeinschaften mit Nadwi verbunden.

Beziehungen in die indische Politik

Beziehungen zu Politikern Indische Politiker hatten häufig Kontakte zu Gelehrten, um sich hierdurch Vorteile und Unterstützung im Wahlkampf zu suchen. Diese Verbindungen machten einen Großteil von Nadwīs Kontakten zu Politikern aus. Nadwī selbst suchte ebenfalls Kontakt zu Politikern, um kommunalistischen Unruhen entgegenzuwirken. Die Nadwa selbst war politisch nicht zugeordnet. 1975–1976, zur Zeit des Ausnahmezustands, suchte Nadwī Kontakt zu Indira Gandhi, um für politische muslimische Gefangene, darunter Angehörige der Nadwa, zu intervenieren. Nadwī scheint damals noch nicht den späteren Bekanntheitsgrad besessen zu haben, denn erst 1977 wurde ihm ein dreistündiges Gespräch mit Gandhi ermöglicht. Erst nach der Wahlniederlage der Kongresspartei von 1977 suchte die Kongresspartei seine Nähe. Ab dieser Zeit wurde er auch von Politikern als wichtiger Vertreter der Muslime in Indien gesehen. 1977 besuchten Gandhi und andere wichtige Mitglieder der Kongresspartei Nadwī. Nach dem folgenden Sieg der Kongresspartei bei den Wahlen kritisierte Nadwī die neue Regierung aufgrund ihrer anti-islamischen Politik und kreidete ihr Opportunismus an. Nadwī äußerte später, dass er den INC bis zur ersten Amtszeit von Gandhis unterstützt, dann aber abgelehnt habe. Später hatte Nadwī Kontakte zu Rajiv Gandhi und Ende der 1990er Jahre zu Sonia Gandhi. 1992 kam es zu einer Begegnung mit Premierminister Rao, demgegenüber er Konzessionen des INC an Hindu-Nationalisten kritisierte. Nadwīs Haltung zur Janata Party war anfangs positiv. Der Wahlsieg 1977 wurde von Nadwī erfreut wahrgenommen, da er zur Beendigung des Ausnahmezustands führte. Politiker der Janata Party suchten Kontakt zu Nadwī. Nadwī kritisierte allerdings die Korruption der Janata Party bei der Vergabe öffentlicher Ämter. 1990 begegnete Nadwī dem Premierminister der neuen Koalition, V. P. Simgh, dem er seine Ablehnung hindu-nationalistischer Positionen mitteilte. Die Zerstörung der Barabari-Moschee führte zu einem öffentlichen Auftritt Nadwīs, in dem er sich gegen die BJP aussprach. 1996 traf er den Janata Dal-Premierminister Dev Gowda. Nach dem erneuten Wahlerfolg der BJP 1998 kam es zu Auseinandersetzungen der Nadwa mit der Regierung, welche in Repressalien gegenüber ersterer mündeten. Nadwī persönlich war durch einen Überfall auf seinen Wohnsitz betroffen. Ebenso blieben die Beziehungen zum neuen Premierminister Vajpayree frostig. Dieser besuchte ihn dann allerdings auf dem Sterbebett.

Werke

Nadwi i​st Verfasser zahlreicher, t​eils umfangreicher Werke. Er schrieb sowohl a​uf Urdu a​ls auch a​uf Arabisch. Er w​ar einer d​er Senior Fellows d​es Königlichen Aal al-Bayt Instituts für islamisches Denken (Royal Aal Al-Bayt Institute f​or Islamic Thought).[5] Er erhielt zahlreiche Ehrungen u​nd Auszeichnungen. 1980 erhielt e​r – e​in Jahr n​ach Sayyid Abul Ala Maududi – d​en König-Faisal-Preis (KFIP) i​n der Sparte ‚Service t​o Islam‘, während Muhammad Mustafa Azami d​en Preis i​n der Sparte Islamwissenschaft erhielt. Er s​tarb 1999.

Im Lehrplan d​es Institute o​f Islamic Studies a​n der University o​f Kashmir i​n Srinagar beispielsweise spielen s​eine Werke e​ine herausragende Rolle.[6] In d​em Sammelwerk Princeton Readings i​n Islamist Thought[7] a​us Princeton f​and seine Abhandlung Muslim Decadence a​nd Revival Aufnahme.

Werke (Auswahl)

(UOK)

  • Tazkiyat wa Ihsan ya Tasawuf wa Suluk, Majlis Tahqiqat wa Nashriyat, Lucknow.
  • Islamic Studies, Orientalists and Muslim Scholars, Lucknow
  • Tabligh-o-Dawat ka Muajizana Aslub, (Urdu)
  • Hindustani Musalman, (Urdu), Lucknow.
  • Arab Qawm Parasti Islami Nuqta-i-Nazar Say, Lucknow.
  • Seerat-i-Sayyid Ahmad Shahid, (Urdu), Lucknow.
  • Muslim Mamalik main Islamiyat aur Maghribiyat ki Kashmakash, Lucknow.
  • Western Civilization, Islam and Muslims, Lucknow
  • Qadianism: A Critical Study, Haji Arfeen Avcademy, Karachi, 1986
  • The Musalman. (Social life, beliefs and customs of the Indian Muslims). Lucknow, Academy of Islamic Research & Publications, 1972
  • Abu-'l-Ḥasan ʿAlī al-Ḥasanī an-Nadwī: Prophetengeschichten aus dem Koran. . Aus dem Engl. von Fatima Umm Abdullah. Stories of the prophets (dt.). Braunschweig : Ed. Minarett 2006 (Inhalt)

Siehe auch

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. Yoginder Sikand, S. 89. – Sein Geburtsjahr wird abweichend auch mit 1914 angegeben; beim KFIP mit 1923.
  2. Historical Dictionary of Islam. Second Edition. Ludwig W. Adamec (Hrsg.). Historical Dictionaries of Religions, Philosophies, and Movements, No. 95. The Scarecrow Press, Inc. Lanham, Maryland • Toronto • Plymouth, UK 2009, S. 234.
  3. Weitere Religionsgelehrte der Nadwat al-ʿUlamāʾ sind beispielsweise Maulana Muhammad Manzur Nomani, Abdullah Abbas Nadwi und Mohammed Akram Nadwi. (kitaabun.com)
  4. Biography (Abul Hasan Ali Nadwi Centre) – abgerufen am 15. Mai 2017
  5. aalalbayt.org: Senior Fellows (Memento des Originals vom 20. September 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aalalbayt.org
  6. Lehrplan@1@2Vorlage:Toter Link/islamicstudies.uok.edu.in (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. – abgerufen am 15. Mai 2017
  7. Princeton Readings in Islamist Thought: Texts and Contexts from al-Banna to Bin Laden. Edited and with an introduction by Roxanne L. Euben & Muhammad Qasim Zaman; 2009; ISBN 978-0-691-13588-5 (Online-Teilansicht, Inhaltsübersicht)

Literatur

  • Jan-Peter Hartung: Viele Wege und ein Ziel : Leben und Wirken von Sayyid Abū l-Ḥasan ʿAlī al-Ḥansanī Nadwī (1914–1999). Würzburg : Ergon-Verlag 2004 (Inhaltsübersicht; Review)
  • Yoginder Sikand: “Sayyed Abul Hasan 'Ali Nadwi and Contemporary Islamic Thought in India”, Kap. 5 in: The Blackwell Companion to Contemporary Islamic Thought, herausgegeben von Ibrahim Abu-Rabi'. 2006 (Online-Teilansicht)
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