Waldsauerklee
Waldsauerklee (Oxalis acetosella) ist eine Pflanzenart aus der Gattung Sauerklee (Oxalis) innerhalb der Familie der Sauerkleegewächse (Oxalidaceae). In botanischer Literatur wird häufig die Schreibweise Wald-Sauerklee verwendet.[1] Im Mittelalter wurde die Pflanze lateinisch auch panis cuculi („Kuckucksbrot“) und Alleluia[2] genannt (so im Antidotarium Nicolai und im Kleinen Destillierbuch[3]).
Waldsauerklee | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Waldsauerklee (Oxalis acetosella), Illustration | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Oxalis acetosella | ||||||||||||
L. |
Es handelt sich beim Waldsauerklee um eine Reliktart; die meisten der etwa 800 Oxalis-Arten sind tropisch bis subtropisch verbreitet.
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Der Waldsauerklee ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 5 bis 15 Zentimetern erreicht.[1] Sie bildet als Überdauerungsorgan ein unterirdisches, kurzes Rhizom und eine reich verzweigte, fleischige Pfahlwurzel. Das kriechende Rhizom ist mit dicken Schuppen (es sind Speicherorgane) besetzt. Der Stängel ist gestaucht.[1]
Die grundständigen Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Der Blattstiel ist relativ lang. Die Blattspreite ist dreiteilig, kleeartig gefiedert. Die Blätter sind etwas fleischig, grasgrün und schmecken säuerlich. Die drei Teilblätter sind verkehrt-herzförmig.[1]
Generative Merkmale
Die Blütezeit reicht von April bis Juni. Es wird ein einblütiger Blütenstandsschaft gebildet. Die lang gestielten, zart erscheinenden, fünfzähligen Blüten sind radiärsymmetrisch mit doppelter Blütenhülle (Perianth). Die fünf Kelchblätter sind grün. Die fünf Kronblätter besitzen eine weiße oder blassrosa Farbgebung mit einer deutlich zu sehenden rötlich-violetten Aderung. Am Grund der Kronblätter ist ein gelblicher Fleck erkennbar. Es sind zwei Kreise mit je fünf weißen Staubblättern vorhanden. Auf dem länglichen Fruchtknoten befinden sich fünf Griffel.
Die fünffächerigen Kapselfrüchte sind nussartig und dreikantig.
Chromosomensatz
Die Chromosomengrundzahl beträgt x = 11; es liegt Diploidie mit einer Chromosomenzahl von 2n = 22 vor.[1][4]
Ökologie
Beim Waldsauerklee handelt es sich um die schattenverträglichste mitteleuropäische Pflanzenart, die bei einem Minimum von 1/160 des Tageslichtes noch wachsen kann. Bei starker Sonnenbestrahlung verändert die Pflanze die Stellung ihrer Blätter, indem sie die Fiederblätter nach unten zusammenklappt. Hierdurch schützt sich der Waldsauerklee vor Wasserverlust infolge von Transpiration, da sich die Spaltöffnungen der Blattunterseiten aneinanderlegen. Bei hoher Luftfeuchtigkeit wird aktiv Wasserabscheidung (Guttation) durchgeführt.
Der Frühblüher bezieht die benötigten Reservestoffe sowohl aus seinem kriechenden Wurzelstock als auch aus dem verdickten Blattgrund seiner wintergrünen fleischigen Niederblätter. Nach dem Absterben der Oberblätter bleiben die Blattbasen als dickliche Speicherschuppen am Rhizom erhalten.
Beim Waldsauerklee ist eine endotrophe Mykorrhiza vorhanden. Der Waldsauerklee wurzelt nur flach bis 15 Zentimeter tief.[4]
Über Gelenke, die am Übergang der Blättchen zum Stiel sitzen und auf veränderten Zelldruck reagieren, kann die Pflanze ihre Blätter regenschirmartig zusammenfalten. Dies ist zum Beispiel bei stärkeren Erschütterungen, bei Überbelichtung, bei kühleren Temperaturen und bei Dunkelheit zu beobachten. Eine Turgorabnahme auf der Gelenkunterseite und der Rippenoberseite bewirkt diese Klappstellung. Die Steuerung erfolgt wohl über Turgorine (chemische Signalstoffe), die unter anderem auch bei den Mimosen zu finden sind. Linsenförmige Zellen auf der Blattoberseite fungieren vermutlich als Messgeräte.[5]
Der Waldsauerklee hat zwei Blütenarten:
- Eine glockige Blüte, die für Bienen und Hummeln zugänglich ist. Diese ist aufgrund der überwiegend schattigen Standorte selten und wird meist bei den ersten Frühlingsblüten ausgebildet. Als Saftmale locken sie die Insekten zu der Basis der Kronblätter, wo süßer Nektar angeboten wird. Die violette Aderung und die gelblichen Flecken der Kronblätter begünstigen eine Bestäubung. Die Samenentwicklung ist hier eher gering.
- Eine geschlossene Blüte, bei der Selbstbestäubung (Kleistogamie) stattfindet. Diese Form wird in der Regel bei den später, kurzstielig in Bodennähe aufblühenden Blüten entwickelt. Im Vergleich zur glockigen Blüte werden deutlich mehr Samen gebildet.
