Zunft zum Kämbel
Die Zunft zum Kämbel ist eine seit dem Mittelalter bestehende Zunft in Zürich. Ihr Zunfthaus ist das Haus zur Haue am Limmatquai.
Geschichte
Die Ursprünge der Zunft zum Kämbel reichen bis ins Jahr 1336 zurück, als sie zusammen mit 11 weiteren Zünften und der Gesellschaft zur Constaffel im Verlauf der Brun'schen Zunftverfassung ihre formale Gründung erlebte. Die Zünfte waren Zusammenschlüsse verschiedener Handwerksvereinigungen, Innungen, Gilden, Korporationen und Meistergruppen, welche die Interessen ihres Gewerbes oder Standes vertraten. Gleichzeitig waren sie wirtschaftliche, politische, soziale und militärische Organisationen: Aus den Mitgliedern der Constaffel und den Zunftmeistern konstituierte sich bis zum Einmarsch der französischen Revolutionstruppen im Frühjahr 1798 der Rat der Stadt Zürich.
Die Mitglieder der Kämbel formierten sich aus den Kleinhändlern der mittelalterlichen Stadt Zürich, aus den Gartnern, Ölern, und Gremplern: Die Gartner verkauften Gemüse aller Art sowie Stein- und Kernobst, die Grempler waren Gewerbetreibende und Kleinhändler. Später wurden auch die Salzleute, die Wynzügel, die gegen Gebühr Wein in die Fässer abfüllten und die im Dienst der Staatskellerei stehenden Weinfuhrleute in die Zunft eingegliedert. Nebst den erwähnten Pflichten erstellte die Zunftvorsteherschaft für den Verkauf von Waren durch ihre Mitglieder verbindliche Vorschriften, die von der Obrigkeit vor Inkraftsetzen geprüft wurden,[1] und sie beaufsichtigte die Marktstände «unter den Bögen» am Limmatquai.
Der bedeutendste Zunftmeister der Kämbel war Bürgermeister Hans Waldmann (* 1435; † 1489). Am 6. April 1937 wurde das von seiner Zunft vor dem Fraumünster gestiftete und von Hermann Haller geschaffene Reiterstandbild eingeweiht – an jedem Sechseläuten, bevor sie sich zum Umzug begeben, legen die Mitglieder der Kämbel feierlich einen Kranz nieder.[2]
Nach dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen und dem Zusammenbruch der Alten Eidgenossenschaft wurde das Zunftregime beendet; 1801 verkaufte die Kämbel ihr Zunfthaus. Constaffel und Zünfte erlangten ab 1803 mit der Mediationsakte und 1815 nochmals Bedeutung, als einer der dreizehn Wahlkreise beziehungsweise der städtischen Wahlzünfte. 1838 wurden Wahlzünfte auf kantonaler und 1866 auch auf kommunal-städtischer Ebene abgeschafft. Damit verloren Constaffel und Zünfte endgültig ihre politische Bedeutung.
Zunftwappen und Zunftname
Blasonierung: In Blau ein goldenes einhöckriges Kamel.
