Walter Niemann
Walter Rudolph Niemann (* 10. Oktober 1876 in Hamburg; † 17. Juni 1953 in Leipzig) war ein deutscher Komponist, Pianist, Musikschriftsteller und -kritiker.
Leben
Walter Niemann war Sohn des Komponisten Rudolph Niemann, der – selbst Schüler u. a. von Moscheles – ihn auch zunächst unterrichtete. Niemann studierte später in Leipzig Komposition bei Humperdinck und Reinecke, außerdem Musikwissenschaft bei Hugo Riemann. Nach der Promotion 1901 war er zunächst als Musikschriftsteller tätig, verfasste u. a. Biographien von Brahms und Sibelius und arbeitete als Musikkritiker für Leipziger Zeitungen. Später widmete er sich zunehmend – ab 1917 nahezu ausschließlich – der Komposition, wirkte aber auch als Pianist.
Kompositorisches Werk
Niemanns kompositorisches Werk umfasst rund 190 Opuszahlen und ca. 1000 Klavierstücke, die fast ausschließlich dem Klavier gewidmet sind. Ausgehend von Brahms wurde er zu einem der wenigen deutschen Komponisten, die sich stark dem Impressionismus annäherten. In seinen farbigen, oft miniaturhaften Klavierstücken spiegelt sich einerseits eine Neigung zu vergangenen Epochen wider (vgl. etwa Werktitel wie Aus Watteaus Zeit, Sanssouci, Meißner Porzellan), andererseits ein Interesse an exotischen Sujets (vergleichbar dem Engländer Cyril Scott), das in poetisierenden Titeln wie Alt China (op. 62), Der Orchideengarten (op. 76) oder Der exotische Pavillon zum Ausdruck kommt. Des Weiteren zeigt sich in Niemanns Werk außerdem eine tiefe Verbundenheit zur deutschen Volkssage und Natur (vgl. Bilder vom Chiemsee, Ilsenburger Sonate, Die Harzreise)
Das 1919 erstmals erschienene Buch Meister des Klaviers: die Pianisten der Gegenwart und der letzten Vergangenheit gilt noch heute als mustergültiges Standardwerk über Pianisten, das zahlreiche Auflagen erlebte und bis heute benutzt und zitiert wird.
Musikalischer Stil
Niemann versah seine Partituren mit sehr vielen Vortragsbezeichnungen und Nuancierungen, wie sost., marc. oder ten.-Kennzeichnungen. Auch Crescendo- und Decrescendo-Gabeln sind reichhaltig vorhanden, teilweise werden diese in einer Hand für jede Stimme einzeln ausgeführt.
Harmonisch lässt sich bei Walter Niemann durchweg ein eigenständiger musikalischer Kompositionsstil erkennen, der vor allem durch spätromantische und impressionistische Tongebungen geprägt ist. In seinen fernöstlichen Charakterstücken dominieren hauptsächlich pentatonische Tonleitern[1], wohingegen er sich in barocken Suiten der Harmoniefolge der damaligen Zeit bediente und diese mit spätromantischen Akkorden kombinierte[2]. Zeitlebens war Niemann eher konservativ geprägt und hielt an der Tonalität fest, was ihm unter anderem einen Rechtsstreit mit Max Reger einbrachte, den er durch eine Kritik stark angegriffen haben soll[3]. Diese Einstellung sorgte allerdings auch dafür, dass sich seine Musik – besonders nach dem Zweiten Weltkrieg – nicht weit verbreitete und er heute fast völlig vergessen ist.
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Die Musik Skandinaviens. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1906; Neuauflage BiblioBazaar, 2009.
- Die Musik der Gegenwart und der letzten Vergangenheit bis zu den Romantikern, Klassizisten und Neudeutschen. 5. – 8. Aufl., Schuster & Loeffler, Berlin 1913.
- Schleswig-Holsteinische Tondichter der Gegenwart. In: Schleswig-Holsteinischer Kunstkalender, 1917, S. 62–73 (Digitalisat).
- Das Klavierbuch, kurze Geschichte d. Klaviermusik u. ihrer Meister, d. Klavierbaues u. d. Klavierliteratur. Mit Tab. über d. Klavierbau u. e. Übersicht über d. Klavierliteratur. Callwey, München 1907, 1930 (13. Aufl.).
- Meister des Klaviers, die Pianisten der Gegenwart und der letzten Vergangenheit. Schuster & Loeffler, Berlin 1919, 1921 (14. Aufl.).
- Mein Leben fürs Klavier. Autobiographie, Hrsg. Gerhard Helzel, Staccato-Verlag, Düsseldorf 2008.
Dokumente
- Briefe und Autographe von Walter Niemann im Bestand der Musikverlage C.F.Peters und A. J. Benjamin/Sikorski im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig.
Literatur
- Detlef Schultz: Ein neuer holsteinischer Tondichter. In: Schleswig-Holsteinischer Kunstkalender, 1912, S. 66–68 (Digitalisat).
- Bernhold Schmid: Niemann, Walter. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 233 (Digitalisat).
- Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur zu zwei Händen. Atlantis, Zürich 1994 (4. Aufl.), ISBN 3-254-00188-5.
Einzelnachweise
- Walter Niemann: Japan. Simrock GmbH, Berlin 1923, S. 29.
- Walter Niemann: Musik für ein altes Schlößchen. Anton Böhm und Sohn, Augsburg, Wien 1935, S. 10.
- Frank Zalkow: Lebenslauf. Abgerufen am 19. August 2018 (deutsch).
Weblinks
- Noten und Audiodateien von Walter Niemann im International Music Score Library Project
- Literatur von und über Walter Niemann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Walter Niemann in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Biographie und Bilder
- Kurzbiographie, Musikbeispiele (*.ra)
- Werkverzeichnis nach Opus-Nummern bei IMSLP