Warenverkehrsbescheinigung

Warenverkehrsbescheinigungen (WVB) sind Dokumente, die im internationalen Handelsverkehr Verwendung finden. Sie dienen hauptsächlich der Bescheinigung der präferenziellen Ursprungseigenschaften von Gütern, um bei der Einfuhrverzollung dieser Waren im Bestimmungsland eine Befreiung oder Verminderung der Einfuhrzölle zu erreichen. Die in diesem Zusammenhang zu erwähnenden „Ursprungszeugnisse“ (UZ) haben – im Gegensatz zu WVBs – keine reduzierende Wirkung auf Abgaben und Zölle.

Die rechtliche Basis dieser Bescheinigungen finden sich in den unterschiedlichen bi/multilateralen Handelsabkommen (Freihandelsverträge) zwischen den jeweiligen Handelsländern. Diese Abkommen beruhen auf Gegenseitigkeit (Ausnahme s. u.: GSP Form.A/Form.B) und decken – mit Ausnahme von Agrarerzeugnissen – alle Warengattungen ab. Um eine WVB ausstellen zu können, müssen die aus einem Vertragsstaat zu exportierenden Waren die Ursprungsregeln erfüllen, die in den spezifischen „Listenbedingungen“ (Anhänge der jeweiligen Verträge) aufgeführt sind. Ursprungsregeln sind – anders als bei einer Zollunion – in Freihandelszonen erforderlich, weil kein gemeinsamer Außenzolltarif besteht. Das Erstellen oder Vorlegen einer WVB ist behördlich nicht zwingend vorgeschrieben, jedoch werden dann bei einer Einfuhrverzollung entsprechende Zölle erhoben. Für das Einhalten der jeweiligen Vorschriften und das Überprüfen von ausgestellten WVB sind die nationalen Zollverwaltungen zuständig.

WVB Versionen (Auswahl)

Ursprungszeugnis (UZ)

Ursprungszeugnisse dienen – im Gegensatz zu den anderen Bestätigungen – nicht dem Befreien oder Mindern der Einfuhrzölle. Das UZ bestätigt lediglich den Nationalen Ursprung einer Ware. Dieses UZ ist einfacher zu erreichen, als ein entsprechender Präferenzieller Ursprung. UZ werden im Gegensatz zur EUR.1 nicht von Zollbehörden beglaubigt, sondern – auf Antrag des Exporteurs – von den jeweils örtlich zuständigen Handelskammern ausgestellt. Es sind dabei die jeweiligen Bestimmungen des Bestimmungslandes zu beachten. So verlangen z. B. einige Länder eine zusätzliche Beglaubigung des UZ durch ihre Botschaften im Abgangsland oder es wird generell zwingend die Vorlage eines UZ vorgeschrieben. Die UZ stellen somit für diese Länder ein nicht tarifäres Handelshemmnis dar und dienen so rein der Kontrolle von Warenströmen zwischen den Handelsländern.

Lieferantenerklärung/Langzeitlieferantenerklärung (LE/LLE)

Lieferantenerklärungen s​ind WVB i​m Binnen-EU-Handel (für Einzellieferungen). Mit d​er LE bestätigt d​er Lieferant d​em gleichfalls i​n der EU ansässigen Handelspartner d​ie präferenziellen Eigenschaften d​es gelieferten Gutes. Sollte d​ie Ware anschließend a​us dem Binnenmarkt d​er EU exportiert werden, müssen UE o​der Eur.1 o. ä. erstellt werden u​nd dafür s​ind diese Lieferantenerklärungen d​es Vorlieferanten erforderlich. Langzeitlieferantenerklärungen (LLE) s​ind Bestätigungen für regelmäßige Lieferungen. Sie s​ind ab d​em Ausstellungstag max. 24 Monate i​n die Zukunft u​nd 12 Monate rückwirkend gültig.[1]

Ursprungserklärung (UE)

Der Exporteur von Waren kann auf seiner (Handels-)Rechnung auch eine sogenannte Ursprungserklärung vermerken. Allerdings gilt diese nur bis zu einer Wertgrenze von 6.000 Euro oder 10.300 CHF. Die Wertgrenze gilt hierbei pro Sendung und nicht pro Rechnung/Dokument. Enthaltene Drittlandwaren sind bei dieser Wertgrenze nicht zu berücksichtigen; sie müssen aber in jedem Fall klar ersichtlich als nicht präferenzbegünstigt auf dem Handelspapier gekennzeichnet werden. Der exakte und immer einzuhaltende Wortlaut der UE ist zwingend vorgeschrieben. Die unterschiedlichen FHA haben aber hierzu teilweise differierende Vorschriften.
Beispiel:
„Der Ausführer der Waren (EA Nr. XXX*), auf die sich dieses Handelspapier bezieht, erklärt, dass diese Waren, soweit nicht anders angegeben, präferenzbegünstigte XY-Ursprungswaren sind.“

