Ab Anbar
Ein Ab Anbar, persisch آب انبار āb anbār, ‚Wasserspeicher, Zisterne‘, ist ein traditionelles Trinkwasserreservoir aus der persischen Antike.
Aufbau
Ab Anbars haben einen rechteckigen oder runden Grundriss. Beispiele für die rechteckige Bauform findet man im Ort Qazvin. Typische Vertreter des runden Grundrisses sind beispielsweise in Yazd zu finden.[1]
Um dem Druck, den das gespeicherte Wasser auf die Behälterwände ausübt, standhalten zu können, ist der Lagerbehälter unterirdisch angelegt. In Verbindung mit der Tatsache, dass sich lediglich die Dachkonstruktion über Geländeniveau erhebt, zeigt diese Bauweise eine hohe Stabilität bei Erdbeben. Ein wichtiger Aspekt, da sich viele iranische Städte direkt in Erdbebenregionen befinden.
Die für den Bau eines Ab Anbar verwendeten Materialien sind sehr hart. Die bis zu 2 Meter dicken Wände sind zur Innenseite hin aus Backsteinen (genannt Ajor Ab Anbari) gemauert, die anschließend mit einer bis zu 3 cm dicken Schicht eines wasserundurchlässigen Mörtels verputzt wurden. Dieser Mörtel, genannt Sarooj, wird aus einem, je nach geografischer und klimatischer Lage der Stadt, unterschiedlichem Gemisch aus Sand, Kalk, Eiweiß, Lehm, Ziegenhaar und Asche gebildet. Manche sehr große Ab Anbars weisen nicht nur eine, sondern zwei Backsteinschichten auf.[2]
Einige Ab Anbars waren so groß, dass auf ihnen andere Gebäude errichtet wurden; so wurde beispielsweise auf dem Ab Anbar von Haj Agha Ali in Kerman eine Karawanserei und auf dem Ab Anbar von Vazif nahe Isfahan eine Moschee errichtet.
Der jeweilige Boden eines Speichers wurde aus strukturellen Gründen oft mit schweren Metallen gefüllt. Daher soll Agha Muhammad Khan, ein Monarch des 18. Jahrhunderts, die Metalle vom Boden des Ab Anbahs der öffentlichen Badeanstalten von Ganjali Khan heben lassen haben, um Geschosse für den Krieg aus ihnen zu fertigen.[3]
Speicher
Es gab mehrere verschiedene Ausführungen des gewölbten Daches des Speichers, genannt ahang, kalanbu oder kazhāveh. Diese oder eine Kombination von ihnen wurde je nach Art des eigentlichen Speichers verwendet.
Der Ab Anbar mit der größten einzelnen Kuppel im Iran ist der Sardar-e Bozorg in Qazvin.[4]
Einige Quellen berichten, dass die Baumeister zunächst den Wasserspeicher erbauten und diesen anschließend mit Heu und Stroh komplett auffüllten, bevor sie mit der Konstruktion der Kuppel begannen. Nachdem die Kuppel vollendet war, wurde das Stroh angezündet, wodurch der Raum im Speicher wieder frei wurde. Dass beim Bau der Speicher Gerüste verwendet wurden, lässt sich heute noch an den Befestigungslöchern für diese in den Wänden nachweisen.
Eine etwas preiswertere Bauweise bestand darin, zunächst einen Graben dort auszuheben, wo die Wände stehen sollten. Dieser Graben wurde dann mit einem Mörtel gefüllt, der mehrere Tage aushärtete. Anschließend wurde das Innere des Ab Anbars ausgehoben und der Boden gegossen. Nachdem ein Dach über dem Bauwerk errichtet wurde, wurden die Wände mit dem wasserundurchlässigen Mörtel verputzt und der Ab Anbar konnte befüllt werden.
Eine Kuppel über einem rechteckigen Wasserspeicher zu bauen, war keine leichte Aufgabe, jedoch war die Konstruktion einer Kuppel nichts Neues für die damaligen Architekten, wie man anhand der Meisterwerke, wie zum Beispiel die Kuppel in Soltaniyeh sehen kann.
