Unvermutete Bekanntschaft mit einem Handwerk
Unvermutete Bekanntschaft mit einem Handwerk ist eine Novelle von Stefan Zweig aus dem Jahr 1931.[1]
Handlung
Nach zwei Jahren der Abwesenheit von seinem geliebten Paris genießt der Erzähler im April 1931 einen Vormittag auf dem Boulevard de Strasbourg. Neugierige Passanten amüsieren sich vor einem Schaufenster köstlich über drei lebendige Äffchen, die der Ladenbesitzer hinter Glas turnen lässt. Inmitten solch einer Zuschauer-Menschentraube fühlt sich dem Anschein nach ein dürrer, ausgehungerter, verlotterer Stromer ganz wohl. Die Hände des greisenhaften Männleins verschwinden in den viel zu langen Ärmeln eines kanariengelben Sommermäntelchens. Der Erzähler will die Profession des Unbekannten erraten. Ein Bettler, Arbeiter oder auch Fremdenführer ist es nicht. Dieser Mensch mit dem schiefgelegten Hut und dem kränklichen Hüsteln übt in schleicherisch leisem Gehen offenbar ein „amtliches Handwerk“ aus. Ist es ein Detektiv? Die zerfetzten Schuhe und der verdreckte Hemdkragen sprechen dagegen. Der arme Teufel, der in der Menschenansammlung sein gefährliches Handwerk ausübt, muss ein Taschendieb sein. Ein Fehlgriff, ja ein Fingerzittern nur, könnte bis zu vier Jahren Freiheitsentzug kosten. Der Erzähler bewundert die Selbstbeherrschung des Diebes, die selbst die eines Chirurgen überträfe. Denn der narkotisierte Patient sei ja während der Operation ruhiggestellt. Solche Handwerke seien dem Künstlerberuf zuzurechnen. Während der Amateur, also zum Beispiel der Erzähler, ungeduldig forsch zugreife, übe sich der Künstler aus Erfahrung in geduldigem Abwarten. Neugierig geworden, möchte der Erzähler nun „den eigentlichen Herzgriff des Handwerks“ kennenlernen und folgt dem Dieb über die Chaussée d'Antin in die Rue Drouot. Im Gedränge während einer Versteigerung im Hôtel Drouot beendet der Erzähler die Lehrstunde im Fach Diebstahl. Der Dieb greift nach der Brieftasche des Erzählers. Der wachsame Erzähler übersteht die Attacke ohne jeglichen Schaden und lässt den Unglücksvogel laufen.
Zitat
- „...was man in der Kunst mit Müdigkeit beginnt, ist immer schlecht getan.“[2]
Interpretation
Die „Arbeit“ des Diebes ist genau beobachtet. Stefan Zweigs Sprache beim Vortrag des auf den ersten Blick nicht sonderlich ergiebigen Themas steckt voller Bilder. Zum Beispiel steht geschrieben: „Selber zu Pergament gewordene Bibliothekare...“[3]
Verwendete Ausgabe
- Stefan Zweig: Unvermutete Bekanntschaft mit einem Handwerk. In: Novellen. Bd. 1, S. 141–185. Aufbau-Verlag, Berlin 1986 (3. Aufl.), ohne ISBN, Lizenzgeber: S. Fischer, Frankfurt am Main, (Copyright 1936, Herbert Reichner Verlag Wien)
Einzelnachweise
- Verwendete Ausgabe, S. 287
- Verwendete Ausgabe, S. 171, 3. Z.v.u.
- Verwendete Ausgabe, S. 174, 9. Z.v.o.