Zuverlässigkeitsflug am Oberrhein
Der Zuverlässigkeitsflug am Oberrhein, nach Übernahme der Schirmherrschaft durch Prinz Heinrich von Preußen ab 1913 auch Prinz-Heinrich-Flug genannt, war ein Zuverlässigkeitswettbewerb für deutsche Flugzeuge, der in den Jahren 1911 bis 1914 ausgetragen wurde.
Allgemeines
Der Wettbewerb diente der Erprobung der neuesten deutschen Flugmodelle unter Praxisbedingungen und war vorwiegend militärisch ausgerichtet. Das Programm bestand aus einem Mehr-Etappen-Flug und Luftaufklärungsübungen. Teilnahmeberechtigt waren Offiziere des deutschen Heeres und der Kaiserlichen Marine sowie deutsche Zivilisten, sofern sie von einem im Deutschen Luftfahrt-Verband organisierten Verein vorgeschlagen wurden. Die Flugzeuge mussten in Deutschland gebaut worden sein und den Anforderungen eines Militärflugzeugs genügen. Während 1911 die Zivilisten unter den Teilnehmern in der Mehrheit waren, kehrte sich das Verhältnis in den Folgejahren um.[1][2]
Für die erfolgreichsten Piloten waren gut dotierte Preise in mehreren Kategorien ausgeschrieben. Demjenigen, der die Gesamtstrecke in der kürzesten Zeit zurücklegte, winkte als Hauptgewinn der Kaiser-Preis.
Am Rande der Veranstaltung fanden an den Etappenorten Flugtage mit Volksfestcharakter statt, die aufgrund der allgemein herrschenden Begeisterung für die Luftfahrt gut besucht waren.
Die Wettbewerbe im Einzelnen
1911
- Zeitraum: 19. bis 27. Mai
- Strecke: Baden-Baden – Freiburg – Mülhausen – Straßburg – Karlsruhe – Heidelberg – Mannheim – Mainz – Frankfurt/Main – Darmstadt
Wegen widriger Wetterbedingungen am Startort Baden-Baden begann der Zuverlässigkeitsflug mit einem Tag Verspätung erst am 21. Mai. Der Wettbewerb wurde im weiteren Verlauf durch einen tragischen Unfall überschattet. Charles Laemmlin (1879–1911), seit dem 29. April 1911 Inhaber des Pilotenscheins Nr. 82, kam beim Absturz seines Aviatik-Zweideckers am 23. Mai zu Tode.[3][4]
1912
- Zeitraum: 12. bis 23. Mai
- Strecke: Straßburg – Metz – Saarbrücken – Mainz – Frankfurt/Main – Karlsruhe – Freiburg – Konstanz
Im Jahr 1912 nahmen auch drei Zeppelin-Luftschiffe an der Veranstaltung teil, der LZ 10 „Schwaben“, der LZ 11 „Viktoria Luise“ (mit Hugo Eckener an Bord) und der LZ 12 (Z III), der von Graf Zeppelin persönlich geführt wurde. Sie beteiligten sich an Aufklärungsflügen und nahmen Passagiere mit. Auf dem Programm stand unter anderem die erstmalige West-Ost-Überquerung des Schwarzwaldes. Der Wettbewerb war wieder durch zahlreiche Pannen und Unfälle gekennzeichnet. Es gab jedoch keine Todesopfer. Das Ziel in Konstanz erreichten schließlich nur vier Teilnehmer: Hellmuth Hirth, Leutnant Alfred Mahncke (1888–1979), Oberleutnant Luitpold Graf Wolffskeel von Reichenberg und Oberleutnant Erwin Barends (1880–1952).[4]
1913
- Zeitraum: 10. bis 17. Mai
- Strecke: Wiesbaden – Kassel – Koblenz – Karlsruhe – Stuttgart – Straßburg
- Kaiserpreis: Leutnant Ernst Canter, Rumpler-Taube