Der Name der Zunft wie auch das Zunftwappen gehen auf einen ursprünglichen Hausnamen zurück, das «Haus zum Kämeltier oder Kämbel» am Münsterhof. Es handelt sich dabei um das mittelhochdeutsche und frühneuhochdeutsche Wort für Kamel.[3][4] Es war nicht aussergewöhnlich, dass Häuser nach «exotischen» Tieren benannt wurden, da solche die Phantasie anregten. Neben dem Kamel oder «Kämbel» am Münsterhof und an der Niederdorfstrasse sind dies in Zürich etwa der «Elephant» an der Kirchgasse, der «Leopard» an der Strehlgasse, der «Panther» an der Schoffelgasse, die «Meerkatze» an den Unteren Zäunen und der «Affe» am Münsterhof und am Limmatquai.[5]
Zunfthaus
Zunfthaus zum Kämbel
Die erste Trinkstube der Zunft befand sich in der Nähe des Rathauses, lässt sich aber wie bei anderen Stadtzürcher Zünften nicht mehr eindeutig eruieren. Als gesichert gilt, dass die Zunft im Jahr 1487 das Haus zum Kämbel beim Münsterhof erworben hat. 1652 wurde die Liegenschaft umgebaut und um ein viertes Obergeschoss aufgestockt. Im frühen 19. Jahrhundert erfolgte der Einbau neuer Fenster in den Obergeschossen und 1908 der Umbau des Erdgeschosses mit rundbogigen Schaufenstern. Das Haus steht seit 1999 unter Denkmalschutz.[6]
Das noch heute angebrachte Wappen mit dem Kamel auf blauem Grund weist auf den Ursprung der Kostümierung der Kämbelzünfter beim Sechseläuten als in arabischen Gewändern gekleidete Beduinen hin, die sich auf Fotografien bis zum Jahr 1904 zurückverfolgen lässt.
Zunfthaus zur Haue
1442 gelangte das Zunfthaus zur Haue in den Besitz der Salzleute und ist seit 1450 als Salzlütenhus, Houw oder Salzhouw bekannt. Der Begriff Houw «Haue» ist dem Emblem der Salzleute entliehen, die mit ihrer Haue das Salz schlugen.[7]
Zunft zum Kämbel heute
Am 31. Mai 1956 erwarb die neu gegründete Gesellschaft zum Kämbel 150 Jahre nach ihrer Auflösung das Haus zur Haue am Limmatquai und beteiligt sich wie alle städtischen Zünfte am Sechseläuten.[8] Bekannt ist die Reitergruppe der Kämbel dafür, den Böögg als wilde, ungeordnete Schar im forschen Galopp zu umkreisen.[1]
Bilder
- Erker mit Heraldik unter anderem der Salzleute (Haue)
- Das Wappentier am «Haus zur Haue»
- Die Kämbelzünfter in ihrem Habit bei den Vorbereitungen zum Umritt am Sechseläuten 2010
- Münsterhof 18, «Haus zum Kämbel»
Literatur
- Markus Brühlmeier, Beat Frei: Das Zürcher Zunftwesen. 2 Bände. Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2005, ISBN 3-038231-71-1.
- Schweizerischer Burgenverein (Hrsg.): Vom Dübelstein zur Waldmannsburg: Adelssitz, Gedächtnisort und Forschungsobjekt (= Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters. Bd. 33). Schweizerischer Burgenverein, Basel 2006, ISBN 3-908182-17-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- Sechseläuten.ch: Kurzbeschrieb der Zunft zum Kämbel (Memento vom 10. Februar 2009 im Internet Archive), abgerufen am 30. Oktober 2008.
- Zunft zum Kämbel: Kranzniederlegung, abgerufen am 30. Oktober 2008.
- Schweizerisches Idiotikon, Band XIII, Spalte 1228 f., Artikel Kamēltier (Digitalisat).
- Matthias von Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Zugleich als Supplement und alphabetischer Index zum Mittelhochdeutschen Wörterbuche von Benecke-Müller-Zarncke. Band I, Spalte 1544, Artikel kembel. Leipzig 1872; zahlreiche Nachdrucke: Hirzel, Stuttgart (1960, 1970, 1974, 1979, …, 1992 (besorgt von Kurt Gärtner), ISBN 3-7776-0488-7 und ISBN 3-7776-0487-9 (zum Online-Wörterbuch, Nachträge 1878).
- Paul Guyer: Zürcher Hausnamen (= Kleine Schriften des Stadtarchivs Zürich. Heft 6). Zürich 1953, S. 27.
- Hinweistafel am ehemaligen Zunfthaus Münsterhof 18.
- Restaurant Zunfthaus zur Haue: Geschichte, abgerufen am 30. Oktober 2008.
- Sächsilüüte – Das Zürcher Frühlingsfest (Memento vom 16. September 2008 im Internet Archive), abgerufen am 30. Oktober 2008.