Durch einen Schleudermechanismus wird die Samenausbreitung begünstigt. Die Keimfähigkeit ist sofort nach der Reife gegeben und von Feuchtigkeit abhängig.
Der Waldsauerklee ist ein Saftdruckstreuer, der seine Samen mit 16 bis 17 bar herausschleudert.[6]
Vorkommen
Verbreitet ist der Waldsauerklee in den nördlichen und gemäßigten Gebieten Eurasiens. In den Alpen kommt er in Höhenlagen von bis zu 1940 Metern vor.[4] In den Allgäuer Alpen gedeiht er am Schnurschrofen südwestlich Tannheim in Tirol noch bei einer Höhenlage von 1890 Metern.[7]
Waldsauerklee wächst auf sauren Waldböden an ausgesprochen schattigen und frischen bis feuchten Standorten in Laubmischwäldern und Nadelwäldern. Er kann auch tieferen Schatten ertragen.[7]
Pflanzensoziologie: In Mitteleuropa befinden sich die Hauptvorkommen im Galio-Abietion und Pflanzengesellschaften des montanen Fagion. Er tritt auch in anderen Fagetalia- sowie in Betulo-Adenostyletea- oder in krautreichen Vaccinio-Piceetalia-Gesellschaften auf.[7]
Taxonomie
Die Erstveröffentlichung von Oxalis acetosella erfolgte 1753 durch Carl von Linné In: Species Plantarum, Tomus I, Seite 433. Das Artepitheton acetosella bedeutet säuerlich.
Inhaltsstoffe
Primäres (saures) Kaliumoxalat = Kaliumbioxalat = Sal Acetosellae = Kleesalz. In geringen Mengen ist auch Oxalsäure enthalten. Im Rhizom findet sich eine geringe Menge eines Anthrachinonderivates (chrysophansäureähnliche Substanz). Der Samen enthält fettes Öl.
Verwendung
Aus den gehackten Blättchen können Suppen, Soßen und Salate gemacht werden. Nur geringe Mengen sollten verwendet werden, weil Sauerklee in größeren Mengen giftig wirkt.
Der Waldsauerklee wurde bis ins 19. Jahrhundert im Schwarzwald zur Bereitung von Sauerkleesalz Sal Acetosellae oder Acidum oxalicum gesammelt, das zur Politur von Marmor und anderen Kalksteinen, sowie zur Entfernung bestimmter Ablagerungen auf Naturstein und Verfärbungen von Eichenholz verwendet wurde. In diesen Zusammenhängen wurde fälschlich auch von Bitterkleesalz gesprochen.
Sofern Waldsauerklee massenhaft auftritt, kann er für Vieh giftig sein. Bei Menschen kommen Vergiftungen selten vor, und nur bei massenhaftem Verzehr.
Literatur
- Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2. IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1.
- W. Franke, Gessner/Orzechowski (G/O); Losch, Oberdorfer (Lit. vgl. Nutzpflanzen)
- Angelika Lüttig, Juliane Kasten: Hagebutte & Co, Fauna-Verlag, ISBN 3-935980-90-6.
Einzelnachweise
- Oxalis acetosella L., Wald-Sauerklee. FloraWeb.de
- Wouter S. van den Berg (Hrsg.): Eene Middelnederlandsche vertaling van het Antidotarium Nicolaï (Ms. 15624–15641, Kon. Bibl. te Brussel) met den latijnschen tekst der eerste gedrukte uitgave van het Antidotarium Nicolaï. Hrsg. von Sophie J. van den Berg, N. V. Boekhandel en Drukkerij E. J. Brill, Leiden 1917, S. 197.
- Vgl. auch Ute Obhof: Rezeptionszeugnisse des „Gart der Gesundheit“ von Johann Wonnecke in der Martinus-Bibliothek in Mainz – ein wegweisender Druck von Peter Schöffer. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018, S. 25–38, hier: S. 33 (Alleluia „kuckusz lach“).
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2001, ISBN 3-8001-3131-5. Seite 622.
- Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. Ein botanisch-ökologischer Exkursionsbegleiter zu den wichtigsten Arten. 6., völlig neu bearbeitete Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2005, ISBN 3-494-01397-7, S. 341.
- Düll, Ruprecht: Botanisch-ökologisches Exkursionstaschenbuch: das Wichtigste zur Biologie ausgewählter wildwachsender und kultivierter Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands; 5. überarb. und erg. Aufl., Quelle und Meyer, Wiesbaden 1994.
- Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2. IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 174.
Weblinks
- Steckbrief und Verbreitungskarte für Bayern. In: Botanischer Informationsknoten Bayerns.
- Oxalis acetosella L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 27. November 2015.
- Verbreitung auf der Nordhalbkugel nach: Eric Hultén, Magnus Fries: Atlas of North European vascular plants 1986, ISBN 3-87429-263-0.
- Thomas Meyer: Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben).
- Günther Blaich: Datenblatt mit Fotos.
- Diplomarbeit: Versuche zur Inkulturnahme von Oxalis acetosella L.