VHB-Jourqual
VHB-Jourqual ist ein Zeitschriftenranking des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. (VHB), der Dachorganisation deutscher Universitätsprofessoren im Bereich Betriebswirtschaftslehre.
Das Ranking basiert auf der Bewertung betriebswirtschaftlich relevanter Fachzeitschriften durch die Mitglieder des VHB. Die erste Version des Rankings wurde 2003 durch die Marketingwissenschaftler Thorsten Hennig-Thurau, Gianfranco Walsh und Ulf Schrader entwickelt; das Ranking liegt gegenwärtig in der Version 3 vor, die vorige Version 2.1 hat Daten aus den Jahren 2008 und 2011 kombiniert und wurde neben Hennig-Thurau von Henrik Sattler geleitet. Das Ranking nimmt eine vergleichende Bewertung internationaler und deutschsprachiger betriebswirtschaftlicher Fachzeitschriften hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Qualität vor. Es soll Wissenschaftlern eine Orientierung für die Bewertung der wissenschaftlichen Qualität von Zeitschriftenartikeln bieten und wird u. a. zur Bewertung der wissenschaftlichen Forschungsleistung von Professoren, Junior-Professoren, Habilitanden und Doktoranden auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre eingesetzt.[1] Beispielhafte Anwendungen sind universitäre Berufungsverfahren, Professorenbesoldung, kumulative Habilitationen und kumulative Promotionen.
Das Ranking will diejenigen Zeitschriften berücksichtigen, die für deutschsprachige Wissenschaftler auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre relevant sind; dazu gehören sowohl internationale (und insbesondere englischsprachige) als auch deutschsprachige Zeitschriften. Es wird als eine der Triebkräfte für die Internationalität und Forschungsorientierung der deutschen Betriebswirtschaftslehre angesehen.[2] Die dritte Auflage des Rankings wurde nach mehrjähriger Vorbereitung im Februar 2015 veröffentlicht.[3]
Methode
Im Rahmen der ersten Version des Rankings im Jahre 2003 bewerteten 651 Personen (= 59 % der VHB-Mitglieder) 1.695 Zeitschriften mittels eines nicht-anonymisierten,[4] und individualisierten Online-Fragebogen. Gefragt wurde nach dem wissenschaftlichen Niveau der Artikel und nach den wissenschaftlichen Anforderungen des Begutachtungsprozesses.[5] Die zweite Version aus dem Jahre 2008 basiert auf den nicht mehr anonymisierten Urteilen von 1.011 Wissenschaftlern, die 1.633 verschiedene Zeitschriften bewerteten.[6] Eine Erweiterung des Rankings um zusätzliche 173 Zeitschriften erfolgte im Rahmen einer Aktualisierungsbefragung im Herbst 2010, an der 848 Verbandsmitglieder teilnahmen. Auch diese Befragung erfolgte nicht anonymisiert, um mögliches strategisches Verhalten der Befragten zu verhindern. An der Befragung zu JOURQUAL3 beteiligten sich im Dezember 2014 und Januar 2015 1.101 Wissenschaftler, die insgesamt 64.113 Bewertungen von 934 Fachzeitschriften abgaben; diese Zeitschriften waren zuvor in einem mehrstufigen Verfahren unter Mitwirkung der Verbandsmitglieder und Kommissionsvorsitzenden ausgewählt worden.
In den ersten beiden Ausgaben wurde das Rating einer Zeitschrift als gewichteter Mittelwert der wahrgenommenen Qualität der Artikel einer Zeitschrift und der Qualität des Begutachtungsverfahrens der Zeitschrift ermittelt (VHB-Jourqual-Indexwert); beide Werte wurden auf einer 10-Punkte-Skala abgefragt. Die Gewichtung berücksichtigte dabei neben der Anzahl der Personen, die Erfahrungen mit dem Begutachtungsprozess einer Zeitschrift haben, die Expertise der Bewertenden, gemessen anhand der Anzahl der Zeitschriften, in denen ein Bewerter veröffentlicht hat sowie der Anzahl seiner Veröffentlichungen in Top-Zeitschriften und in internationalen Zeitschriften.[6] Bei JOURQUAL3 wurde die Trennung von Artikel- und Review-Qualität aufgegeben und nur ein Gesamturteil erhoben, das die Wahrnehmung der „wissenschaftlichen Qualität“ einer Zeitschrift in der deutschsprachigen wissenschaftlichen Community abbildet. Die wissenschaftliche Qualität wird dabei nun definiert als das Ausmaß, „in dem die betreffende Zeitschrift die BWL als wissenschaftliche Disziplin voranbringt“[7] und soll die unterschiedlichen Informationen und Erfahrungen von Wissenschaftlern mit einer Zeitschrift integrieren. Das Rating entspricht nun dem Median einer 5-Punkte-Skala, die von A+ (= „Herausragende, weltweit führende wissenschaftliche Zeitschrift auf dem Gebiet der BWL oder ihrer Teildisziplinen“) bis D (= „Wissenschaftliche Zeitschrift auf dem Gebiet der BWL oder ihrer Teildisziplinen“) reicht.