UEs müssen zwingend mit einer original** Unterschrift einer zeichnungsberechtigten Person des Exporteurs und im Moment der Einfuhrverzollung vorliegen. Eine nachträgliche Einreichung ist i. d. R. nur nach vorheriger Genehmigung bzw. Anmeldung beim zuständigen Zollamt möglich. Ursprungserklärungen dürfen nur ausgestellt werden, wenn alle nötigen Vordokumente vorliegen (z. B. LE/LLE oder Import-Zollquittungen für Zwischenhändler oder Kalkulationslisten für Produzenten) >**Ausnahmen für die original Unterschriften sind, je nach FHA, möglich. Auch ist es möglich sich als "Ermächtigter Ausführer" zu registrieren, diese sind dann von der Leistung der Original Unterschrift befreit. Hierzu muss dann aber die erteilte* Bewilligungsnummer des Exporteurs zwingend im Text der UE angeführt werden.

Ursprungserklärung mit Bewilligungsnummer

Hat d​er Hersteller o​der Versender v​on Waren d​en zollrechtlichen Status e​ines „EA“ – Ermächtigter Ausführer – s​o ist d​ie Wertobergrenze d​er (normalen) UE aufgehoben. Der „EA“ erklärt a​uf seiner (Handels-)Rechnung wiederum m​it einer zwingend vorgeschriebenen Formulierung und seiner Bewilligungsnummer a​n der richtigen Stelle d​er Formulierung d​ie Präferenzbegünstigung. Auch d​ie Pflicht z​ur Original-Unterschrift i​st aufgehoben. Die Erteilungspraxis u​nd die Vergabe dieser Bewilligung s​ind jeweils national geregelt.
Anmerkung: Ein vorhandener zollrechtlicher Status „ZA“ – zugelassener „Ausführer“ – ermächtigt n​icht zur vereinfachten Ausstellung v​on Ursprungserklärungen. Zugelassene Ausführer genießen n​ur Vorteile bezüglich d​er Verfahrensweisen d​er Deutschen Ausfuhrerklärung/Abfertigung.

EUR.1

Ist der Hersteller oder Versender von Waren kein „EA“ – Ermächtigter Ausführer – und übersteigt die Lieferung die Wertobergrenze von 6.000 Euro so ist für das Erhalten der Präferenzbegünstigung das Formular EUR.1 zu erstellen. Das Formular „EUR.1“ ist ein definiertes Zolldokument das grundsätzlich vor Export der Sendung i. d. R. vom zuständigen Zollamt des Exporteurs legalisiert (gestempelt) werden muss. Das Erstellen der EUR.1 kann – unter Einhaltung lokaler Bestimmungen – auch durch beauftragte Dienstleister erfolgen. Der Gültigkeitsraum ist im weitesten Sinne durch die Länder der Europäischen Präferenzsysteme (EU / EWR / EFTA) definiert. Im Rahmen der Pan-Europäischen Kumulation wurde für den Gesamt-Wirtschaftsraum vereinbart, dass alle gegenseitig bestehenden Verträge zwischen den Teilnehmern in Gegenseitigkeit für alle Gültigkeit erreichen. Bestehende Ausschluss-Klauseln wurden dabei außer Kraft gesetzt (z. B. Direkt-Beförderung), gleichfalls wurde die volle Kumulation aller Wertschöpfungsschritte eines Produktionsprozesses untereinander möglich.

EUR.Med (Äquivalent zu EUR.1)

Der Europäische Präferenzraum wurde im Rahmen des EUR-MED-Abkommens zwischen den Staaten der Paneuropäischen Kumulation und den Afrikanischen und Arabischen Mittelmeeranrainer erweitert. Die Regelungen des EUR-MED-Abkommens weisen in den Kumulationsbestimmungen einige spezifische Besonderheiten zu den sonstigen Außenhandelsverträgen auf. Wird eine Präferenzbehandlung im Rahmen des EUR-Med Abkommens beantragt, muss entweder eine speziell erweiterte Version der UE vorliegen oder bei Überschreiten der Wertgrenzen, das spezielle Formular EUR-MED verwendet werden.

Sonderfall A.TR (Zollunion EU-Türkei)

Das Formular „A.TR“ d​ient ausschließlich für d​en Versand zwischen d​er EU u​nd der Türkei u​nd ist n​ur (noch) für ursprünglich importierte Drittlandwaren o​der nicht präferenzbegünstigte Waren nötig. Mit diesem Dokument bestätigen s​ich die Vertragsstaaten, d​ass die verzeichnete Ware bereits vorrangig i​m gemeinsamen Zollgebiet einfuhrbehandelt – u​nd mit Zöllen belegt – w​urde (Zollunion). Für präferenzielle Ursprungswaren i​m Sinne d​er EUR-MED-Abkommen i​st dies automatisch über d​ie UE o​der Eur.1 gegeben.