Es ist nicht bekannt, warum an manchen Stellen rechteckige und an anderen runde Grundrisse bevorzugt wurden, obwohl die Architekten wussten, dass die runden Speicher leichter mit einer Kuppel zu versehen waren. Ein weiterer Vorteil der runden Bauform ist das Fehlen von Ecken, in denen sich Schmutz ansammeln kann, was die Ab Anbar hygienischer macht.[5] Zylindrische Speicher hatten außerdem den Vorteil, dass sich der Wasserdruck gleichmäßiger auf die Wände des Speichers verteilte, als dies bei rechteckigen Speichern der Fall wäre. Rechteckige Speicher hatten jedoch den Vorteil, ein größeres Volumen fassen zu können. So sind die größten Ab Anbar nicht rund, sondern rechteckig. Man kann die rechteckigen Ab Anbars noch in quadratische, wie zum Beispiel den Ab Anbar Sardar-e Bozorg in Qazvin, der von Sardar Hosein Qoli Khan gebaut wurde und rechteckige nicht-quadratische Vertreter unterteilen.
Einige der rechteckigen Ab Anbars benötigen aufgrund ihrer Größe Säulen im Speicher zur Abstützung der Kuppel. So weist zum Beispiel der Ab Anbar Sardar e Kuchak in Qazvin eine einzelne, massive Säule in der Mitte des Speichers auf, der dadurch in vier von separaten Kuppeln überspannte Felder mit einer Grundfläche von je 8,5 x 8,5 m² aufgeteilt wird. Weitere Beispiele sind der Ab Anbar unter dem Zananeh Basar in Qazvin, der vier Säulen im Speicher aufweist, während der Seyed Esmail Ab Anbar in Teheran 40 Säulen besessen haben soll.
Zugang zum Ab Anbar
Um an das Wasser zu gelangen, muss man durch den immer geöffneten Eingang (sar-dar) gehen und eine Treppe hinabsteigen, um auf die unterste Ebene des Ab Anbars, den sogenannten Pasheer, zu gelangen. Dort kann das Wasser aus einem oder mehreren Wasserhähnen entnommen werden. In der unmittelbaren Umgebung des Wasserhahns befindet sich normalerweise ein eingelassener Sitz, ein Abwasserabfluss und ein oder mehrere Ventilationsschächte. Abhängig von der Tiefe, in der die Wasserhähne sich befinden, ist das Wasser kälter oder wärmer. Einige Speicher weisen mehrere Hähne in unterschiedlichen Tiefen entlang der Treppe, und nicht nur auf der untersten Ebene auf.
Durch diese Vorrichtung hat niemand direkten Zugang zum Wasser im Wasserspeicher, was das Risiko möglicher Kontamination verringert. Der Inhalt des Wasserspeichers ist normalerweise komplett von der Außenwelt abgeschottet, mit Ausnahme von Ventilationsschächten oder Windfängern. Um das Risiko einer Kontamination weiter zu verringern, ist die Innenwand des Wasserspeichers mit einer salzigen Masse bedeckt, die auf der Oberfläche des Wassers einen Film bildet. Der Wasserspeicher wird dann jedes Jahr daraufhin überwacht, dass die Oberfläche des Wassers unversehrt ist, denn die Wasserentnahme geschieht ausschließlich aus dem unteren Teil des Reservoirs, dem Pasheer und nie von der Oberfläche.[6]
In einigen Ab Anbars, wie in dem in Qazvin bilden das Treppenhaus und der eigentliche Speicher eine bauliche Einheit. Andere, wie der Ab Anbar in Yazd, weisen keine strukturelle Verbindung zwischen Treppenhaus und Wasserspeicher auf. Auch kann es bei großen Ab Anbars vorkommen, dass es mehr als ein Treppenhaus und mehr als eine Entnahmestelle auf demselben Niveau gibt.
