Urhund
Als Urhund wird ein hypothetischer Haushund bezeichnet, der sich genetisch und möglicherweise auch phänotypisch erstmals eindeutig von seiner Stammform, dem Wolf, unterschied. Der Zeitpunkt der Domestikation des Wolfs ist umstritten; wissenschaftliche Schätzungen variieren von 100.000 bis zu 13.000 Jahren vor der Gegenwart.
Genetischer Urhund
Der Haushund dürfte auch nach seiner ersten Domestikation noch lange phänotypisch dem Wolf geähnelt haben, weshalb eine eindeutige Zuordnung älterer fossiler Funde nicht immer möglich ist. Die ältesten fossilen Belege für die Existenz des Haushundes stammen aus dem Jung- und Spätpaläolithikum.
Ergebnisse genetischer Untersuchungen zeigen seit 1997, dass die Domestizierung des Wolfes durch den Menschen mehrmals unabhängig voneinander stattgefunden hat.[1][2] Eine Untersuchung am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle kam bereits 2004 zum Ergebnis, dass die heute existierenden Hunderassen sich genetisch vier verschiedenen Domestikationsereignissen zuordnen lassen.[3] Eine weitere Studie identifiziert mindestens fünf derartige Linien zum Zeitpunkt vor etwa 11.000 Jahren:[4][5][6]
- Neolithisch-Levantische Linie (siehe Basenji)
- Mesolithisch-Karelische Linie
- Mesolithische Baikal-Linie (siehe Siberian Husky, teilw. Kolyma-Indigirka Laika alias englisch Yakutian Laika)
- Alt-Amerikanische Linie[7][8] (teilw. Xoloitzcuintle, teilw. Kolyma-Indigirka Laika alias en. Yakutian Laika)
- Neuguinea-Dingo (englisch New Guinea singing dog, siehe Dingo)
Urhund-Theorien
Als „Urhund“ (Canis ferus) wurde in der Vergangenheit auch eine hypothetische Hundespezies bezeichnet, die neben dem Wolf existiert habe und über die Urrassen der Vorfahre unserer Haushunde gewesen sei. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Theorie ist der Kynologe Theophil Studer.[9]
Der Biologe Konrad Lorenz war der Ansicht, dass neben dem Wolf auch der Goldschakal eine Rolle in der Domestikation des Haushundes gespielt habe. Diese Theorie genoss besonders im deutschen Sprachraum Popularität.
Einzelnachweise
- C. Vilà et al.: Multiple and ancient origins of the domestic dog. In: Science. 276(5319):1687-9, 1997, PMID 9180076 (Volltext (PDF)).
- Der Mensch machte den Wolf zwei Mal zum Hund, auf: spiegel.de vom 2. Juni 2016
- H. G. Parker et al. (2004): Genetic structure of the purebred domestic dog. In: Science 304(5674), S. 1160–1164, PMID 15155949
- Anders Bergström, Laurent Frantz, Ryan Schmidt, Erik Ersmark, Ophelie Lebrasseur et al.: Origins and genetic legacy of prehistoric dogs, in: Science, Band 370, Nr. 6516, S. 557–564, 30. Oktober 2020, doi:10.1126/science.aba9572, PMID 33122379
- Ancient Dog DNA Traces Canine Diversity to the Ice Age and Spread Across the Globe, auf: SciTechDaily vom 30. Oktober 2020; Quelle: The Francis Crick Institute (englisch)
- Michelle Starr: Our Canine Best Friends Were Surprisingly Diverse Already 11,000 Years Ago, auf: sciencealert vom 30. Oktober 2020 (englisch)
Elena Bernard: Hundevielfalt schon in der Altsteinzeit, auf: wissenschaft.de vom 30. Oktober 2020 - Maya Wei-Haas: Wohin verschwanden die ersten Hunde Amerikas?, auf: National Geographic vom 9. Juli 2018
- Fast spurlos verschwunden: Europäer brachten Amerikas Hunden den Tod, auf: n-tv.de/wissen vom 9. Juli 2018, Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa
- Th. Studer: Die praehistorischen Hunde in ihrer Beziehung zu den gegenwärtig lebenden Rassen. In: Abhandlungen der Schweizerischen Palaeontologischen Gesellschaft. Band 28, 1901, S. –137, Zugang zum Volltext (PDF; 11,0 MB)