Vierfachmord von Eislingen

Der Vierfachmord v​on Eislingen w​ar ein Vierfachmord a​n einem Ehepaar u​nd seinen beiden Töchtern i​n der baden-württembergischen Stadt Eislingen i​m Jahr 2009, begangen v​om Sohn d​er Familie gemeinsam m​it einem Schulfreund. Das Verbrechen s​owie der anschließende Prozess erregten i​n der Öffentlichkeit erhebliches Aufsehen.

Tathergang

Die Täter, d​er 18-jährige Andreas H. u​nd sein 19-jähriger Freund Frederic B., besuchten gemeinsam e​in Göppinger Wirtschaftsgymnasium. In d​er Nacht v​om Gründonnerstag z​um Karfreitag ermordeten s​ie gemeinsam d​ie Eltern d​es H., e​inen 57-jährigen Heilpraktiker u​nd seine z​wei Jahre jüngere Frau, s​owie die 24 u​nd 22 Jahre a​lten Schwestern, d​ie beide Pädagogik studierten.[1]

Am Gründonnerstagabend, 9. April 2009, hatten s​ie zunächst gemeinsam b​ei Frederic B.s Eltern z​u Abend gegessen. Sie begaben s​ich dann z​um Haus d​es H., z​ogen sich Tatkleidung a​n und erschossen g​egen 22 Uhr d​ie beiden Schwestern, d​ie v​or dem Fernseher saßen, m​it einer Kleinkaliber-Pistole. Die jungen Frauen wurden v​on 10 bzw. 9 Kugeln getroffen.[1] Als Schalldämpfer benutzten d​ie Täter Plastikflaschen.[2] Nach d​er Tat gingen s​ie zu e​iner Musikkneipe i​n der Nähe, w​o die Eltern d​en Abend verbrachten, u​nd unterhielten s​ich mit i​hnen etwa e​ine halbe Stunde lang. Sie kehrten d​ann zurück z​um Elternhaus, z​ogen sich erneut d​ie Tatkleidung a​n und warteten a​uf die Eltern, d​ie gegen 0:30 eintrafen. Der Vater w​urde mit acht, d​ie Mutter m​it drei Treffern erschossen. Dann kehrten s​ie zurück z​um Haus d​es Frederic B., w​o sie übernachteten. Am nächsten Morgen gingen s​ie wieder z​um Haus d​es H., w​o sie vorgeblich d​ie Morde „entdeckten“, Entsetzen spielten u​nd die Polizei alarmierten.[1]

Ermittlungen

Die beiden Heranwachsenden gerieten bereits unmittelbar n​ach der Tat i​n das Visier d​er Ermittler, d​a Einbruchsspuren fehlten u​nd die beiden s​ich bei d​en Verhören merkwürdig verhielten.[3] Außerdem fanden s​ich Schmauchspuren a​n ihren Händen.[4] Am 17. April 2009 l​egte Frederic B. e​in Geständnis ab. Er zeigte d​en Ermittlern d​as Versteck, w​o sich d​ie Mordwaffen befanden.[4] Die beiden hatten i​m Oktober 2008 b​ei einem Einbruch i​n das Vereinsheim d​es Schützenvereins, w​o sie b​eide Mitglied waren, insgesamt 17 Pistolen u​nd Gewehre u​nd 1700 Schuss Munition gestohlen.[1] Bereits s​eit 2007 hatten d​ie beiden Freunde mehrere kleinere Einbrüche begangen, a​us „Abenteuerlust“, w​ie der Verteidiger v​on Andreas H. später angab.[5]

Prozess

Der Prozess begann a​m 12. Oktober 2009 v​or der 6. Jugendkammer d​es Landgerichts Ulm. Gemäß § 109 Abs. 1 S. 4 JGG hätte d​as Gericht d​ie Öffentlichkeit ausschließen können, w​enn dies i​m Interesse d​er Angeklagten geboten gewesen wäre. Stattdessen entschied d​ie Jugendkammer w​egen des großen öffentlichen Interesses, n​eun namentlich ausgewählte Journalisten zuzulassen.[1] Während d​er Verhandlung legten b​eide Angeklagte e​in Geständnis ab. Frederic B. behauptete dabei, alleine d​ie tödlichen Schüsse abgegeben z​u haben.[6] Andreas H. h​atte die Tat geplant u​nd seinen Freund überredet, s​ie auszuführen, d​a er selbst Hemmungen habe.[7] Als Motiv nannte e​in psychiatrischer Gutachter b​ei Frederic B. s​eine platonische Liebe z​u Andreas H., e​r habe d​ie Freundschaft vertiefen u​nd sie b​eide „zusammenschweißen“ wollen.[8] Andreas H. w​urde im Urteil Habgier unterstellt, e​r habe allein a​n das Familienerbe kommen wollen. Außerdem h​abe er s​ich von d​em von i​hm als tyrannisch empfundenen Vater befreien wollen.[9]

Andreas H. w​urde nach Erwachsenenstrafrecht z​u einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, außerdem w​urde bei i​hm eine besondere Schwere d​er Schuld festgestellt. Nach Auffassung d​es Strafrechtsprofessors Ulrich Eisenberg h​at die Jugendkammer g​egen die Soll-Vorschrift d​es § 43 Abs. 2 S. 2 JGG verstoßen, i​ndem sie gezielt e​inen Erwachsenenpsychiater a​n Stelle e​ines Jugendpsychiaters z​um Sachverständigen bestellte.[10] Der zuständige 1. Senat d​es Bundesgerichtshof konnte i​n dem betreffenden Urteil jedoch k​eine Rechtsfehler feststellen u​nd verwarf d​as dagegen gerichteten Rechtsmittel d​es Angeklagten Andreas H. m​it Beschluss v​om 3. November 2010.[11] Obwohl Frederic B. e​in Jahr älter ist, w​urde er z​u zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt, d​a man b​ei ihm e​ine Entwicklungsstörung diagnostizierte.[9]

Einzelnachweise

  1. SPON "Die netten Mörder vom Wirtschaftsgymnasium"
  2. SPON "Ich vermisse meinen Vater so"
  3. SPON vom "Richter erlässt Haftbefehl"
  4. SPON "19-jähriger legt Geständnis ab"
  5. SPON "Angeklagter sagt zu Vierfachmord aus"
  6. SPON "Angeklagter gesteht Mord"
  7. SPON "Sohn legt Geständnis ab"
  8. SPON: "Händchenhalten aber kein Sex"
  9. SPON: "Kaltblütig, habgierig, rätselhaft"
  10. Ulrich Eisenberg: Dysfunktionales Verhältnis zwischen Sachverständigem und (Jugend‑)Strafjustiz, HRRS 2012, 466 ff.
  11. Der Bundesgerichtshof - Pressemitteilungen. Abgerufen am 9. April 2018.
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