Vorgehschein

Ein Vorgehschein[1] w​ar in Deutschland n​ach dem Zweiten Weltkrieg d​ie offizielle, m​eist von d​en Alliierten Siegermächten erteilte Erlaubnis für vormalige Verfolgte d​es Nazi-Regimes u​nd Displaced Persons, Ladengeschäfte, Kinos,[2] Theater u​nd dergleichen u​nter Umgehung d​er Warteschlange z​u betreten, s​ich also „vorn anzustellen“. Displaced Persons mussten i​n deutschen Geschäften a​uf Anordnung d​er Alliierten bevorzugt versorgt werden, w​as auf deutscher Seite wiederholt z​u Unruhe u​nd Hass führte, d​a das Angebot s​ehr knapp u​nd streng rationiert war.[3] Gedacht w​ar das Vorgeh-Privileg a​ls Kompensation d​er im Nationalsozialismus Verfolgten, Unterdrückten, Misshandelten u​nd Ausgebeuteten für d​as ihnen d​urch Deutsche zugefügte Leid u​nd Unrecht.

Einzelnachweise

  1. Andreas Damm, „Ein Kriegskind erzählt – So erlebten die Kinder das vom Krieg zerstörte Köln“, in: Kölner Stadtanzeiger, 15. Mai 2015, S. 7, https://www.ksta.de/koeln/ein-kriegskind-erzaehlt-so-erlebten-die-kinder-das-vom-krieg-zerstoerte-koeln-1537320-seite7 : „Menschen, die von den Nazis verfolgt worden waren, bekamen eine Bescheinigung, mit der sie beim Einkaufen an der Schlange vorbeigehen durften. Wir nannten das den Vorgehschein.“
  2. Gerhard Gronefeld, „Kinder nach dem Krieg – Das Fototaschenbuch“, Bericht von Birgit Gehrig, S. 31, „Bist 'ne Jüdische? Haste den Stern?“: „Ich hatte einen Ausweis, daß ich ins Kino konnte. Ich brauchte mich nicht anstellen. Ich hatte jetzt alle Vorteile, die ich die ganzen Jahre nicht hatte. […] Da lernte ich meinen Mann kennen und ging mit ihm ins Kino. Der hat sich so gewundert, dachte, ob die lungenkrank ist, oder was? Was ist denn mit der los, daß die mit dem Ausweis da vorne ran kann? […] Dann hat er gesagt: »So, jetzt möchte ich doch mal wissen, warum du vorgehen kannst.«“
  3. Harald Jähner, „Wolfszeit – Deutschland und die Deutschen 1945–1955“, Rowohlt Taschenbuch-Verlag, Hamburg, Oktober 2020, Kap.: „Das große Wandern“, Abschnitt: „Befreite Zwangsarbeiter und herumirrende Häftlinge – heimatlos für immer“, S. 72: „Unmittelbar nach ihrer Befreiung genossen die DP's [Displaced Persons] als Opfer des besiegten Feindes breite Unterstützung, wo immer sie gewährt werden konnte. In den Geschäften mussten sie auf Anordnung der Alliierten bevorzugt versorgt werden, was auf deutscher Seite für Unruhe und Hass sorgte, da das Angebot extrem knapp und streng rationiert war.“
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