Der Wettbewerb trug erstmals die Bezeichnung „Prinz-Heinrich-Flug“. Auf dem Programm stand neben dem Mehr-Etappen-Flug ein Aufklärungsflug von Straßburg nach Freiburg, an dem auch das Luftschiff LZ 17 „Sachsen“ unter Führung von Hugo Eckener beteiligt war. Den Sieg in der Zuverlässigkeitsprüfung errang Leutnant Ferdinand von Hiddessen mit einem Mars-Eindecker der Deutschen Flugzeug-Werke. Als Zweiter in der Zuverlässigkeitsprüfung und Bester in der Aufklärungsübung wurde Leutnant Ernst Canter, der später als „Flieger von Tannenberg“ Ruhm erlangte, zum Gesamtsieger des Wettbewerbs erklärt.[5]
1914
- Zeitraum: 17. bis 25. Mai
- Strecke: Darmstadt – Mannheim – Pforzheim – Straßburg – Speyer – Worms – Wiesbaden – Koblenz – Frankfurt/Main – Marburg – Kassel – Braunschweig – Hamburg – Hannover – Minden – Herford – Münster – Osnabrück – Bremen – Köln
- Kaiserpreis: Leutnant Rudolf von Thüna (1887–1936), LVG-Doppeldecker mit 100-PS-6-Zylinder-Mercedes D I-Flugmotor
Der zweite Prinz-Heinrich-Flug wurde über fünf Etappen von Insgesamt 2600 km ausgetragen. Die erste Etappe führte von Darmstadt über Mannheim, Pforzheim und Straßburg über 400 km nach Frankfurt. Ihr folgte ein Rundflug von Frankfurt über Koblenz und Köln zurück nach Frankfurt. Die dritte Etappe wurde auf der Strecke Frankfurt – Kassel – Braunschweig – Hamburg ausgetragen. Die vierte Etappe war erneut ein Rundflug: Hamburg – Hannover – Münster – Bremen – Hamburg. Die letzte Etappe führte von Hamburg nach Köln und schloss eine Aufklärungsübung ein. Auf den ersten zwölf Plätzen fanden sich neun Militärflieger und ausschließlich Flugzeuge mit Mercedes-Motoren.[6] Bei dieser Veranstaltung kamen vier Offiziersflieger ums Leben, am 17. Mai Ltn. Müller und Ltn. Rohde, am 23. Mai Ltn. Boeder und Ltn. Bernhardt.[7][8]
Literatur
- Christian Kehrt: „Das Fliegen ist immer noch ein gefährliches Spiel“. Risiko und Kontrolle der Flugzeugtechnik von 1908 bis 1914. In: Gunter Gebauer (Hrsg.): Kalkuliertes Risiko. Technik, Spiel und Sport an der Grenze. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-593-38006-4, S. 199–224.
- Hans von Lüneberg: Geschichte der Luftfahrt. Band 1: Geschichte, Flugzeuge. Welz – Vermittlerverlag Mannheim e.K., Mannheim 2003, ISBN 3-937081-62-3.
Einzelnachweise
- Kehrt, S. 207
- Heribert Suntrop: Die Chronik der Kölner Luftfahrt. 1910–1919, abgerufen am 21. Oktober 2009
- Was die deutschen Flieger leisten können. In: Flugsport. Heft 12/1911, S. 392–404 (Online).
- Walter Vetter: City-Flugplatz Freiburg. Die Geschichte. Flugplatzgeschichte: Die Anfänge bis zum 1. Weltkrieg, Website des Flugplatzes Freiburg/Breisgau, abgerufen am 21. Oktober 2009
- Paul Béjeuhr: Technischer Rückblick auf den Prinz-Heinrich-Flug 1913. In: Polytechnisches Journal. 328, 1913, S. 401–403.
- von Lüneberg, S. 118
- Flugsport No. 11/1914 vom 27. Mai 1914, S. 441ff
- Zum Prinz Heinrich-Flug. In Flugsport. Heft 11/1914, S. 438–448. (Online)