Um in das Zeitschriftenranking aufgenommen zu werden, musste bei den ersten beiden Auflagen von JOURQUAL eine Zeitschrift zur Zeit mindestens 10 Bewertungen von VHB-Mitgliedern erhalten; diese Bedingung erfüllten in der ersten Version 385 Zeitschriften und in der zweiten Version 742 Zeitschriften, von denen 655 als betriebswirtschaftliche Zeitschriften eingestuft wurden.[6] In der Version 2.1 umfasste das Ranking 839 Zeitschriften. Zeitschriften, die nicht im Kern BWL-Zeitschriften darstellen, wurden als „BWL-relevant“ aufgenommen, wenn zusätzlich mindestens 5 Personen Erfahrungen mit dem Begutachtungsprozess aufweisen konnten. In die dritte Auflage des Rankings wurden nur solche Zeitschriften aufgenommen, die von mindestens 25 Befragten bewertet wurden; dies traf auf 651 Zeitschriften zu.
Die Test-Retest-Reliabilität des Rankings wurde in der ersten Version anhand einer Stichprobe aus 40 Bewertern überprüft. Die Konvergenzvalidität mit anderen Zeitschriftenrankings ergab Rangkorrelationen zwischen 0,29 und 0,81.[5] Die Ergebnisse der zweiten Version weisen Korrelationen von 0,89 mit der ersten Version und 0,57 mit dem Social Citation Impact Factor auf.[6]
Kritik
Wie andere wissenschaftliche Rankings ebenfalls, ist auch das VHB-Jourqual der Kritik ausgesetzt: Gängige Kritikpunkte sind etwa, dass solche Rankings von einer weißen, männlichen Mehrheit aufgestellt und dominiert seien[8] und der soziale Impact der Veröffentlichungen nicht erfasst wird.[9] Damit verbunden wird von Kritikern argumentiert, dass Zeitschriftenrankings Konservatismus, Diskriminierung und Innovationsfeindlichkeit inhärent seien,[10] was die Internationalisierung sowie qualitative und kritische Neuausrichtung der Forschung behindere. Dies käme auch bei der Vergabe von Forschungsgeldern, etwa durch die DFG, zum Tragen, wenn Gutachter auf das VHB-JOURQUAL Bezug nehmen, um die vermeintliche Kompetenz des Antragstellers zu bewerten, und damit Bewerber unterbewerten, die sich bisher an international anerkannten Rankings orientiert haben und kritische und interdisziplinäre Forschung betreiben, die laut anderen Rankings auswahlfähig gewesen wäre. Dieselbe Verzerrung wird auch für die Neubesetzung von Professorenstellen argumentiert.
Einzelnachweise
- U. Schrader, T. Hennig-Thurau: VHB-JOURQUAL2. Planungsstand und Ergebnisse der Vorbefragung. Präsentation auf der VHB-Jahrestagung in Paderborn am 2. Juni 2007.
- Christian Homburg: Internationalität, Praxisnähe, Spitzenforschung: Deutsche Universitäten im Zielkonflikt? In: Technische Universität Bergakademie Freiberg (Hrsg.): Zukunft deutscher Universitäten: Standpunkte und Perspektiven. Wiesbaden, Gabler 2008, S. 31–60.
- http://www.bwl2011.de/index.php?id=57 73. Wissenschaftliche Jahrestagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V.
- Änderungen bei VHB-JOURQUAL2.
- T. Hennig-Thurau, G. Walsh, U. Schrader: VHB-JOURQUAL: Ein Ranking von betriebswirtschaftlich-relevanten Zeitschriften auf der Grundlage von Expertenurteilen. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung. 56. Jg., H. 9, 2004, S. 520–545.
- U. Schrader, T. Hennig-Thurau: VHB-JOURQUAL2: Method, Results, and Implications of the German Academic Association for Business Research’s Journal Ranking. (PDF; 1,5 MB). In: BuR – Business Research Journal. Vol. 2, Nr. 2 2009, S. 180–204. (business-research.org (Memento vom 27. März 2014 im Internet Archive))
- http://vhbonline.org/service/jourqual/ Webseite des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. zu JOURQUAL.
- M. A. Özbilgin: From Journal Rankings to Making Sense of the World. In: Academy of Management Learning and Education. Band 8, Nr. 1, 2009, S. 1–9.
- N. J. Adler, A. W. Harzing: When Knowledge Wins: Transcending the Sense of and Nonsense of Academic Rankings. In: Academy of Management Learning and Education. Band 8, Nr. 1, 2009, S. 72–95.
- J. Mingers, H. Willmott: Taylorizing Business School Research: On the ‘One Best Way’. In: Performative Effects of Journal Ranking Lists, Human Relations. Band 66, Nr. 8, 2013, S. 1051–1073.
Literatur
- N. J. Adler, A. W. Harzing: When Knowledge Wins: Transcending the Sense of and Nonsense of Academic Rankings. In: Academy of Management Learning and Education. Band 8, Nr. 1, 2009, S. 72–95.
- H. Dyckhoff, C. Schmitz: Forschungsleistungsmessung mittels SSCI und SCI-X? Internationale Sichtbarkeit und Wahrnehmung der deutschen Betriebswirtschaftslehre von 1990 bis 2004. In: Die Betriebswirtschaft. 67. Jg., H. 6, 2007, S. 640–664.
- M. Fiedler, I. Welpe, A. Picot: Terra Incognita – Forschungsleistungen und Qualifizierungswege des deutschsprachigen Hochschullehrernachwuchses für Betriebswirtschaftslehre. In: Die Betriebswirtschaft. 66. Jg., H. 4, 2006, S. 464–486.
- M. Seiter, M. Stirzel: Messung von Forschungsleistungen. State-of-the-Art. In: Wissenschaftsmanagement. 11. Jg., H. 3, 2005, S. 25–29.
Weblinks
- VHB-JOURQUAL (Website des VHB)