Ableitung einer Menge
Unter der Ableitung einer Menge versteht man in der Mathematik die Menge aller Häufungspunkte dieser Menge. Vorausgesetzt wird dabei, dass auf der Menge ein Abstandsbegriff oder allgemeiner eine Topologie definiert ist.[1] Ein gleichbedeutender Ausdruck ist die Derivierte[2] der Menge. Heißt die Menge , so sind Zeichen für ihre Ableitung , oder, für die erste Ableitung, .
Höhere Mengenableitungen
Höhere Mengenableitungen werden induktiv definiert: Die -te Ableitung ist die Ableitung der -ten Ableitung . Die abgeschlossene Hülle von wird auch als die nullte Ableitung von bezeichnet. Allgemeiner wird für jede isolierte Ordinalzahl die -te Ableitung durch und für jede Limeszahl durch definiert.[3]
Eigenschaften
Die Ableitung einer Menge kann leer sein. In einem T1-Raum gelten folgende Regeln:[3]
Eine Menge ist genau dann perfekt, wenn . Der insichdichte Kern einer Menge ist der Durchschnitt seiner Ableitungen.[4]
Räume mit abzählbarer Basis
Sei die Menge der Kondensationspunkte von . In einem topologischen Raum mit abzählbarer Basis gilt:
- Erster Satz von Lindelöf[5]: ,
- Satz von Cantor-Bendixson, I[6]: Jede abgeschlossene Menge lässt sich als Vereinigung von einer perfekten und einer höchstens abzählbaren Menge darstellen. In polnischen Räumen ist diese Darstellung eindeutig.
Daraus ergibt sich als Folgerung:
- Jede abgeschlossene Menge ist entweder höchstens abzählbar oder hat die Mächtigkeit des Kontinuums.
Ein möglicher Beweis verwendet
- Satz von Cantor-Bendixson, II[5]: In Räumen mit abzählbarer Basis endet für jede Teilmenge die Folge ihrer Ableitungen immer mit einer perfekten Menge, d. h. für jede Menge existiert eine Ordinalzahl , so dass .
Die kleinste derartige Ordinalzahl heißt Cantor-Bendixsonscher Grad der Menge.
Der zweite Satz von Cantor-Bendixson ist eine Verallgemeinerung des ersten. Man betrachte die auf M durch X induzierte Topologie. Wenn der Cantor-Benidixsonsche Grad der Menge in diesem Raum ist, dann ist
- .
Die Mengen bestehen nur aus isolierten Punkten und sind höchstens abzählbar. Die Menge
ist als Vereinigung von höchstens abzählbar vielen höchstens abzählbaren Mengen selbst höchstens abzählbar. Die Menge ist wegen perfekt.
Einzelnachweise
- Zur Geschichte der Einführung des Begriffes Mengenableitung durch G. Cantor siehe Ordinalzahl: Geschichte der Entdeckung.
- Willi Rinow: Lehrbuch der Topologie (= Hochschulbücher für Mathematik. Bd. 79). VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1975.
- Kazimierz Kuratowski: Topology. Band 1. New edition, revised and augmumented. Academic Press u. a., New York NY u. a. 1966, ISBN 0-12-429201-1, § 9., § 24.IV.
- Josef Naas, Hermann Ludwig Schmid: Mathematisches Wörterbuch. Mit Einbeziehung der theoretischen Physik. 2 Bände. 3. Auflage, unveränderter Nachdruck. Akademie-Verlag u. a., Berlin u. a. 1979, ISBN 3-519-02400-4 (Bd. 1).
- Pawel Sergejewitsch Alexandrow: Lehrbuch der Mengenlehre. 6., überarbeitete Auflage. Harri Deutsch, Frankfurt am Main u. a. 1994, ISBN 3-8171-1365-X.
- Oliver Deiser: Reelle Zahlen. Das klassische Kontinuum und die natürlichen Folgen (= Springer-Lehrbuch). Springer, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-45387-1.