A solis ortus cardine
A solis ortus cardine (Vom Tor des Sonnenaufgangs) ist ein lateinisches Gedicht von Caelius Sedulius († um 450). Es besingt in 23 vierzeiligen Strophen das Leben Jesu von der Geburt bis zur Auferstehung, wobei die Strophen der Reihe nach mit allen Buchstaben des spätantiken lateinischen Alphabets beginnen (Abecedarius). Diesem Gedicht entstammen zwei Hymnen der katholischen Liturgie und zwei Kirchenlieder Martin Luthers.
Die ersten sieben Strophen, ergänzt um eine Doxologie-Strophe anderer Herkunft, werden seit dem frühen Mittelalter als Hymnus zum Weihnachtsfest verwendet. Sie zeichnen in prägnanten Wendungen den Kontrast zwischen der Größe und Allmacht des ewigen Wortes Gottes (der zweiten Person der Trinität) und der bedürftigen Menschlichkeit des Kindes, in dem dieses Wort Fleisch wurde.
Auch die Strophen 8, 9, 11 und 13 des Gedichtes von Sedulius wurden mit der hinzugefügten Doxologie in die Liturgie übernommen als Hymnus zum Fest Erscheinung des Herrn Hostis Herodes impie. Diese Strophen handeln von Herodes und den Hl. Drei Königen, aber auch von der Taufe des Herrn und vom Weinwunder in Kana.
Martin Luther schuf zum Weihnachtshymnus die Reimübertragung Christum wir sollen loben schon, die lange zu den evangelischen Hauptliedern der Weihnachtszeit gehörte, in den Stammteil des Evangelischen Gesangbuchs von 1993 jedoch nicht aufgenommen wurde. Auf diese Dichtung Luthers geht der Text der Kantate Christum wir sollen loben schon, BWV 121, von Johann Sebastian Bach zurück.
Auch den Epiphaniehymnus übertrug Luther ins Deutsche: Was fürchtst du, Feind Herodes, sehr. Dieses Lied ist seit langem außer Gebrauch.
Im Stundengebet der katholischen Kirche sind das achtstrophige A solis ortus und das fünfstrophige Hostis Herodes im lateinischen Original enthalten. Das deutschsprachige Stundenbuch bietet außerdem die fünfstrophige Übertragung Vom hellen Tor der Sonnenbahn (Strophen 1, 2, 6 und 7 des Sedulius sowie die Doxologie).
Die altüberlieferte Melodie wird wie der Text auf das 5. Jahrhundert datiert. Sie beginnt im dorischen Modus, endet jedoch phrygisch. Im Liber hymnarius (Solesmes, 1983) und im Liber usualis wird sie allerdings dem III. Ton zugeschrieben.
Der dreimalige Aufschwung zum Spitzenton bildet sinnenfällig den hohen Bogen der Sonnenbahn und die erdkreisweite Perspektive ab. Die zahlreichen Melismen sind später vereinfacht worden.[1] In der katholischen Liturgie ist heute eine fast syllabische Version in Gebrauch.[2]
Text und Übersetzungen
Lateinischer Text |
Wörtliche Übersetzung |
Reimübertragung Luthers |
A solis ortus cardine |
Vom Angelpunkt des Sonnenaufgangs |
Christum wir sollen loben schon, |
Beatus auctor saeculi |
Der selige Urheber der Welt |
Der selig Schöpfer aller Ding |
Clausae parentis viscera |
In einen verschlossenen Mutterschoß |
Die göttliche Gnad vom Himmel groß |
Domus pudici pectoris |
Das Haus der schamhaften Brust |
Das züchtig Haus des Herzens zart |
Enixa est puerpera |
Geboren hat die Wöchnerin den, |
Die edle Mutter hat geborn, |
Feno iacere pertulit, |
Er ertrug es, auf Heu zu liegen, |
Er lag im Heu mit Armut groß, |
Gaudet chorus caelestium, |
Es freut sich der Chor der Himmlischen |
Des Himmels Chör sich freuen drob |
Hostis Herodes impie, |
Herodes, treuloser Feind, |
Was fürchtst du, Feind Herodes, sehr, |
Ibant magi, qua venerant |
Die Weisen gingen, wie sie gekommen waren, |
Dem Stern die Weisen folgen nach, |
Katerva matrum personat |
Die Menge der Mütter klagt laut, | |
Lavacra puri gurgitis |
Die Taufbäder des reinen Quells |
Die Tauf im Jordan an sich nahm |
Miraculis dedit fidem |
Durch Wundertaten beglaubigte er, | |
Novum genus potentiae: |
Eine neue Art der Macht! |
Ein Wunderwerk da neu geschah: |
Orat salutem servulo |
Heilung für seinen Diener erbittet | |
Petrus per undas ambulat |
Petrus geht durch die Wellen, | |
Quarta die iam fetidus |
Am vierten Tag, schon stinkend, | |
Rivos cruoris torridi |
Bäche von heißem Blut | |
Solutus omni corpore |
Gelöst von der ganzen Last seines Leibes, | |
Tunc ille Iudas carnifex |
Da wagte dieser Schurke Judas | |
Verax datur fallacibus, |
Der Wahrhaftige wird den Täuschern übergeben, | |
Xeromyrram post sabbatum |
Duftsalbe brachten nach dem Sabbat | |
Ymnis, venite, dulcibus |
Kommt, lasst uns mit wohlklingenden Hymnen | |
Zelum draconis invidi |
Die Eifersucht des neidischen Drachens |
Weblinks
- Das vollständige Gedicht des Sedulius
- Freie Übertragung von Peter Gerloff (Strophen 1, 2, 6, 7 und Doxologie)
- Text der Bachkantate 121
Einzelnachweise
- vgl. die Melodieversion des Erfurter Enchiridion
- Christuslob. Das Stundengebet in der Gemeinschaft, Freiburg 1982, S. 313