Vergeilung
Als Vergeilung oder Etiolement bezeichnet man in der Pflanzenphysiologie jene Merkmale, die Pflanzen aufweisen, wenn sie bei Mangel an photosynthetisch nutzbarem Licht wachsen.
Sie besteht in einem deutlich beschleunigten Längenwachstum, kurzzeitig mehrere Zentimeter pro Tag, weil die Pflanze versucht, eine Lichtquelle zu erschließen. Dabei werden die Internodien weit auseinander gerückt, die Blätter erscheinen nach diesem Wachstumsschub oft schuppenartig klein und wegen Chlorophyllmangels blassgelb oder leicht bräunlich. Die Wurzeln hingegen weisen nur ein vermindertes Wachstum auf. In der Regel wird im Dunkeln kein vollständiges Chlorophyll gebildet. Ausnahmen sind: Tradescantia albiflora, einige Gymnospermen und viele niedere Pflanzen.
Etiolierte Keimlinge verfügen meist nur über stark minderentwickeltes Festigungsgewebe, wodurch sie weich und biegsam erscheinen. Dies wird mitunter in der Landwirtschaft auch gezielt ausgenutzt; so bleiben die Stangen von an sich holzigen Pflanzen wie die des Spargels oder Bambussprossen essbar, solange sie vergeilt sind. Werden sie belichtet, wird das Gewebe rasch zäh, holzig und sehr schwer verdaulich. Chicorée erlangt erst dadurch sein erwünschtes Wachstum.
Üppig, aber nicht sehr kräftig wachsende Pflanzen werden daher in der Landwirtschaft geil genannt.[1]
An Kothaufen von Weidevieh können Geilstellen entstehen, da das Vieh mit Kot verunreinigte Pflanzen meidet und diese Bereiche stark überdüngt und die Pflanzen vom Licht abgeschirmt sind.
Wasserbasierte Pflanzen können bei Lichtmangel oder getrübtem Wasser geilwüchsig werden und in kurzer Zeit enormes Längenwachstum vorlegen, um die Wasseroberfläche zu erreichen; sie halten diesen Wachstumsschub jedoch nicht lange aufrecht und verlieren in der Folge insbesondere an den tiefer gelegenen Teilen des Stängels ihre Blätter. Erreichen sie in dieser Zeit keine verwertbare Lichtquelle, sterben sie ab oder bilden fehlwüchsige Triebe und Verwachsungen aus. In der Aquaristik tritt diese Wuchsform insbesondere dann auf, wenn Licht fehlt, aber das Nährstoffangebot im Becken gleichbleibend ausreichend ist. Durch gezielte Ausnutzung dieses Wuchsverhaltens nach Senkung der Beleuchtung, Verschneiden der Pflanzen und erneute ausreichende Beleuchtung nach der Bildung junger Triebe können aber auch Formen erzeugt werden, die unter konstanten Lichtverhältnissen nicht entstehen würden.
Weitere Entwicklung
Eine Pflanze bildet diese Angsttriebe, um ihre Blattmasse in einen Bereich mit ausreichend Licht zu verlagern. Sollte dies gelungen sein und die Blätter danach gut assimilieren können, wird der bisher nur schwach aufgebaute Trieb durch Einlagerung und Anbau von Materialien verstärkt und bleibt ansonsten in seiner, jetzt erfolgreichen, Form bestehen.
Allerdings kann es häufig passieren, dass der Trieb für seine Aufgabe nicht stabil genug ist und von Wind, Schwerkraft oder vorbeistreifenden Tieren geknickt wird. Da die Angsttriebe zu Beginn der Entwicklung mit geringem Materialaufwand aufgebaut werden, ist die Widerstandskraft gegen derartige Beschädigungen recht gering.