GSP Form.A

Das GSP (General System of Preferences) Form.A ist eine einseitig gewährte Präferenz der weiter entwickelten (Industrie-)Länder für Entwicklungsgebiete im Rahmen des GATT und der WTO. Es wird hierbei zwischen GSP-Ländern (z. B. Indien, VR China) und LDC-Ländern Least Developed Countries unterschieden. Die Einsparungen für Einfuhren aus GSP-Ländern liegen normalerweise bei 50 %, für Einfuhren aus LDC-Ländern bis zu 100 % des Zollansatzes. Die Gültigkeit kann nach Land und Zolltarifnummer (Warengattung) eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. So sind z. B. Form.A aus der VR China bei Einfuhren von Bekleidung, Textilien, Schuhen und verwandten Waren generell nicht anerkannt.

Grundsätzliche Regelungen

Direktbeförderungsklausel

In allen Varianten der Außenhandelsverträge ist die Direktbeförderungsklausel verbindlich. Die Ware muss, ohne zwischenliegende (Zoll-)Behandlung in einem Drittland (nicht Vertragsstaat) direkt zwischen den Vertragsländern befördert werden (ungebrochener Zolltransit).

Bsp.: Waren aus Bangladesh (LDC-Land) werden von einem EU-Händler zollfrei in die EU eingeführt. Bei einem anschließenden Weiterverkauf z. B. an einen Schweizer Händler fallen bei der folgenden Schweizer Einfuhrverzollung die vollen Zollabgaben an weil der Transit durch die Einfuhrbehandlung in der EU gebrochen wurde.

Territorialitätsprinzip

Das ebenfalls grundsätzlich z​u beachtende Territorialitätsprinzip beschränkt d​ie Gültigkeit a​uf das geographische Gebiet d​er Vertragspartner. Eine, a​uch nur zeitweise, Behandlung i​n einem n​icht beteiligten Drittland lässt d​ie Präferenzberechtigung unwiederbringlich erlöschen.

Bsp.: Die Schweiz und die EU haben inhaltlich nahezu identische Verträge mit Mexiko abgeschlossen.
Schweizer Ursprungswaren verlieren bei einem Versand (z. B. über ein EU-Zwischenlager) ihre Präferenzeigenschaften, falls dieser Versand – im Rahmen der EU-Schweiz-Verträge – mit einer definitiven Einfuhrverzollung in der EU erfolgt.

Dokumentationsprinzip

Präferenzen werden grundsätzlich n​ur anerkannt, w​enn die dafür vorgeschriebenen Dokumente vollständig u​nd gültig vorliegen.

Gültigkeitsfristen

Die verschiedenen WVB haben unterschiedliche Gültigkeitsfristen, diese variieren je nach den beteiligten Länder und der betroffenen Verträge. UE und Eur.1 sind i. d. R. 4 Monate gültig während das Form.A i. d. R. 6 Monate gültig ist.

Nachträgliche Ausstellung

Eine nachträgliche Ausstellung von WVBs (nach Warenexport) ist möglich. Das nachträglich ausgestellte EUR.1 oder ähnliche Dokumente müssen zwingend den zollamtlich bestätigten Vermerk Nachträglich Ausgestellt im Feld 4 >Bemerkungen< des Dokumentes tragen. Die nachträgliche Anmeldung der Präferenzbehandlung, wenn die Ware bereits abgefertigt den Zollabfertigungsplatz verlassen hat, ist oft nicht möglich.

Literatur

  • Metin Akyürek. Das Assoziationsabkommen EWG – Türkei. in der Google-Buchsuche
  • Kurt Grohspietsch, Rolf Wilberg, Prüfung und Nachweis im Bereich der Präferenzen. In: ZfZ 1978, 258 ff
  • Eberhard Dorsch, Protokoll Nr. 3 und nationales Recht. In: Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 1985, 130 ff
  • Hans-Peter Duric, Die Freihandelsabkommen EG-Schweiz, Die rechtliche Problematik, 3. Auflage, 1998, Freiburg (D)
  • Hans-Peter Duric, Hans Schmid, Horst Hildebrand Prüfung des Antrags auf Ausstellung einer Warenverkehrsbescheinigung. In: ZfZ 1979, 295 ff, 331 ff
  • Hans-Peter Duric, Rechtsgrundlage für feststellenden Verwaltungsakt. In: ZfZ 2007, 38 f
  • Hartwig Schulz, Ursprungsregelung der Freihandelsabkommen EWG-EFTA, 7. Auflage, 1991, Verlag Purschke und Hensel

Einzelnachweise

  1. Langzeit-Lieferantenerklärungen Zoll.de, abgerufen am 13. Dezember 2016.
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