Die Anzahl der Stufen hängt von der Kapazität des Wasserspeichers ab. Große Ab Anbars, wie der Sardar-e Bozorg haben 50 Stufen zwischen Straßenniveau und Pasheer und führen in eine Tiefe von 17 m. Die Ab Anbars in Qazvin haben beispielsweise folgende Anzahlen an Stufen: der Haj Kazem 38 Stufen, der unter der Nabi Moschee 36 Stufen, der unter der Jame’ Moschee 35 Stufen und der Ab Anbar Zabideh Khatun 20 Stufen. Um Möglichkeit zum kurzen Ausruhen beim Benutzen der Treppen zu bieten, weisen manche Treppen ein bis drei Absätze im Treppenverlauf auf. Ansonsten verlaufen alle Treppen linear.
Die für das Befüllen der Ab Anbars verantwortliche Person, egal ob es sich um einen privaten oder öffentlichen Ab Anbar handelt, wird Meerab genannt. Eine seiner Hauptaufgaben besteht in der regelmäßigen Kontrolle des unterirdischen Wassernetzwerks, und der Zu- und Ableitungen, den sogenannten Kariz. Wenn ein Haushalt eine Füllung des Ab Anbars benötigt, wird der Meerab gebeten, den entsprechenden Kariz zu ihrem Ab Anbar zu öffnen. Eine Nacht reicht normalerweise zum Befüllen eines typischen privaten Ab Anbars. Außerdem muss der Ab Anbar einmal im Jahr von Sedimenten gereinigt werden. Dieser Vorgang wird Layeh-rubi genannt.[7]
Der Sar-dar
Der Sar-dar (سردر) ist ein gewölbter Eingang, der in den Ab Anbar hinabführt. Er beinhaltet die Treppe hinab zum Pasheer. Die Wände sind manchmal mit Sprüchen versehen und über dem Eingang findet sich oft der Name des Ab Anbars, des Erbauers, Stifters, oder des Stifters der letzten Reparatur sowie das Baujahr.
Ventilation
Iranische Ab Anbare weisen ein bis sechs Windfänger-Türme auf. Die Ab Anbare in Yazd, Kashan, Naeen und anderen Städten mit heißem Klima im Iran sind gut mit Windfängern zur Kühlung und Belüftung ausgestattet. In Qazvin wurden die Ab Anbars meist nur mit Ventilationsschächten oder kleineren Windfängern gebaut. Die Ab Anbare in Qazvin verfügen nicht über Windfänger, wie sie in anderen Teilen des Iran üblich sind. Vermutlich ist das auf die speziellen klimatischen Verhältnisse zurückzuführen (die Region um Qazvin hat sehr kalte Winter und keine besonders heißen Sommer, wie beispielsweise die Region um Yazd).
Funktion der Ventilation
Die sich bewegende Luft (Wind) erzeugt beim Vorbeistreichen an der Spitze des Windfängers einen Unterdruck, der die aufsteigende warme Luft aus dem Inneren des Ab Anbars absaugt, während die kalte Luft im Inneren verbleibt. Der Ventilationseffekt der Windfänger verhindert, dass die Luft im Innern des Ab Anbar absteht und sich feucht-warme Luft ansammelt.
Zusätzlich verhindern die sehr gut isolierenden Wände des Ab Anbars, ähnlich wie in einer Höhle, den Anstieg der Temperatur im Innern.
Durch alle diese Effekte enthält der Ab Anbar das ganze Jahr hindurch klares, sauberes, kaltes Wasser.
Glossar
- Ab Anbar آب انبار: Wörtliche Übersetzung: Ab bedeutet Wasser und Anbar bedeutet Speicher. Eine speziell konstruierte, unterirdische Frischwasserzisterne, die normalerweise mit Windfänger-Türmen ausgestattet sind und aus einem Kariz gespeist werden.
- Gushvār گوشوار: Etwas, das in symmetrischer Form auf beiden Seiten eines Elements zu finden ist. Zum Beispiel zwei kleine Räume an den Seiten eines Durchgangs, Eingangs etc.
- Kariz كاريز: Ein unterirdischer Wasserkanal ähnlich einem Qanat.
- Layeh-rubi: Die periodische Reinigung eines Qanats, Karizes oder Ab Anbars von Sedimenten, die mit dem Wasser kommen.
- Maz-har مظهر: Die erste Stelle, an der ein Kariz oder Qanat an die Erdoberfläche tritt.
- Meerab ميرآب: Eine Person, die dafür verantwortlich ist, bei Bedarf Wasser über Karize oder Qanate in die Ab Anbars zu leiten.
- Nazr نذر: Ein Gebet, in der eine Person um einen Gefallen bittet und dafür ein Versprechen an eine geheiligte Entität abgibt.
- Pasheer پاشير: Der tiefste Punkt eines Ab Anbar Treppenhauses. Hier befindet sich normalerweise der Wasserhahn zur Wasserentnahme aus dem Wasserspeicher.
- Qanat قنات: Ein System miteinander verbundener Quellen, normalerweise ausgehend von erhöhten Standorten, die Wasser unterirdisch zu weit entfernten, tiefer liegenden Maz-Har führen.
- Saqqa-khaneh سقاخانه: Ein Ort (üblicherweise eine Nische in einer Gasse), an dem Kerzen entzündet werden und Gebete oder Nazr gesprochen werden.
- Sar-dar سَردَر: Ein portalartiger Eingang in ein Gebäude, eine Ab Anbar oder ähnliches, bzw. die Verzierungen oberhalb dieses Einganges.
- Sarooj ساروج: Ein spezieller, wasserdichter Mörtel, der beim Bau eines Ab Anbars Verwendung findet.
Einzelnachweise
- Memarian, GholamhoseinAsar: Memari-ye ab anbar haye shahr e Qazvin. Vol 35. Miras Farhangi publications. Tehran. S. 187–197
- (Encyclopædia Iranica)
- Pirnia, M.K., Memari e Islami e Iran. ISBN 964-454-093-X
- Hazrati, Mohammad Ali. Qazvin: ayinah-yi tarikh va tabi’at-i iran. Sazeman-i Irangardi va Jahangardi publications. Qazvin. 1382 (2003). ISBN 964-7536-35-6, S. 81.
- Memarian, Gholamhosein. Asar: Memari-ye ab anbar haye shahr e Qazvin. Vol 35. Miras Farhangi publications. Tehran. S. 187–197.
- Pirnia, M.K., Memari e Islami e Iran. ISBN 964-454-093-X, S. 214
- Pirnia, M.K., Memari e Islami e Iran. ISBN 964-454-093-X, S. 316
Weiterführende Literatur
- Memari e Islami e Iran. M. K. Pirnia. ISBN 964-454-093-X
- Minudar or Babuljanne. Gulriz, Mohammad Ali. Taha publications. 3rd printing. Qazvin. 1381 (2002). ISBN 964-6228-61-5
- Qazvin: ayinah-yi tarikh va tabi’at-i iran. Hazrati, Mohammad Ali. Sazeman e Irangardi va Jahangardi publications. Qazvin. 1382 (2003). ISBN 964-7536-35-6
- Saimaa-yi ustaan-I Qazvain. Haji aqa Mohammadi, Abbas. Taha Publications. Qazvin. 1378 (1998). ISBN 964-6228-09-7
- Memari-ye ab anbar haye shahr e Qazvin. Memarian, Gholamhosein. Asar. Vol 35. Miras Farhangi publications. Tehran. (p187-197).
- Sair e Tarikhi e banaayi Shahr e Qazvin va Banaha-yi an. Siyaghi, Dr. Seyd Mohammad Dabir. Sazeman e Miras e Farhangi. Qazvin. 2002. ISBN 964-7536-29-1
- M.J. Strauss. Old ways of water management spring up again in arid regions. International Herald Tribune. Aug 20, 2005.
Weblinks
- ĀB-ANBĀR Eintrag in der Encyclopædia Iranica